Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl
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Heute kommt man als Urlauber nicht mehr so leicht in dieses lebensfeindliche und nicht ganz ungefährliche Areal. Damals aber kümmerte es niemanden, wenn sich turistas necios, idiotische Urlauber, in der vulkanischen Trümmerwüste verirrten. Es trauten sich ohnehin nur die wenigsten dort hinein. Zu abweisend und unzugänglich ist dieses Gebiet, das schon von außen vor allem eines verspricht: Das monotone Grauen einer schwarzen Wüste, die dem Lebensmüden nach wenigen Schritten lediglich dann verrät, aus welcher Richtung er gekommen ist und wohin er zurück muss, wenn er sich den Stand der Sonne gemerkt hat.
Doch nicht einmal die schien an diesem Tag, als ich hierhin zurückkam, um ein Depot zu eröffnen.
Ein-, zweimal im Jahr erfährt Lanzarote ein Wetterphänomen, durch das das übliche, regenarme, mild-sonnige, von beständigen Brisen durchwehte Atlantikklima von einem Vorgeschmack auf die Hölle abgelöst wird. Normalerweise wird es selbst im Hochsommer kaum wärmer als 27 Grad, während im Winter die Temperaturen um 17 Grad Celsius betragen. Heute jedoch hatte der Calima für eine Hitzewelle von 40 Grad und mehr gesorgt und zudem einen rot-braunen Vorhang über die Welt gezogen. Ich konnte kaum hundert Meter weit sehen. Die Sahara-Staub-Aerosole schluckten nicht nur die Sicht, sondern auch die Geräusche. Kurz – es herrschten die idealen Bedingungen, um im vulkanischen Labyrinth jenes Geld zu verstecken, das als Teilzahlung für meinen Mord an Mr. X geflossen war.
Direkt neben der Straße, wo ich meinen Wagen am Rand zwischen zwei wuchtigen tonnenschweren Felsbrocken geparkt hatte, die mir als Wegmarken dienten, begann ein kurzer Stichweg, der etwa hundert Meter mitten in das Gelände hineinführte und dann abrupt inmitten der Ödnis vor einer gewaltigen, drei bis vier Meter hohen vulkanischen Trümmerwand endete. Schon vorher waren schmale, kaum als Wege zu bezeichnende Pfade rechts und links abgegangen. Ich wählte einen von ihnen und merkte mir genau, wo ich den Hauptweg verlassen hatte. Auch an klaren hellen Tagen wäre ich nun vor fremden Blicken geschützt. Ich schob die Tasche mit dem Geld in einen Felsspalt und wuchtete einen scharfkantigen, knapp einen halben Meter hohen Felsbrocken davor, an dem ich mir die Handflächen aufschnitt. Die Arbeitshandschuhe, die ich mir extra für solche Aufgaben besorgt hatte, lagen im Wagen. Ich entschuldigte meine Vergesslichkeit mit Hitze und Staub. Damit zufällige Blicke eines hier Vorbeikommenden, so unwahrscheinlich das auch war, nichts anderes als tiefschwarzes Geröll wahrnehmen würden, deckte ich das Versteck auch von oben sorgfältig ab. Ich starrte darauf und prägte mir die unmittelbare Umgebung gründlich ein.
Es hat etwas zutiefst Meditatives, das Besondere im Einerlei aufzuspüren. Jene Merkmale zu fassen zu bekommen, die mir später verraten würden, wo ich mein Geld verborgen hatte. Dazu braucht man kein fotografisches Gedächtnis, sondern nur die Liebe zum Detail.
Statt direkt zum Auto zurückzukehren, was bei dieser Hitze und dem feinen Staub in der Luft ohne Frage das Vernünftigste gewesen wäre, bog ich vom Hauptweg in andere Pfade ein. Der Grund dafür lag in einer Art touristischer Neugierde. Ich war von dieser überwältigenden Umgebung in einer Weise fasziniert, die nur mit der Faszination eines Raumfahrers vergleichbar ist, der auf dem Mond oder künftig einmal auf der unwirtlichen Oberfläche eines fremden Planeten der solch abweisenden Orten innewohnenden Monotonie verfällt, ohne klar benennen zu können, worin genau das Momentum besteht, das ihn an diese Landschaft fesselt. Mit kalter Objektivität betrachtet, mag es kaum etwas Langweiligeres geben. Doch es scheint mir gerade diese Langeweile zu sein, die das Zwingende ausstrahlt, das all die Liebhaber dieser schroffen, abweisenden Schönheiten veranlasst, sich an sie zu verlieren. Vielleicht war es die Gleichförmigkeit, die letztlich die meisten Wüsten auszeichnet. Hier herrschte eine extreme, lebensabstoßende Einfachheit, hier war die Existenz auf nichts anderes als eben da zu sein reduziert. Hier verfolgte außer mir, dem Eindringling, nichts und niemand einen Sinn und Zweck außer der Abwehr der völligen Leere, die aber – das meinte ich deutlich zu spüren – nur einen Hauch weit entfernt war.
Wahrscheinlich kommen all jene von uns, die die eigentümliche Dissonanz bei sich zulassen, die aus einerseits Eintönigkeit und andererseits Anspannung angesichts unterschwellig lauernder Gefahr besteht, niemals sonst mitten im Leben dem Tod so nah wie in einer solchen Umgebung.
Es ist ein Vorgeschmack auf das Endgültige, das im Widerspruch zu den flatterhaften Launen des Lebens steht, wobei wir die verletzliche Energie des Lebens in diesen Augenblicken besonders intensiv spüren.
Nirgendwo sonst verschmilzt die kleine Welt, in der sich unser Dasein abspult, so sehr mit der endlosen Wüstenei des Universums wie dort, wo die Grenzen zwischen Himmel und Hier ununterscheidbar werden. Sei es, dass der Horizont in der Weite verschwindet, sei es, dass der gewohnte atmosphärische Kokon sich auflöst und uns in eine Wolke aus Sand, Staub und Hitze stößt, während die wenigen Meter, die wir sehen können, nichts als die pure Abstraktion jener Farbe liefert, die sich alle anderen Farben einverleibt hat, nicht willens, sie je wieder frei zu geben.
Von C. G. Jung stammt die Theorie der Synchronizität. 1974 hatte ich diesen Begriff zwar schon irgendwo einmal aufgeschnappt, aber ich hatte keine Ahnung, was damit gemeint sein könnte. Doch selbst, wenn ich es gewusst hätte, wäre ich wahrscheinlich kaum auf die Idee gekommen, meine eigene Situation unter dem Licht dieser Idee zu betrachten.
So kam es, dass Roberto zwar ähnlich dachte wie ich und er die Umsetzung seiner Überlegungen zur selben Zeit verfolgte wie ich, aber dennoch leicht im Nachteil war, weil mich – C. G. Jung hin oder her – mein Instinkt warnte und deshalb zwang, unbewusst mit dem Unwahrscheinlichen zu rechnen.
Dieser kleine Vorteil: Ich sah ihn, bevor er mich erblickte und fast hätte ich ihn erschießen können, bevor er seine Waffe überhaupt zu fassen bekam. Doch meine Hush Puppy, die bereits bei Mr. X und seinen Freunden zum Einsatz gekommen war, gab nur ein trockenes Klicken von sich. Ladehemmung. Wahrscheinlich wegen des Sandstaubs, den Calima gerade so großzügig über Lanzarote verteilte und der Luft und Lungen gleichermaßen verstopfte. Seit diesem verfluchten Tag zweifle ich an der Zuverlässigkeit dieser Pistole und habe sie auch nie wieder benutzt. Fatal war, dass sie davor noch kein einziges Mal versagt hatte. Von anderen Nutzern wird sie bis heute über den grünen Klee gelobt. Aber selbst ein Mercedes bleibt mal liegen.
So hatte ich zwar irgendwie in den unbewussten Tiefen meines Gehirns befürchtet, dass wir uns hier begegnen würden, nachdem wir bereits zuvor nahezu zeitgleich unsere mörderischen Aufträge erledigt hatten, aber dass meine Waffe in diesem Moment versagen würde, damit rechnete ich nicht.
Inzwischen hielt Roberto eine Colt Python in der Hand. Er hatte sie aus seiner Tragetasche, in der auch sein Geld verstaut war, hervor genestelt, bevor ich imstande gewesen wäre, noch einmal durchzuladen. Kein Wunder, dass er eine so schwere Waffe nicht am Körper trug, die, um bei den Autovergleichen zu bleiben, der Rolls Royce unter den Revolvern ist. Robertos Eitelkeit zeigte sich auch in solchen Details.
„Weg mit dem Ding!“, sagte er und deutete mit einer kleinen Bewegung auf die Smith & Wesson, die ich daraufhin langsam auf den Boden legte.
„Sehr praktisch, dass wir uns hier und jetzt begegnen“, nuschelte er. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. „Es hieß doch, dass eine scharfe Braut meinen Auftraggeber umgelegt hat?“
Ich sah ihm an, dass er kurz überlegte, ob ich alleine war. Doch bevor ich mir etwas ausdenken konnte, um diesen Moment der Unsicherheit zu meinen Gunsten auszunutzen, zuckte er mit den Schultern.
„Du warst es. Schade. Bliebe uns mehr Zeit füreinander, hätte ich dich gerne in diesem Fummel gesehen. Aber wahrscheinlich hast du das Zeug ohnehin längst beseitigt.“ Womit er Recht hatte.
„Ein Wunder, dass es dir überhaupt gelungen ist, mit diesem Spielzeug deinen Auftrag zu erledigen.“ Damit meinte er die Mk22, die nun außerhalb meiner Reichweite auf dem vulkanischen Geröll lag.
„Ich