Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1845. Harald Rockstuhl

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Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1845 - Harald Rockstuhl

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wilden Jäger verfolgten Waldweibchen oder Moosfräulein, an deren Spitze die Buschgroßmutter steht (Myth. 452): doch muß die Benennung alt sein, da sich das als einzelnes Wort erloschene lôch, Ge büsch, hier in der Zusammensetzung erhalten hat. Ohne Kopf wurde der wilde Jäger wohl erst gedacht, seit man ihn als Teufel oder Gespenst faßte: auf echtheidnischer Vorstellung aber beruht es daß hier sein Erscheinen Sturm verkündigt und nach der fünften Sage an der Stelle, an welcher er einst seine Thiere fütterte, stets der Wind weht; da Wodan wie Indras (s. Jahrbücher f. wiss. Kritik, Januar 1844 S. 99), eh er zum Himmelsgott erhoben wurde, Gott des Windes war und die Sage von der wilden Jagd, die verbreitetste der von Odhinn noch fortbestehenden, nur „eine Deutung des durch die Luft heulenden Sturmwindes“ ist (Myth. 599).

       Mündlich aus Wettin

      Der wilde Jäger zieht bei Wettin oft durch den Grund, welcher die Pfaffenmat heißt. Da geht es „Kleff, kleff! hede, hede, hede!“ Einst lag ein Hirt in seiner Hürde und hörte das Bellen und Hetzen: da fragte er ob er nicht mitjagen dürfe. „Nur zu!“ rief der wilde Jäger, und der Hirt jagte mit. Als die Jagd zu Ende war, bekam er als Antheil an der Beute eine Pferdekeule, die er essen sollte. Und weil er dies nicht wollte, tanzte die Keule drei Nächte hinter einander auf der Weide rings um die Schafe und mitten durch sie hindurch, daß die Thiere sehr scheu wurden. Da wandte sich der Hirt an den Prediger und klagte ihm seine Noth; und der Prediger citierte den wilden Jäger und gebot ihm die Keule zurück zu nehmen. Doch der wilde Jäger sagte, das sei alter Brauch bei ihm und seinen Jägersleuten, wer mit jage, der müsse auch mit essen; daher komme noch das alte Sprichwort

       „Hast du geholfen jagen,

       Mußt du auch helfen nagen.“

      Da mußte sich der Hirt bequemen ein kleines Stück von der Keule zu essen, welche hierauf verschwand.

      Dieselbe Sage erzählt man zu Greifenhagen und Dederstedt. Zu Wettin aber rief einst ein Schiffer, als er den wilden Jäger über sich hin fahren hörte, „Mir auch eine Keule!“ und augenblicklich lag eine mächtige Pferdekeule in seinem Kahn, die er lange umsonst hinaus zu werfen suchte; denn sie war so schwer, daß er sie gar nicht erheben konnte. Da stieß er im Ärger einen Fluch aus, und plötzlich war die Keule verschwunden.

       Anmerkung:

       Der Grund wird vom Volke gewöhnlich Pfaffenmagd genannt; doch ist die Form Pfaffenmat, welche daneben vorkommt, sicher die richtige, indem mât von mæjen gebildet ist wie sât von sæjen. – Zu der Sage vergl. Deutsche Sagen 1, 48, Kuhns märkische Sagen Nr. 102, Wolfs niederländische Nr. 259. Daß es gerade eine Pferdekeule ist, welche Menschen vom wilden Jäger empfangen, erinnert daran daß man noch spät am Genuß des Pferdefleisches die Heiden erkannte (Myth 41). – Bei dem Fluche verschwindet das Geschenk der Gottheit wie in der 19. Sage.

       Mündlich aus Dederstedt

      In Dederstedt bei Eisleben war eine Stelle, an welcher der wilde Jäger stets anzuhalten und seine Pferde und Hunde zu füttern pflegte. Als man dort vor einigen Jahren ein Haus baute, wurde die erste Mauer funfzehn Mal hinter einander über Nacht wieder eingerissen: erst das sechzehnte Mal blieb sie stehen; doch ist es noch jetzt bei Nacht in den Zimmern unruhig, und rings um das Haus, welches grade an einer Ecke steht, weht zu allen Tageszeiten der Wind.

       Mündlich

      Frau Holle, die man in ganz Thüringen kennt, ist ein kleines, bucklichtes altes Mütterchen. Sie ist sehr häßlich und spielt den Leuten manchen bösen Streich, besonders wenn sie in den zwölf Nächten spinnen. Sie macht dann daß die Kühe Blut statt Milch geben, daß das Garn ungleich wird und die Leinwand bald zerreißt. Man fürchtet sie und spricht nur Gutes von ihr: das Böse flüstert man sich leise zu. Und wenn ein verwegner junger Bursch in der Spinnstube über sie spotten will und eine alte Frau dabei sitzt, springt sie wohl auf, hält ihm den Mund zu und murmelt, indem sie ängstlich nach dem Fenster sieht, „Gott segn’ uns, wenn sie das gehört hat.“

      Frau Holle heißt sie auch im Magdeburgischen und um Naumburg, Weißenfels und Zeiz. Um Wollmirstedt dagegen, so wie um Eisleben (in Amsdorf, Ober- und Unterröblingen, Erdeborn, Helfta, Volkstädt, Helbra) und von da aufwärts nach der Saale zu in Hedersleben, Dederstedt, Schochwitz, Gorsleben wird sie allgemein Frau Wolle, in dem eine halbe Meile von Gorsleben dicht an der Saale gelegenen Zaschwitz aber, in Wettin und Beidersee Frau Rolle genannt.

       Anmerkung:

       Zu dem Wechsel des H und W in Holle und Wolle könnte man Herre und Werre (s. die folgende Anmerkung) und zu dem des W und R in Wolle und Rolle Formen wie Wasen und Rasen, Wocken und Rocken vergleichen: doch die Benennungen Harfe und Haken (Haupts Zeitschrift 4, 386), welche man für Harre, Harke braucht, machen es wahrscheinlicher daß sich hier Reste alter Euphemismen erhalten haben, durch die man den Namen der Göttin halb verschwieg, wie man jetzt in Flüchen und Ausrufungen, Kotz Wetter! Potz Blitz! und dergl. für Gottes Wetter, Gottes Blitz, Herr Je für Herr Jesus und Ähnliches sagt, aus Scheu den Namen Gottes, wenn man ihn unverändert ausspräche, zu entheiligen (Myth. 14). – Nach dem Fenster blickt die Frau wohl, weil sie fürchtet daß Holda wie sonst Berchta (Myth. 253) oder der Teufel (Kuhns märk. Sagen S. 379 Nr. 26), wenn man sie verletzt, plötzlich durch das Fenster schauen und eine Strafe verhängen wird.

       Oberröblingen – Früheres Seebad. Postkarte um 1910.

       Sammlung Harald Rockstuhl.

       Mündlich aus Oberröblingen am salzigen See

      Zwischen dem Dorfe Aseleben und dem salzigen See liegt ein Berg, der mit einigen hundert Steinen bedeckt ist. Auf diesem Berge hütete einst ein Schäfer, und als er frühstücken wollte, kam Frau Wolle den Berg herauf um auf der andern Seite zum See hinab zu gehen und sich darin zu baden. Wie sie den Schäfer sah, bat sie ihn um ein Stückchen von seinem Brote: doch er lachte und sprach, wenn sie essen wolle, solle sie arbeiten; sein Brot habe er ehrlich verdient und brauche es allein. Da berührte ihn Frau Wolle mit einer Ruthe, die sie in der Hand trug, und alsbald war er in Stein verwandelt: darauf berührte sie seine beiden Hunde, die rechts und links neben ihm lagen, und dann die ganze Heerde, und auch die Hunde und alle Schafe wurden zu Stein. Dies sind die Steine, welche auf dem Berge liegen; und noch heut sieht man an dem, in welchen der Schäfer verwandelt ist, den Stab aufragen, den der Schäfer beim Sitzen grade über seine Schulter gelehnt hatte. Der Berg wird seitdem der Steinberg, bisweilen auch der Schafberg genannt.

      Auf einem Anger bei Ahlsdorf liegt eine Menge ähnlicher Steine; und auch dies ist ein Schäfer mit zwei Hunden und fünfhundert Schafen, die einst verwünscht worden sind. Wer sie verwünscht hat weiß man nicht; doch erzählt man daß sie einst noch erlöst werden sollen.

       Mündlich

      In Gutenberg bei Halle hütet man sich in den zwölf Nächten zu spinnen, weil sonst Frau Harre kommt und den Rocken besudelt. In Pfützenthal wird sie Frau Harren, in Rothenburg (anderthalb Meilen

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