Erstflug. Matthias Falke
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Natürlich hieß sie nicht Trixi. Das war ihr Künstlername. Wie ja auch die KI-Spezialisten ihre eigenen Nicknames hatten, unter denen sie ihre Programme schrieben.
»Ich höre, du hast Post bekommen, Laertes?!«
Sie betonte das Wort, als könne nichts anderes als eine Unanständigkeit dahinter stecken.
»Einen Brief?«
»Und wenn schon«, grinste er.
Er mochte sie. Irgendwie, bildete er sich ein, schäkerte sie anders mit ihm als mit den anderen. Vermutlich lag es daran, dass er sie nie gefragt hatte. Sie hatte es auch nie darauf angelegt. Sie wusste, dass er vergeben war.
»Ich habe noch nie einen Brief bekommen«, sagte sie mit künstlichem Schmollen.
Inzwischen waren die Kollegen aufmerksam geworden, die rechts und links von ihm abhingen. Sie unterbrachen ihre Unterhaltungen, die ausnahmslos kryptische Fachgespräche waren, und wandten sich zu ihm um.
Trixi hatte diesen Effekt beabsichtigt. Sie weidete sich an ihrem Erfolg. Als sämtliche Augenpaare in der kleinen Bar sich auf Laertes gerichtet hatten, drehte sie sogar die Musik leiser, um zu der Frage auszuholen:
»Was stand denn drin?«
Er schob ihr sein Glas hin, das er durstig geleert hatte. Aber sie ließ sich nicht ablenken. Obwohl es ihm sonst unangenehm war, im Mittelpunkt zu stehen, sonnte er sich für einen Moment in der ungewohnten Aufmerksamkeit, die ihm zuteil geworden war. Dann hob er die Schultern zu einer Geste herablassender Gleichgültigkeit und sagte:
»Die MARQUIS DE LAPLACE.«
Er ließ das einige Sekunden wirken.
»Ich bin nachgerückt.«
Den Kollegen klappten die Kiefer runter. Der eine oder andere musste einen Augenblick des Neides niederkämpfen, das entging ihm nicht. Dann überwog aber doch die kameradschaftliche Freude. Trixi gingen beinahe die Augen über.
»Die MARQUIS DE LAPLACE«, schrie sie. »Aber das ist ja Wahnsinn.«
Sofort kehrte die Musik zu ihrer alten Lautstärke zurück.
»Das müssen wir feiern!«
Bevor er etwas hätte sagen können, erschienen einen Flasche Tequila und ein Planetensystem leerer Gläser vor ihm auf der Theke.
»Dann feiern wir«, sagte er ergeben.
Trixi war schon dabei, die Gläser einzuschenken.
Am nächsten Morgen hatte er einen Brummschädel. Er hasste Tequila! Das Zeug verschmierte einem das Gehirn. An vernünftige Arbeit war ohnehin nicht zu denken. Er ging zum Leiter seiner Arbeitsgruppe.
Jones schaute ihn freudlos an.
»Hab schon gehört.« Er kaute die Worte mit breiten Backen klein, als bestünden sie aus zäh gewordenem Fleisch. »Glückwunsch!«
Laertes dankte wortlos.
»Natürlich sind wir stolz«, fuhr Jones mit vollkommen unmodulierter Stimme fort. »Aber es fällt mir sehr schwer, meinen besten Mann ziehen zu lassen.«
»Ihr müsst mich freistellen«, sagte Laertes. »Gesetz der Union vom 1. Januar ...«
»Lassen wir das.« Jones musterte ihn. »Ich weiß, dass du das jetzt nicht falsch verstehst, wenn ich bemerke, dass es eigentlich eine Schweinerei ist.«
Er ließ ihn reden, erwiderte aber nichts.
»Wir haben dich ausgebildet. Wir haben dich sechs Jahre lang in diesem Projekt gehabt.«
»Die Universität von Kalifornien hat mich ausgebildet«, wandte Laertes ein.
»Du weißt, wie ich’s meine«, knurrte Jones. »Wenn ihr von der Uni kommt, seid ihr Rohdiamanten, mit denen man erst einmal gar nichts anfangen kann. Sechs Jahre Projektarbeit, vor allem an einem Projekt wie diesem. Dann seid ihr etwas wert!« Er betonte das letzte Wort hart und knarrend. »Wenn eine andere Firma käme und dich haben wollte, würde ich ein paar Millionen Ablöse einklagen.«
»Die MARQUIS DE LAPLACE ist ein staatliches Projekt«, sagte Laertes ruhig.
»Das ist ja die Scheiße«, schimpfte Jones. »Keine Ablöse, keine Entschädigung. Und wer soll jetzt deinen Job machen?«
»Es rennen tausende Programmierer da draußen rum, die mindestens so gut sind wie ich.«
»Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.« Jones seufzte. »Nicht aus dem Stand. Sie brauchen Jahre, um sich einzuarbeiten. Jahre, um so gut zu werden wie du!«
»Ich habe starke Kopfschmerzen«, erklärte Laertes. »Eigentlich wollte ich nur ...«
»Du wolltest deinen Abschied einreichen. Ohne Kündigungsfrist, ohne Abfindung. Bumm!«
»Es tut mir leid, wirklich!«
»Schwätz kein dummes Zeug!« Jones wirkte für einen Augenblick beinahe versöhnlich. Er deutete auf Laertes’ dröhnenden Schädel. »Ihr habt gefeiert.«
»Ein bisschen.«
»Hat Trixi dir einen geblasen?«
»Nein.«
»Komm schon, mir kannst du es sagen.«
»Jones.«
»Okay, ich weiß. Du hast da draußen etwas besseres.«
»Bringen wirs einfach hinter uns«, bat Laertes.
»Du kriegst deine Papiere.« Jones nickte. Er begann auf seinem Display zu tippen und Formulare anzufordern.
»Im übrigen wirkt das auf euch zurück«, sagte Laertes noch. »Die ganze Publicity. Ihr könnt damit werben!«
Jones stöhnte genervt. Ob es an den Tücken des Systems lag, das die Dateien nicht so bereitstellte, wie er es wollte, oder an Laertes, musste sein Geheimnis bleiben.
»Komm mir nicht mit sowas!« Er überzeugte sich, dass die Datenverarbeitung lief, und widmete sich wieder seinem Gegenüber. »Es wäre gut, wenn wir eine Uni wären, ein Ausbildungsinstitut, eine Eliteschmiede, weißt du! Aber das sind wir nicht. Wir haben nichts davon, wenn die Leute weggehen. Selbst wenn die Konkurrenz dich gekauft hätte, für ein paar Millionen, hätten wir nichts davon, denn was du hier machst, ist unbezahlbar.« Er überflog die Zeugnisse, die auf seinem Schirm erschienen. »Ich sehe gerade, du hattest sogar eine UK-Klausel. Für alles Geld der Welt hätten wir dich nicht hergegeben.«
»Jetzt müsst ihr es umsonst tun.«
»Wir brauchen keine Publicity, nicht solche. In den Hauptnachrichten, in den Mainstreammedien in die Kamera lächeln. Dann ein Schwenk über die MARQUIS DE LAPLACE. Das ist nicht speziell genug. Das