Winter – Weihnacht – Wunderbares. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Winter – Weihnacht – Wunderbares - Группа авторов страница 4

Winter – Weihnacht – Wunderbares - Группа авторов

Скачать книгу

konsumieren

      sondern kommunizieren

      nicht lebensmittel

      sondern eine mitte des lebens

      nicht die große auswahl

      sondern selbst erwählt sein

      nicht tausend liebe dinge

      sondern eine unbedingte liebe

Lenard James Cropley

      Mit dem ersten Advent beginnt bei Mann und Weib die große Jagd durch Shoppingcenter, Einrichtungshäuser, Galerien, Boutiquen und Weihnachtsmärkte. Nur um die zweifelhaften Geschenkevorstellungen der Lieben zu erfüllen, rennen sie schwerbepackt die Gänge entlang, links ertönt „Jingle Bells“ und rechts „Feliz Navidad“. Von oben kräht ein Kinderchor so etwas Ähnliches wie „Oh du Fröhliche“.

      Die Blicke fliegen über Kerzenwälder, Süßwarengebirge, Alkoholmeere und Räuchermännelnationen. Bald fühlen sich die Jäger schlecht und schwindelig. Er, weil er: eine Bratwurst mit Senf, einen roten Zuckerapfel, eine Tasse heißen Met, ein Fischbrötchen, eine Tüte gebrannter Mandeln, eine kleine Schokobanane, einen Grog und eine Handvoll Krapfen zu sich genommen hat. Sie: weil sie hungrig blieb. Sei es wegen des abgelehnten Schlangestehens und dem In-der-Kälte-Gehocke oder weil sie beim Versuch, an Nahrung zu gelangen, in dem Menschengewühl einfach nicht zur Theke fand und zu kraftlos war, um weiterzukämpfen. Vielleicht konnte sie auch dank des Wein-Bratfett-Zuckerwatten-Senf-Mandel-Oliven-Geruches, der ihr so langsam die Sinne raubte, die Kehle zuschnürte und einen Würgereiz auslöste, nicht mehr an eine Essensaufnahme denken.

      Doch anderntags ziehen sie wieder zerknirscht los, um den rosa Plüsch-Waschbären, das sich selbst lesende Buch und die jodelnde Klobürste zu erwischen. Aber die Sache mit der Jagd von großem Getier ist längst Geschichte und sie sind bald müde. Ihre Augen stumpf vom Suchen zwischen all den Unnützlichkeiten und vom Blenden der rosagrünen, gelblila Lichter. Die Ohren sehnen sich nach der Stille eines lautlosen Flockentanzes. Ihre Nasen möchten nur noch den Duft von Tannengrün im Morgentau schnuppern. Ihre Hände und Arme sehnen sich nach Ruhe, mögen nichts mehr befühlen, betasten oder schleppen. So taub sind auch ihre Beine und Füße, die sonst nur sacht das Gaspedal berühren und weitaus weniger Straßenpflaster unter den rauen Sohlen spüren.

      Ist das Geschenke-Ergattern in der Freizeit ein Dilemma, so gibt es noch ein weiteres: Arbeitstage und Festtage. Die Arbeitsengel im Niedriglohnsektor machen schnelle Geschenke erst möglich. Von „Alles argfreundlich abverkaufen“ bis „Zärtlich zügig zusammenpacken“. So arbeiten sie im Tingel-Tangel-Weihnachtsgebimmel und kutschieren Glühweinselige per Bus und Bahn oder stehen sich in den kalten Verkaufsbuden die eiskalten Füße in den Bauch. Selbst literweise lauwarmer „Früchtetee“ wärmt ihre großen Herzen nur kurz …

      Von all den anderen sichtbaren Engeln in Weiß und den unsichtbaren möchte ich gar nicht erst anfangen …

      Zu Hause dann, wenn die Geschäfte geschlossen sind, geht endlich die Besinnlichkeit los: Wäsche waschen, bügeln, Wohnung putzen und dekorieren, Essen kochen, Möbel umstellen, Plätzchen backen, Tannenbaum schmücken, Lieder und Gedichte lernen, Geschenke sortieren, Karten schreiben und die lieben Gäste bewirten. Dabei die Familie und sich bei guter Laune halten und nicht vergessen das Gesamtziel „Fröhliche Weihnacht überall“ nicht aus den Augen zu verlieren.

      In der Nacht des 24. Dezembers, nach dem großen Familienstreit, liegen sie völlig erschöpft in ihren Betten und an Nächstenliebe ist nicht mehr zu denken. Bestimmt flüstern sie ein heimliches, atheistisches Gebet. Darin beschweren sie sich über das unmögliche Benehmen von Tante Friedgard, die den Riesenkrach auslöste. Kurz darauf fragen sie sich aber, ob man den großen Vater nach der Geburt des langersehnten Sohnes mit solch banalen Kleinigkeiten nerven sollte. Ein gnädiger, todesähnlicher Schlaf bewahrt sie jedoch vor Antworten, die sie sowieso nicht hören wollen.

      Zwischen den Festen gehen sie wieder arbeiten. Gedanklich aber stellen sie schon den Schlachtplan für die große Jahresend-Party auf den Bahamas mit Tom Jones zusammen. Ein Abstecher nach New York und London war auch gebucht gewesen, aber nun sind alle Flüge wegen starken Schneefalls gestrichen. Alles Humbug. Aber wer gibt schon gern zu, dass er mit Oma Irmtraut und dem Partner bei Gürkchen, Billigsekt und der fünfhundertmillionsten Folge „Dinner For One“ kurz vor zwölf auf dem Plüschsofa einnickt und dass das alles an Feierlichkeiten war?

      Am Morgen des zweiten Januars ist der Hosenbund noch weiter geworden und sie freuen sich über die Erholung auf Arbeit. Dort grüßt der Kollege halblaut: „Gesundes Neues Jahr wünsche ich!“ und sie murmeln: „Danke gleichfalls.“ Bei einem Blick in seine glanzlosen Augen mit den schweren Lidern grinsen sie ihn schamlos an und beginnen das Märchen ihrer wunderbar harmonischen Festtage zu erzählen …

       Spruch

      Gleich nach dem Kerzenschein

      ist der Geldschein

      der schönste …

       Der erste Dezember

      Ich öffne endlich das Türchen mit der Eins.

      Die Schokolade schmilzt auf meiner Zunge.

      Schon am Nachmittag bin ich der Zeit weit voraus …

      Rein theoretisch müsste morgen Heiligabend sein.

      Gestern gegen 22 Uhr, mein DVD-Film war zu Ende, der Abend aber nicht, beschloss ich, noch etwas fernzuschauen. Da Kriminalsendungen nicht so mein Fall sind, blieb ich beim Ersten Programm hängen. Zu sehen bekam ich eine drapierte Waldlandschaft mit massenhaft Pulver-Schnee, die gar nicht mal so furchtbar künstlich aussah. Schon ahnte ich, was da lief. Den Moderator, der dort mit einem halben Dutzend Schönlingen stand, erkannte ich nicht gleich. Denn Florian Silbereisen ist nicht mehr blond. Das dunkle Haar steht ihm gut, ebenso der Bart. Er trug einen schwarzen Anzug, edel und leger zugleich. Immer noch ein Schwiegermutter-Traum, aber nicht mehr ganz so aalglatt. Wie versteinert blieb meine Hand an der Fernbedienung und rührte sich nicht mehr. Silbereisen unterhielt sich mit den jungen Männern, die alle schwere Boots, weiße Socken und kurze Lederhosen anhatten. Obenrum unterschied sich das Ensemble: Karohemden, Lederblazer, Strickpulli oder T-Shirt mit langem Schal. Breit und muskulös standen die Männer da und versuchten, das Lächeln nicht abfallen zu lassen. Sie sprachen miteinander, aber ich verstand nichts. Weil der Silbereisen so schnell redete und die anderen Jungs in irgendeinem seltenen steirischen Dialekt.

      Früher hätte ich längst wieder umgeschaltet, aber irgendetwas faszinierte mich am Fernsehbild. Was für eine Kulisse! Dazu diese Katalogtypen, perfekt ausgeleuchtet und frisiert, braungebrannt, weiße gepflegte Zähne, ihre Münder bewegten sich, ihre Botschaft kam, zumindest bei mir, nicht an.

      Dann formierte sich der Modehaustrupp neu und Musik wurde eingespielt, okay, das war das Zeichen, ich schaltete um.

      Fünf Minuten später, auf allen anderen Kanälen liefen Werbespots, landete ich wieder mit dem Finger bei der ersten Zahl auf der Fernbedienung. Zumindest hatten sie aufgehört zu singen! Wieder glotzte ich auf die Kunstlandschaft und versuchte, irgendeinen Makel

Скачать книгу