Vampirnovelle. Frank Hebben

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Vampirnovelle - Frank Hebben

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Klasse trinke ich mein Bier, während hinter den Scheiben der Kurzfilm abläuft: rote Ampeln, kahle Bäume; Strommasten rauschen vorbei; eine Stahlbrücke, auf der jemand winkt. Radfahrer. Eisgraue Wiesen, dann wieder Wohngebiet: kaputte Fenster, Kneipen, Billigläden … die Säufer im Park; ein Flaschensammler, und dann Reihenhäuser und Villen, ein seelenloses Neubaugebiet, wo man sich im Wohnbunker eingesargt hat, mit der ganzen Familie; dann neue Parzellen, alles wie kopiert und eingefügt in einer Aufbau-Simulation für Spießer: der gleiche Rasen, der gleiche hohe Nachbarszaun mit Sichtschutz; und natürlich das Trampolin für die Kids mit den Platzwunden am Kopf.

      Ich höre ihre Stimme im Ohr; als wäre sie an der letzten Haltestelle eingestiegen und würde jetzt neben mir sitzen, Ruth: Aber, sieh doch, wie viel Spaß die Kinder haben.

      Sollen sie, diese kleinen Anarchisten. Aber ihre Eltern sind so … stumpf, eine konforme Masse: Für alle die gleiche Zufriedenheit!

      Kinder geben dem Leben einen Sinn.

      So wie Arbeit oder Krieg?

      Du bist herzlos. Selbstgerecht. Und neidisch. Außerdem liegst du falsch.

      Aha?

      Ja! Nur, weil man etabliert ist, sich als Mitglied, als Teil der Gesellschaft versteht, sich deshalb einbringt –

      Dass ich nicht lache! Die haben sich längst abgeschottet, mit Toren, Mauern und Gehaltsklassen.

      … wie die Kaufleute, damals, oder der Adel, fährt sie unbeirrt fort. Oder wie deine Familie es tut: ihr alten Aristokraten.

      Geschichtsstunde? Echt jetzt?

      Auf wessen Seite stehst du eigentlich?

      Sie sind die lebenden Toten!

      Ruth prustet los, stelle ich mir vor. Dabei bist du derjenige, der gerade ins Büro fährt.

      Für mich ist das ein Spiel.

      Wie du meinst, mein Lieber … wird ihre Stimme leiser. Ganz wie du meinst.

      +

      Nicht durch den Haupteingang, sondern durch die Tiefgarage gehe ich zum Aufzug: noch der klebrige Geruch, den sie absondern, schlecht kaschiert mit Deo und Rasierwasser – vom Stress der letzten Woche. Ich kann das Alter riechen, ihr Geschlecht; den Alkohol, ihre Tablettensucht; ihre leichten und schweren Krankheiten.

      Kein Jagdrevier.

      Achtundzwanzig, neunundzwanzig – und der dreißigste Stock, ein Leben aus Zahlen, sauber sortiert. Schnurgerade Gänge, diskrete Wandfarben: Pastell- und Sandtöne; unter meinen Sohlen glänzt das Parkett. Eine Büroklammer neben der Kaffeemaschine wie ein totes, weißes Insekt.

      Hallo, begrüßt mich meine Assistentin, deren Namen ich vergessen habe, während ich die Milchglastür aufschließe und mich, an ihr vorbei, an den Eichenholztisch setze: ein Telefon, ein Tablet, mehr nicht. Das antike Sofa. Kronleuchter hängen; und ein Bild vom Papst als Pop Art in Rosa und Veilchenblau. Von Ruth. Ich lasse die Sonnenbrille auf, die Jalousien schräg geöffnet.

      Ja? Sie wartet auf Anweisungen.

      Die Verträge von Mittwoch bis Freitag …

      Gern, sagt sie, zu Boden blickend; diese scheue, anämische Frau mit den großen, verzweifelten Augen, als Schoßhund darauf dressiert, mich bedingungslos zu lieben. Ihre teuren Kostüme, mit dem wenigen Geld gekauft, das wir ihr bezahlen, weil sie mir so gern gefallen will; heute: ein bordeauxroter Rock, der ungebügelt ist, genauso wie ihre Bluse. Zu wenig Zeit nach meinem Anruf.

      Die Kollegen sitzen sicher schon brav im Konferenzraum, übermüdet, verkatert, aufgekratzt; die Augen entzündet vom ständigen Schlafentzug, der sie gefügig macht: eine Foltermethode. Was ist bitte so furchtbar wichtig?, wird mich ihr Leitwolf fragen. Wir haben Samstag! Bei dem Gedanken blecke ich die Zähne.

      Wie?, herrsche ich sie an.

      Sie haben da einen Fleck, am Kragen: Ist das Blut?

      Nein.

      Die Sekretärin nickt.

      Die Unterlagen, rufe ich, und sie zieht den Kopf ein. Aber natürlich. Bitte entschuldigen Sie.

      +

      Sie bringt mir zwei Aktenordner und zieht hinter sich die Tür zu; endlich allein. Muss nachdenken. Drehe den Sessel, um auf die Großstadt hinauszublicken: hoch oben dieser warme, gedämpfte, goldene Schein eines Nachmittags, der langsam verblasst. Die Schatten der Häuser, Autos wie Käfer, unten. Ich fühle mich besser. Leicht. Stark. Es geht um Präsenz! Ich beuge mich vor, nutze die Gegensprechanlage:

      Rufen Sie mir ein Taxi.

      Aber, Sie haben doch ein Meeting …

      Stornieren Sie das.

      Wie Sie wünschen, Herr –

      Habe den Knopf losgelassen.

      +

      Sonnenuntergang um 16:41 Uhr, täglich geprüft wie Aktienkurse: Gleich wird die Beklemmung von mir abfallen. Gut gelaunt, den Schlüssel klimpernd in der Hand, steige ich die Treppen hoch; schön, wieder hier zu sein, bei ihnen – doch am Türrahmen klebt ein Zettel:

      Dein Problem!

      Wir sind feiern.

      Ruth & Jo

      Öffne … Dieses Frösteln im Nacken, weil ich weiß, was mich erwartet: Ich straffe die Schultern. Hallo?

      Hallo, sagt sie.

      VIER

      Das Bad ist geräumig und modern, mit dem geschmacklosen, verschimmelten Duschvorhang: Palmen am Strand, den ich ruckartig wegzerre. An einer Handschelle unser Taxifahrer, sein Kinn hängt auf der Brust, das Gesicht ist zerschlagen; um die vierzig, womöglich geschieden, zahlt Unterhalt oder ein Haus ab. Hat zwei oder drei Kinder oder Hunde. Kein Katzentyp. Grillt gerne saftige Steaks mit den Kumpels, im Sommer, jeden Freitag am Badesee. Hat eine tiefe Stimme, vom Rauchen; hat vielleicht früher in einer Werbeagentur gearbeitet, zu Studentenzeiten, und dann die Schule des Lebens: Alkohol und Einsamkeit; und manchmal sitzt er allein am Hafen und schaut den Frachtschiffen nach. Heute wird er sterben. Hätte er ein anderes Leben gelebt, wenn er das geahnt hätte? Nein.

      Er stöhnt.

      Dein Begrüßungsgeschenk. Ich öffne die Hand zur einladenden Geste.

      Nein, keucht sie. Oh, bitte nicht.

      +

      Blutige Schlieren vom Kampf; von beiden kleben die Handabdrücke, große, kleine, rot auf den Fliesen.

      Nein, du machst das falsch, sage ich zu ihr: Ava; neuer Name. Sie trägt ein Rüschenkleid, das Ruth ihr angezogen hat, mir wären Jeans und T-Shirt lieber gewesen, aber sie kann boshaft sein. Ich umrunde das Mädchen, prüfe ihre Griffe, Bisse wie ein Boxtrainer.

      Meine Zähne rutschen ab, greint sie.

      Du hast zu viele Horrorfilme gesehen: Man schlägt den Kiefer nicht rein,

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