Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl
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Die an ein Eifersuchtsdrama gemahnenden Hinweise seien eine perverse, aber leicht zu durchschauende Tarnung der „republikanischen Schweine“, erläuterte der Vorgesetzte gönnerhaft. Das würde letztlich auch die Spurenlage beweisen.
Ich überlegte kurz, ein Bekennerschreiben einer antiimperialistischen Befreiungsfront für die Autonomie der Kanarischen Inseln zu verfassen, wusste aber nicht, ob es die nicht möglicherweise sogar gab. Da meine Niedertracht nicht so weit ging, zu den ohnehin entstandenen Kollateralschäden ohne Not im Nachgang noch weitere hinzuzufügen, verwarf ich diesen Gedanken wieder. Wer gegen die Diktatur Francos opponierte, hatte es auch ohne böse Scherze schon schwer genug.
Dann folgte im Funkverkehr der beiden Guardia Civil-Offiziere der entscheidende Hinweis: Der Killer von Teguise hatte seine beiden Opfer mit dem reichlich geflossenen Blut des jungen Weinbauern signiert.
Mit einem großen roten R.
Eine elektrisierende Botschaft.
R wie Roberto.
Ein R war das für ihn typische Zeichen, was natürlich nur Insider wussten. Für die Ermittler würde es wahlweise rebelión, revolución, resistencia oder rata (Ratte) bedeuten.
Zwar musste Roberto inzwischen ebenfalls von der unglücklichen Parallelität der Ereignisse erfahren haben, doch er wusste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht, nach wem er umgekehrt suchen musste.
Ich dagegen schon.
Roberto war trotz seiner jungen Jahre bereits eine Legende. Jeder Regisseur hätte ihm sofort Probeaufnahmen angeboten, um zu sehen, ob er neben seinem strahlenden, alle für sich einnehmenden Aussehen auch noch ein Minimum an schauspielerischen Fähigkeiten vorzuweisen hätte. Und vielen wäre selbst das egal gewesen. Eine Rolle hätte er selbst dann bekommen, wenn seine Stimme wie die von Donald Duck geklungen hätte. („Dann wird der Bursche halt synchronisiert.“)
Es ist für einen Killer immer schlecht, wenn jeder sein Gesicht nach einem flüchtigen Blick wieder erkennt und vor allem Frauen – ohnehin oft die aufmerksameren Beobachter – sich dieses Antlitz ganz unwillkürlich tief eingeprägt hätten. Aber Roberto war Profi genug und hatte sicherlich alles Notwendige unternommen, um ungesehen in die Pension hinein- und wieder herauszukommen. Er würde sogar dafür gesorgt haben, dass ihn noch nicht einmal ein zufälliger Zeuge in Teguise oder auch nur im Inselinneren gesehen hatte. Als exzellenter, zuverlässiger und vor allem kaltblütiger Auftragsmörder war er ohnehin nur in jenen Kreisen bekannt, in denen die von ihm angebotene Dienstleistung nachgefragt wurde. Wie alle in der Branche wusste auch er, sollte er erst einmal in der Kartei irgendeiner x-beliebigen Polizeibehörde auftauchen und sei es lediglich als zweitklassiger Ladendieb, er wäre seinen Job los – zumindest die lukrativen Aufträge.
Aber er war wie die meisten von der Natur mit einem umwerfenden Aussehen bevorteilten Menschen extrem eitel. Es musste sehr schwer für ihn sein, wenn man das Plus einer blendenden Erscheinung so gut wie nie ausspielen darf. Wie schon betont, für Killer gilt: Unauffälligkeit ist Trumpf. Je langweiliger und nichtssagender einer wirkt, desto leichter tut er sich mit dieser Arbeit. Filme, die uns brillante Auftragsmörder vom Schlage eines Alain Delon zeigen, gehen deshalb so gut wie immer meilenweit an der Wirklichkeit vorbei.
Um diesen Widerspruch irgendwie auszugleichen, hatte es sich Roberto, der sich mit Delon die Merkmale dunkler Haare und blau-grauer Augen teilte, angewöhnt, seine Taten wie Kunstwerke anzusehen und sie, wie es die meisten Künstler tun, zu signieren.
Vermutlich hatte er Lanzarote längst verlassen.
Für mich wäre das nur im äußersten Notfall infrage gekommen. Es ist nicht nur eine Sache der Ehre, sondern der simplen Vernunft geschuldet, tunlichst lange und möglichst unauffällig in der Nähe zu bleiben. Natürlich nicht dort, wo es von Ermittlern wimmelt, sondern dort, wo man sich, etwa als Urlauber, schon zuvor aufgehalten hat. Nirgendwo sonst erfährt ein Profi mehr über den Stand der Ermittlungen als unter vielen tausend Touristen, deren Erholungsalltag auf einmal durch ein höchst aufregendes Ereignis zusätzliche Farbe bekommen hat. Touristen wie auch Einheimische, jeder dieser Menschen ist ein potenzieller Spion. Selbstverständlich muss man die Spreu vom Weizen trennen, aber es ist nun mal so, nach einer solchen Tat wird darüber geklatscht, was die mitunter magere Faktenlage auch hergeben mag. Da hat eine von der Freundin eines anderen, die jemanden bei der Polizei kennt, was gehört und so können sich mitunter in einem wüsten Meer von falschen Einschätzungen, Theorien und Gerüchten kleine Info-Perlen verbergen, die sich als extrem nützlich erweisen können.
Dennoch lag die Chance, Roberto noch auf Lanzarote anzutreffen, höchstens bei fünfzig Prozent. Andererseits hatte ich während der restlichen Zeit meines gebuchten Aufenthalts nichts anderes zu tun, als nach ihm zu suchen. Ich ging einfach mal von der Annahme aus, Roberto würde ähnlich überlegt handeln wie ich und zuerst dafür sorgen, das so plötzlich halbierte Honorar in Sicherheit zu bringen, an einen Ort, wo es zugleich sicher und zu gegebener Zeit leicht wiederzufinden war, also keine Gefahr bestand, dass jemand anderes zufällig darüber stolpern würde. Viel Bargeld im Handgepäck ist ein Risiko, das niemand in solchen Situationen gerne eingeht.
Plätze, um derartige Schätze zu verstecken, gibt es auf Lanzarote zur Genüge. Der beste aber war damals jene weitläufige Felslandschaft am Fuß der Montañas del Fuego. Heute gehört diese Gegend zum Timanfaya-Nationalpark, eines der beeindruckendsten Vulkangebiete der Welt.
Durch die mit zahllosen, zum Teil haushohen schwarzen Lava-brocken übersäte, viele Quadratkilometer große Ebene führen nur eine Handvoll kaum begeh- und noch viel weniger befahrbare Pfade, die sich schnell im Labyrinth der gewaltigen Felsen verlieren. Knirschendes, spitzes und messerscharfes Gestein unter den Sohlen macht jeden Schritt zum Abenteuer.
Eine Welt schwarz in schwarz.
Ganz nach meinem Geschmack.
Neben der Frage, ob das wirklich eine gute Gegend ist, um Geld zu verstecken, bleibt sehr viel Wichtigeres offen: Ist Roberto noch auf der Insel? Wird die nächste Folge wenigstens darauf eine Antwort bereithalten?
FOLGE 4
WAS BISHER GESCHAH
Dr Crıme sucht ein Versteck für sein Geld,
während Leons Auftauchen auf dieser Welt und in
dieser Geschichte noch in ferner Zukunft liegt …
Eine Welt schwarz in schwarz.
Ganz nach meinem Geschmack.
Reizvoll und heikel zugleich waren die Kamine und Schlote, die unvermittelt vor einem im Boden auftauchten, so als wären sie gerade eben noch nicht da gewesen. Sie klafften natürlich schon seit langem dort, waren aber wegen der ringsum vorherrschenden Schwärze manchmal erst zu sehen, wenn man direkt vor ihnen stand. Ich spreche hier nicht von dunklen Neumondnächten, in denen ein Ausflug in dieses Gebiet nur für Selbstmörder reizvoll gewesen wäre, sondern von jenem hellen, sonnendurchfluteten Tag, als ich vor der Erledigung meines Auftrags dieses Gelände zum ersten Mal erkundet hatte. Schließlich war ich auf Lanzarote vor allem Tourist. Ein ehrgeiziger Tourist, der die Stätte seiner Erholung besser kennenlernen wollte als mancher Einheimische.
Jedenfalls waren diese heimtückischen Löcher senkrecht in unergründliche Tiefen reichende Schächte von ein bis zwei Metern Durchmesser,