Tatort Genfer See. Anna Maria Sigmund

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Tatort Genfer See - Anna Maria Sigmund

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60-jährigen Lebens hatte die gesundheitsbewusste Monarchin schon früh eine große Leidenschaft für Heilmaßnahmen aller Art entwickelt. Sie suchte regelmäßig die besten europäischen Heilanstalten auf und blieb – stets unter dem Pseudonym einer Gräfin von Hohenembs – mehrere Wochen lang und kehrte auch immer wieder. Bei ihrem sechsten Aufenthalt in Bad Kissingen besuchte sie Kaiser Franz Joseph am 25. April 1898, der in großer Sorge um seine leidende Gattin gleich seinen Leibarzt Dr. Joseph Kerzl mitgebracht hatte. Ihm gegenüber klagte Elisabeth über Müdigkeit und Atemnot.

      Bei einer ihren Promenaden im Kurpark wurden Kaiserin und Kaiser von einem Fotografen aus Bad Kissingen ohne ihr Wissen und ohne Erlaubnis heimlich aus der Entfernung aufgenommen. Auf dem Foto ist Elisabeth, wie immer seit dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf, ganz in Schwarz zu sehen, mit weißem Sonnenschirm und einem Fächer, den sie stets bereithält, um ihr Gesicht zu verbergen. Franz Joseph trägt als Privatmann Zivilkleidung. Es ist die letzte gemeinsame Aufnahme des Paares.

      Ein letztes gemeinsames Bild: Kaiser Franz Joseph und Elisabeth beim Spaziergang im Kurpark von Bad Kissingen.

       Foto: Atelier Johann Kolb, Bad Kissingen, 1898.

      Bald danach traf auch die jüngste Tochter der Patientin in Bad Kissingen ein. Wie immer war Marie Valerie trotz der eigenen großen Kinderschar stets bereit, sich um die Mutter zu kümmern, ihr auf einen Wink hin nachzureisen, sich ihre Klagen anzuhören. »Mama sieht furchtbar schlecht aus«, schrieb sie nach ihrer Ankunft besorgt in ihr Tagebuch. »All der Jammer dieses armen, trostlosen Lebens, nun gesteigert durch Alter und Kränklichkeit und immer noch ohne das tröstende Licht …« Die sehr fromme Marie Valerie war enttäuscht und sorgte sich um das Seelenheil der Mutter, die auch diesmal vom »tröstenden Licht« des Glaubens absolut nichts wissen wollte. Die Auswirkungen der Kurtherapien mit einer zeitweisen Verstärkung der Schmerzen stimmten Elisabeth nicht milder. Im Gegenteil. Mit leiser, gepflegter Stimme übte sie in den langen abendlichen Gesprächen zum Entsetzen der Tochter beißende Kritik an der katholischen Kirche. Marie Valerie blieb nur die Hoffnung, dass Gott diesen schweren Frevel vergeben möge und kam zu dem Schluss:»… sonst müsste sie selbst erschrecken vor den furchtbaren Dingen, die sie sagt, also völliges Ableugnen von Gottes Barmherzigkeit.«

      Der tragische Tod von Elisabeths jüngster Schwester Sophie Charlotte: Sie kommt beim Brand des Pariser Bazars de la Charité am 4. Mai 1897 in den Flammen um.

      Die bejahende Antwort auf die Frage, ob sie denn nicht an Gott glaube, konnte Marie Valerie nicht beruhigen. »O ja, an Gott glaube ich – so viel Unglück und Leiden kann nicht durch bloßen Zufall entstehen. Er ist mächtig, erschreckend und grausam«, beharrte die Kaiserin und führte den Tod ihrer jüngsten Schwester Sophie Charlotte beim Brand des Pariser Bazars de la Charité im Jahre 1897 an. Die mütterlichen Ansichten erinnerten die biedere, konservative und deutschnationale Tochter in fataler Weise an die Religionsfeindlichkeit der Sozialisten, wenn nicht gar an die der Anarchisten. »Kein Gott, kein Herr!«, lautete einer der Schlachtrufe der anarchistischen Bewegung, deren Taten damals die Medien beherrschten.

      In Ischl verbrachte »Sisi« noch einige Tage im Kreis der Familie, am 15. Juli 1898 verließ sie die Salzkammergut-Sommerfrische in Richtung Bad Nauheim, um eine angebliche Herzschwäche zu kurieren.

      In Bad Kissingen schien sich der Zustand der Monarchin allmählich zu bessern. »Wetter entsetzlich«, notierte Marie Valerie. »Sturm und Regen, was aber Mama nicht hindert, lange, lange Spaziergänge zu machen …« Und dies trotz einer Entzündung des Ischiasnervs.« »Gott Lob, es muß Dir besser gehen!«, wunderte sich der Kaiser, »da Du so große Ausflüge unternimmst!« Von Kissingen ging es zur Nachkur nach Bad Brückenau, wo die Kaiserin bis zum 12. Juni blieb. Dann erfolgte ein Rückzug in die Einsamkeit der Hermesvilla, ihr von menschenleeren Wiesen und Wäldern umgebenes kleines Schloss im Lainzer Tiergarten am Rande von Wien. Die Haupt- und Residenzstadt selbst hat die Monarchin nicht geschätzt und aus Abneigung prinzipiell gemieden. Anschließend hielt sie sich bei ihrer Familie in Bad Ischl auf, um dann am 15. Juli erneut abzureisen: zu einer weiteren, fünfwöchigen Kur unter Leitung von Dr. Theodor Schott nach Bad Nauheim. Hatten doch die Ärzte bei der Kaiserin ein neues Leiden, nämlich Herzschwäche, festgestellt.

      Kaiser Franz Joseph schrieb resigniert: »…nach so unendlich kurzem Zusammensein sind wir wieder auf schriftlichen Verkehr beschränkt. Das ist sehr traurig, aber leider nicht zu ändern. Die neuerliche Trennung geht mir sehr nah …«

      Elisabeths Reiseroute führte über München, wo die vermeintlich Herzkranke frohgemut durch die Stadt bummelte, im Englischen Garten spazierte und voll Nostalgie die Stätten ihrer Kindheit, darunter den Familiensitz, das Herzog-Max-Palais, aufsuchte sowie im Hofbräuhaus Bier trank. »Ich verlasse niemals München, ohne hier einzukehren«, meinte die Kaiserin zu ihrer Begleiterin. Auch in ihrer Heimatstadt suchte die Monarchin, wie auf all ihren Reisen und Kuraufenthalten, die lästigen Bewacher abzuschütteln. Überhaupt gab es, wie die Münchener Stadtväter meinten, keinen Grund, die Anwesenheit der gebürtigen Wittelsbacher Herzogin geheim zu halten. Stolz vermeldeten die Fremdenlisten der lokalen Zeitungen jedes Mal die An- und Abreise Elisabeths. Wurde diese, wie es im Hofbräuhaus geschah, von Fremden erkannt und gegrüßt, brach die Monarchin sofort auf. Sie liebte es unerkannt zu bleiben. Ein »Bad in der Menge« war und blieb ihr eine unerträgliche Belästigung.

      Bad Nauheim wurde ein Erfolg. Die Kaiserin fühlte, wie ihre Begleitung bemerkte, ihre »Lebenskraft wachsen« und sie schmiedete Pläne für die Zukunft. »Noch eine solche Kur, Gräfin«, meinte sie zu ihrer Hofdame Irma Sztáray, »und Sie werden sehen, ich kann mich auf die größten Seereisen begeben, dann wollen wir zu den Canarischen Inseln«. Davor jedoch stand noch eine Nachkur in Caux hoch über Territet in der Nähe von Montreux am Genfer See auf dem Programm. Die Kaiserin liebte die demokratische Schweiz und die kosmopolitischen Schweizer. In der Eidgenossenschaft sah sie ein Vorbild für die künftige Gestaltung der europäischen Staaten, denn sie zweifelte am Fortbestand der Monarchien. Aus diesem Grund deponierte sie in weiser Voraussicht in der Schweiz, die damals noch nicht zu den führenden Finanzplätzen Europas zählte, auch einen Großteil ihres beträchtlichen Vermögens, zu dem ihre Tochter Marie Valerie bei der Testamentseröffnung nur staunend bemerken konnte: »Es ist erschreckend groß.«

      Über die Gefahren, die in der Schweiz, damals eine wahre Hochburg der Anarchisten, auf sie lauerten, war sich Elisabeth durchaus bewusst. Für ihre eigene Person zog sie es vor, diese einfach zu ignorieren und verfasste dazu ein Spottgedicht:

       Schweizer, Ihr Gebirg ist herrlich!

       Ihre Uhren gehen gut.

       Doch für uns ist sehr gefährlich

       Ihre Königsmörderbrut!

      Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth im Garten des Hotels Cap Martin, Frankreich, zusammen mit der Kaiserin-Witwe Eugenie von Frankreich. Autotypie nach einer Zeichnung von Arthur Lajos Halmi. Abbildung aus: Max Herzig (Hg.): »Viribus unitis. Das Buch vom Kaiser« (1898).

      Um die Sicherheit ihres Gemahls war sie jedoch höchst besorgt, wie ein Brief Kaiser Franz Josephs aus dem Jahr 1895 bezeugt, als das Herrscherpaar einen gemeinsamen Urlaub in Cap Martin an der französischen Riviera genoss. »… Deine Besorgnis wegen meiner Sicherheit in Cap Martin war unnöthig«, beruhigte er Elisabeth. »… denn es handelt sich nach meiner Überzeugung nur um unbegründete Geschäftigkeit

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