Hüter meines Herzens. Denise Hunter

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Hüter meines Herzens - Denise Hunter

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betrat den Raum. Er roch sauber und trug frischgewaschene Jeans und T-Shirt.

      Er setzte sich ihr gegenüber und senkte den Kopf, schloss sie aus seinem stillen Gebet aus. Vermutlich bat er Gott um eine Hitzewelle.

      Früher hatte er an genau diesem Tisch immer ihre Hand gehalten und für sie beide gebetet. Nach dem Amen hatte er dann sanft ihre Hand gedrückt. Josephine hatte es nicht so mit dem Beten. Es hatte ihr nie viel gebracht. Aber aus ihrem abendlichen Ritual hatte sie Mut geschöpft. Aus seinem Glauben.

      Jetzt sah sie seine Hände an, die zu Fäusten geballt neben dem Teller lagen. Seine starken, männlichen Hände hatte sie immer gemocht. Männerhände: rau, schwielig, aber zärtlich. Ein Hauch dunkler Haare zog sich über seinen Unterarm und führte zu ihrem Lieblingsteil seiner Anatomie – seinem Bizeps, geformt und gehärtet durch stundenlange körperliche Arbeit. Sein Beruf hatte sich verändert, nicht aber diese Arme.

      Ihr Blick wanderte hinauf zu seinem arglosen Gesicht. Dunkle Augenbrauen schwangen sich über seinen geschlossenen Augen. Seine Wimpern waren feucht und hoben sich spitz von seiner olivfarbenen Haut ab, und dichte Stoppeln zogen sich über seinen Unterkiefer. Zwei-Tage-Bart, schätzte sie.

      Damals hatte sie ihn manchmal an faulen Samstagvormittagen rasiert. Er konnte nie stillhalten oder seine Hände bei sich lassen. Oft lag er am Ende halb rasiert wieder mit ihr unter den kühlen Bettlaken, wo sich das Lachen in seinen Augen schnell genug in Lust verwandelt hatte.

      Seine Augen öffneten sich und richteten sich auf ihre. Sie war wie ein Reh im Scheinwerferlicht gefangen. Sie fragte sich, ob er wohl ihre Gedanken lesen konnte, und lief rot an. Was die wechselseitige Chemie anging, hatten sie nie Probleme gehabt.

      Sie senkte den Blick auf ihren Teller und hob ihren Burger mit zitternden Händen.

      Sie musste aufhören, so zu denken. Da sah man doch gleich, was es mit ihr machte. Sie konnte nicht einmal in seiner Nähe sein, ohne ihn wiederhaben zu wollen. Sie hatte sich gesagt, diese Gefühle seien tot, aber offenbar hatten sie nur Winterschlaf gehalten. Und drohten bei der leisesten Hoffnung auf Wärme wieder ans Licht zu kommen.

      „Immer noch ein Mann des Gebets, wie ich sehe.“ Sie freute sich, dass ihre Stimme stark und gleichgültig klang.

      „Das hat mich durchgetragen.“ Er biss in seinen Burger, und Josephine schwieg.

      Warum hatte sie das nur wieder gesagt? Sie wollte nicht über den Glauben reden. Das war eine der verwirrenden Facetten ihres Lebens. Die emotionale Bekehrung, als sie noch ein Kind war, die Abwesenheit Gottes, als sie ihn am meisten gebraucht hätte, ihr widersprüchliches Bedürfnis nach Vergebung und Buße. Sie konnte dem Ganzen keinen Sinn abgewinnen. Also hatte sie aufgehört, es zu versuchen.

      Als sie frisch in die Stadt gezogen war, hatten ihre leisen Beichten bei Pastor Jack ihr kurzzeitig Trost geschenkt. Doch als ihr klar wurde, dass der lutherische Pfarrer ein guter Freund von Noah war, hatte sie aufgehört, sich mit ihm zu treffen. Soweit sie wusste, hatte er sowohl ihre Treffen als auch ihre Geheimnisse für sich behalten.

      Sie aßen schweigend. Die Mahlzeit zog sich, bis Josephine kurz vorm Verrücktwerden war.

      Zu guter Letzt stand Noah auf und trug seinen Teller zur Spüle. „Ich werde mal nach dem Wetter schauen.“ Er verschwand im Zimmer nebenan.

      Josephine aß zu Ende und ließ sich dann beim Abwaschen Zeit. Als sie das Wohnzimmer betrat, entdeckte sie Noah, der auf seinen Laptop starrte. Das Leuchten des Monitors hob seine Gesichtszüge rau hervor.

      Sie hielt an der Schwelle an, zögerte, das zu kleine Zimmer mit seinem knisternden Feuer und der vertrauten Couch zu betreten. Der Raum wirkte gemütlich im sanften Licht, mit dem steingefassten offenen Kamin und den Deckenbalken. Ein großer Flickenteppich lag auf dem Holzfußboden und lud die Gäste dazu ein, ihre Schuhe abzustreifen.

      Noah, der stirnrunzelnd den Monitor betrachtete, schien ihre Ankunft nicht zu bemerken.

      Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was sagt denn die Wettervorhersage?“

      Sein Blick huschte zu ihr, dann wieder zurück auf den Bildschirm. „Das gleiche Wetter wie jetzt, und das für die nächsten paar Stunden. Eigentlich hätte die Temperatur über dem Gefrierpunkt bleiben sollen, aber es ist zu erwarten, dass sie jetzt doch eine ganze Weile grenzwertig bleiben wird.“

      „Mehr Graupel und Schneeregen.“

      „Anscheinend.“

      Sie verlagerte das Gewicht auf ihren Füßen. Es sah aus, als würde sie die Nacht über hierbleiben müssen. Seinem finsteren Blick nach war Noah noch unglücklicher darüber als sie.

      Der kleine Gefallen, den sie sich da ausgedacht hatte – was für ein Schuss in den Ofen. „Ich schätze, da hast du mich bis morgen am Hals.“

      Noahs Nasenlöcher weiteten sich, und seine Augen wurden schmaler, obwohl er sie weder ansah noch antwortete.

      „Hast du ein Gästezimmer?“

      „Nein.“

      Sie war am Hauptschlafzimmer vorbeigekommen, wo ein Doppelbett fast den ganzen Raum ausfüllte. Aber ihr war auch die schmale Treppe am Ende des Flurs aufgefallen. „Was ist oben?“

      „Das ist noch nicht fertig.“

      Oh. Na ja, sie würde auf gar keinen Fall sein Bett benutzen. „Dann nehme ich die Couch.“

      Im Kamin verrutschte ein Holzscheit. Funken stoben auf.

      Eine Ader pulsierte in Noahs Stirn. „Du kannst das Bett haben.“

      „Es macht mir nichts aus, auf dem Sofa zu schlafen.“

      Er durchbohrte sie mit einem harten Blick.

      Die Intensität ließ sie zurückweichen, aber sie fand noch ein bisschen Mumm in der Stimme. „Na gut.“

      „Na gut.“

      Ihr Blick flog zur Uhr auf dem Kaminsims. Es war zu früh, um ins Bett zu gehen. Viel zu früh, aber das war eben Pech. Hier, wo sie keinen Moment länger erwünscht war, würde sie auch keinen Moment länger bleiben.

      Dann schaute sie wieder zu Noah und entdeckte den Packen Papiere auf dem Tisch neben ihm, aufgeschlagen auf der letzten Seite, die Linie über seinem Namen immer noch leer.

      „Immerhin wirst du jetzt Zeit haben, dir das durchzulesen“, versuchte sie es.

      Seine Augen blickten in ihre. Seine Lippen kniffen sich zu einer schmalen Linie zusammen.

      „Ich … ich glaube, ich geh dann mal schlafen.“ Als er nicht darauf antwortete, wandte sie sich zum Flur. „Gute Nacht“, sagte sie, aber auch darauf reagierte er nicht.

      Beim Betreten des Schlafzimmers sah sie sich um. Das Bett war nicht gemacht, hier und da lagen ein paar Kleidungsstücke, aber im Großen und Ganzen war es aufgeräumt. Die blaue Steppdecke und die grauen Laken erkannte sie nicht wieder, aber das Betthaupt und der Nachttisch aus Eichenholz hatten schon ihr Zuhause in der Katydid Lane geziert.

      Sie schlüpfte aus der Jeans, ließ die kleine Lampe auf dem Nachttisch an und schlüpfte unter die Decke. Was sollte sie die nächsten paar

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