Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl
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Ich fand es für einen gebürtigen Amerikaner wie den Meister erstaunlich, dass er so etwas typisch Britisches wie cream tea erwähnte. Dessen ungeachtet stand mir der Sinn jedoch nicht nach Small Talk.
„Warum ich?“, fragte ich ihn stattdessen.
„Warum nicht? Du kannst das doch – oder?“
Wenn jemand mit einer Gegenfrage antwortet, bedeutet das normalerweise, dein Gegenüber denkt nicht im Traum daran, dich in die wahren oder vollständigen Hintergründe seiner Entscheidung einzuweihen; sind es aber direkt zwei Gegenfragen, dann wird dir darüber hinaus der Rat erteilt, dass du am besten einfach deinen Job machst, die Kohle kassierst und dich ansonsten aus allem anderen raushältst.
Doch das ist mir schon immer schwer gefallen.
„Deine Auftraggeber“, sagte ich, es war ein Schuss ins Blaue, „beschäftigen eine ganze Armee junger, hochmotivierter Spezialisten, die das genauso gut können wie ich und zudem den Vorteil bieten, wesentlich billiger zu sein, da sie ohnehin auf der Payroll stehen.“
„Erstens habe ich keine Auftraggeber außer meiner eigenen Firma und deren Anleger und zweitens bist du zufällig vor Ort“, erwiderte der Meister und sagte dann auf Deutsch: „Standortvorteil!“
Er grinste breit und schien ein Lob wegen seiner Sprachkenntnisse zu erwarten.
„Als ob es darauf ankommt“, erwiderte ich und setzte ebenfalls ein Grinsen auf, das schon manchen nervös gemacht hatte. Natürlich ohne sichtbaren Effekt beim Meister. Das hatte ich auch nicht erwartet.
Er war ein Mann, der die 60 bereits überschritten hatte, was man ihm aber aus vielerlei Gründen nicht ansah. Da waren die sorgfältig frisierten graumelierten Haare, die im Sonnenlicht leicht glänzten. Vor allem aber war es seine nur als wuchtig, aber durchtrainiert zu beschreibende Figur, die von einem perfekt geschneiderten, zweireihigen Anzug von Martin Greenfield betont wurde. Eine kleine Narbe unter seinem linken Auge kontrastierte mit einem dezenten Diamant-Stecker im rechten Ohrläppchen. Zu unserer Besprechung war er mit einem angemieteten, gepanzerten Mercedes mit getönten Scheiben vorgefahren, den zwei weitere Limousinen unauffällig begleitet hatten. Der größte Teil seiner Entourage war bei den in der Kleinweidenmühle geparkten Wagen zurückgeblieben, während zwei Begleiter im Vorzimmer warteten.
„Well“, sagte er und seine Miene wurde wieder so ausdruckslos wie schon den ganzen Nachmittag, „ich könnte dir jetzt erzählen, dass die Geldgeber – besonders nach den Ereignissen der letzten Jahre – keine Lust haben, ihre eigenen Leute in dieses Projekt einzubeziehen. Du weißt schon, schlechte Presse, alle Welt ist sauer auf sie. Auf einmal stehen sie im Scheinwerferlicht, wo ihre natürliche Umgebung doch die Dunkelheit ist. Ich könnte dir erzählen, dass sie deshalb Angst haben, etwas könnte nach außen dringen, und dann schlittern sie noch viel tiefer in die Scheiße rein, als sie es ohnehin schon sind.“
Er machte eine Pause und trank einen frisch gepressten Fruchtsaft, den eine Assistentin vor der Sitzung in unserem Beisein zubereitet hatte und von dem bis jetzt niemand probiert hatte. „Aber ich will aufrichtig sein“, fuhr er fort.
Wieder grinste ich, doch diesmal nur innerlich. Nach außen verzog ich keine Miene. Ich tat es dem Meister gleich und trank einen Fruchtsaft. Auch damit möchte ich ein hartnäckiges Klischee widerlegen. Ich kenne nur wenige bedeutende Gangster, die während ihrer Arbeit zu harten alkoholischen Drinks greifen. Jedenfalls musste, wer den Meister reden hörte, genau aufpassen. Seine Aussprache war so leise, als wolle er nur mit dem kleinstmöglichen Aufwand sprechen. Er war auch ein Meister in der Ökonomie der verbalen Kommunikation. „Die Menschen und Institutionen, die uns ihr Geld anvertrauen, haben nichts mit den Leuten zu tun, an die du denkst. Nicht, dass sie nicht früher oft und gut mit denen zusammengearbeitet haben. Doch mal ehrlich, wer würde denn heute noch dieser Gurkentruppe etwas anvertrauen? Nachdem sie dermaßen blamiert worden ist? Ich bitte dich!“
Ich nickte erneut, darum bemüht, meinem Gesicht einen zwar nachdenklichen, aber auch einsichtigen Ausdruck zu verleihen. Möglich, dass mir das misslang und ich stattdessen einfach nur beflissen aussah.
Was der Meister sagte, klang plausibel und so sollte es auch wirken. Deshalb tat ich, als hätte ich seine Antwort akzeptiert. Der Meister war mein Auftraggeber. Er würde die einzelnen Phasen des Projekts koordinieren. Dabei hätte mich schon der Name des Forschungsprogramms misstrauisch machen müssen: Helter Skelter. Einerseits der Titel eines Songs der Beatles, andererseits das Motto der Charles Manson-Massaker. Ich vermutete, dass der Meister von seinen Kollegen kontrolliert würde. Jeder von ihnen hatte sich das Recht erworben, Meister genannt zu werden. Ich dagegen war nur ein Teil dieses Projekts, noch dazu ein kleiner, unbedeutender Teil. Da ich ein fürstliches Honorar ausgehandelt hatte, konnte ich mir ausmalen, in welch schwindelerregenden Höhen sich das Gesamtbudget bewegen musste. Ich mochte ein kleines Rädchen sein, die gesamte Maschinerie musste gigantisch sein. Was mich am meisten freute, war, dass wir zwar auch erfolgsabhängige Zahlungen ausgemacht hatten, ich aber – selbst wenn der Meister am Ende nur unbrauchbares Material bekäme – trotzdem voll und ganz auf meine Kosten kommen würde.
Das Gefeilsche um die Höhe der einzelnen Tranchen und ihre Fälligkeit im Beisein der Anwälte war genauso Show gewesen, wie das, was mir der Meister nun unter vier Augen gesagt hatte. Mein Preis hatte schon vorher festgestanden. Das wussten wir beide. Die Geldgeber im Hintergrund kamen auch aus Geheimdienstkreisen, dessen war ich mir nun sicher. Selbstredend nicht von einem deutschen Geheimdienst. Dafür hatten die nicht die Eier. Wenn der Meister so kunstvoll in Abrede stellte, dass ich mit meiner recht naheliegenden Vermutung total danebenlag, dann musste an meiner Vermutung etwas dran sein.
Aber im Grunde war es mir schon immer herzlich egal, wer mich bezahlt. Von mir aus auch die NSA.
Leon:
Man schläft ausgesprochen schlecht, wenn die Umgebung so steril ist wie im Institut. Man schläft noch schlechter, wenn die Liegen, auf die man sich zu betten hat, so schmal, hart und unbequem sind, wie diese Pritschen.
Jeder kennt solche Dinger aus den Arztpraxen der zivilisierten Welt. - Dann machen Sie sich mal frei – ja, alles, auch BH und Slip …, ging mir durch den Kopf, verbunden mit dem Bild der jungen Frau und einem geifernden Pseudo-Mediziner. Ich hab mir wohl zu viele Pornos angesehen. Aber auf solchen Liegen soll der Patient auch nicht einpennen. Hier aber doch!
Man schläft noch viel schlechter, wenn einem eine straff auf der Kopfhaut sitzende Kappe übergezogen wird. Ich werde mir deswegen jedenfalls nicht den Schädel rasieren. Ich bin stolz auf mein perfekt frisiertes Haar. Was machen die Mädels mit ihren Mähnen, Theo mit seiner Matte, Josh mit seinen Rastalocken unter dieser stramm sitzenden Haube? Jedes Mal wenn ich sie wieder abnehmen darf, juckt es, als wäre eine Kompanie Läuse auf dem Vormarsch. Ob wir eine Zulage für das Extra-Shampoo verlangen können?
Von der Kappe führt ein armdickes Kabelbündel zu einer Stecktafel, in die die einzelnen Kabel eingestöpselt werden. Dieses Ding erinnert mich mehr an alte Filme als an moderne wissenschaftliche Forschung. Das Frollein vom Amt. „Bitte verbinden Sie mich!“ – „Mit wem?“ – „Mit Ihnen, gnä’ Frau … Mein Stecker lechzt nach Ihnen!“
Am allerschlechtesten schläft man jedoch, wenn man in die Röhre geschoben wird, deren monotones Klacken teuflisch nervt. Ein Wunder, wenn man dann doch irgendwann wegdämmert.
Ich habe bewusst das unschöne „man“ so ausgiebig verwendet, weil sich diese Erfahrungen verallgemeinern lassen.
Inzwischen