Schwarzes Geld für schwarze Schafe. Christopher Stahl

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Schwarzes Geld für schwarze Schafe - Christopher Stahl

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auf eine unerwartet harte Probe gestellt.

      „Es tut mir Leid”, plapperte er mit augenfälliger Lebhaftigkeit, „dass man Sie am Telefon anscheinend missverstanden hat. Natürlich hätte man Sie sofort zu mir durchstellen sollen. Na ja, Sie wissen ja, wie das heute mit den Mitarbeitern so ist.”

      „Eigentlich nicht, meine Mitarbeiter …”, versuchte ich entgegenzuhalten – sinnlos, er schwatzte weiter, als hätte ich bestätigend genickt.

      „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Ich weiß natürlich, dass sich ein neuer Konkurrent in meinen Pfründen eingenistet hat.” Die Ausdrücke „Konkurrent” und „Pfründe” begleitete er mit einem meckernden Gelächter, womit er wohl verdeutlichen wollte, dass es sich um scherzhafte Bemerkungen handelte.

      „Aber”, fuhr er unbeirrt fort, „Platz ist in der kleinsten Hütte, sag’ ich immer. Wir haben doch alle genug Arbeit, da braucht der eine dem anderen nichts zu neiden. Und außerdem”, inzwischen hatte er mich zutraulich beim Arm gefasst und zog mich den Gang, aus dem er kurz zuvor aufgetaucht war, „werden wir alle nicht jünger. In unserem Alter muss man anfangen etwas kürzer zu treten. Wenn die Kerzen auf der Geburtstagstorte teurer sind, als die Torte selbst, sag’ ich immer, wird es Zeit, an sich selbst zu denken.” Dabei bekam sein Gesicht kurzfristig einen derart abwesenden und verklärten Ausdruck, dass ich in diesem Moment geneigt war, ihm abzunehmen, dass er glaubte, was er sagte. Doch diese Anwandlung sollte sehr schnell auch wieder verfliegen.

      Wir waren in seinem Büro angekommen. Büro? Ein Tanzsaal von mindestens 60 Quadratmetern stellte einen eklatanten Kontrast zu Vorraum und Flur dar. Die Gigantomanie dieser innenarchitektonischen Entgleisung drohte mich zu erschlagen. Riesiger Schreibtisch, riesiger Besprechungstisch mit zehn Stühlen und riesig vergrößerte Aufnahmen an den Wänden. Simonis mit Helmut Kohl, Simonis mit Bernhard Vogel, Simonis mit Hans-Otto Wilhelm. Weitere unzählige, Fotos in Postkartengröße bedeckten die Wände: Simonis auf seiner Segelyacht, vor seinem Haus auf Malta (die Besitzverhältnisse wurden dem Betrachter durch in Bronzeschildchen gepresste Hinweise erklärt). Aber auch Simonis mit Landräten, Präsidenten des Landwirtschafts- und Weinbauverbandes, mit Roberto Blanco, Mary Roos, Mario Adorf, Heinz Schenk, Hans-Dieter Hüsch, mit Franz Beckenbauer beim Golfturnier, mit Margit Sponheimer und Ernst Neger bei einer Fernsehsitzung und so vielen anderen Sternen und Sternchen, dass ein flüchtiger Blick zur Verinnerlichung dieser Galerie nicht genügte. So viel aber sagte dieses Sammelsurium aus: Simonis war nicht gerade zimperlich und anspruchsvoll, wenn es darum ging, sich mit der Reputation anderer zu schmücken, wobei er dem Motto zu folgen schien: Qualität schadet nichts, aber Quantität nützt mehr.

      Daneben hingen die Leitlinien des Lions Clubs als hölzerne Intarsienarbeit, die Ehrenurkunde für 25-jährige Mitgliedschaft beim HSV Alzey und andere Auszeichnungen – alles sichtbare Beweise, für die bedeutende Rolle, die Simonis spielen wollte, und seine weit reichenden Verbindungen.

      Ich bemühte mich, mir nicht anmerken zu lassen, dass mich diese geballte Ladung Public Relation nicht unberührt ließ. Und er war bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihm meine gespielte Gleichgültigkeit nicht entging.

      „Käffchen?”, fragte er, nachdem wir uns auf seine einladende Geste hin am Schreibtisch einander gegenüber platziert hatten. „Cappuccino, Espresso, Latte Macchiato? Alles da.” Er deutete auf einen chromblitzenden, natürlich ebenfalls überdimensionalen Kaffeeautomaten.

      „Ach wissen Sie was, wir trinken zur Feier des Tages einen Napoleon – Spitzencognac, garantiert 20 Jahre alt, habe da so meine Quellen. Direktimport, Sie verstehen? Wenn sie mal was brauchen, Peter Simonis hilft gerne aus.”

      Dabei drückte er die Taste zu einer archaisch anmutenden Rufanlage und forderte ohne weitere Einleitung: „Bienchen, bringen Sie uns mal zwei Ladungen vom feinen Gebrannten, Sie wissen schon.”

      Es gehörte bis dahin zu meinen unumstößlichen Prinzipien, während der Arbeitszeit keinen Alkohol zu trinken. Ja, einmal ein Glas Sekt, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin Geburtstag hatte. Außerdem mochte ich keinen französischen Cognac. Meine Geschmackspapillen schienen selbst beim Genuss der erhabensten Vertreter dieser Weinbrandspezies derart missverständliche Signale an mein Gehirn zu leiten, dass es auf diese offensichtlich mit dem Fehlalarm: „Achtung, Seifenlauge!” reagierte.

      Die überschwängliche Art von Simonis nahm mich jedoch so gefangen, dass ich nicht im Geringsten an Abwehr dachte. Es war nicht so, dass er mich positiv einnahm, eher paralysierte mich seine faszinierende Exzentrik.

      „Ich habe ja sonst so gar keinen Kontakt zu den Kollegen hier. Weiß auch nicht, was die gegen mich haben. Ich würde mich freuen, wenn wir vielleicht in Verbindung bleiben würden. Man muss doch ab und zu mal jemanden zum Quatschen haben, der die gleiche Sprache spricht. Ich vermisse das immer mehr. Können Sie das verstehen?”

      Und wieder veränderte sich seine Mimik für den Bruchteil einer Sekunde. Die zuvor gezeigte Munterkeit und Souveränität verschwanden auf einen Schlag. Er sah kurz nach unten auf seine Fingernägel, seufzte und richtete dann wieder seinen Blick auf mich.

      Während ich noch überlegte, ob er eine Antwort erwartete, und wenn ja, was ich sagen sollte, wurde die Tür ohne vorheriges Anklopfen geöffnet. Ein Tablett mit zwei gefüllten Cognacschwenkern wurde hereingetragen von … Mirielle Mathieu, als sie noch um die 30 war. Die gleiche Körpergröße, auffällig passend zu Simonis, die schwarzen Haare zum charakteristischen Pagenkopf geschnitten, ein schwarz-weißes Kostüm, welches aus der Kollektion einer Mary Quant (oder war es Courege?) hätte stammen können und dessen Rock kurz über den Knien ihrer sportlich gebräunten, wohlgeformten Beine endete.

      „Ich möchte, dass sie meine Rechtsanwältin kennen lernen, Sabine Ulmer”, stellte Simonis die Erscheinung aus den Siebzigerjahren vor, und fügte dann völlig unmotiviert hinzu, „einen Luxus, den ich mir leiste. Aber man gönnt sich ja sonst nichts, sag’ ich immer.” Und wieder dieses Meckern, mit dem er das Feudalistische seiner letzten Bemerkung mildern wollte. Dann zeigte er mit einer fast theatralischen Handbewegung auf mich. „Und das ist …”

      „Herr Schäfer, ich weiß. Wir hatten bereits das Vergnügen”, unterbrach sie ihn, lächelte mich dabei aber so freundlich an, dass ihrer Erklärung jeder Anflug einer Doppeldeutigkeit genommen war. Am Telefon hatte der Klang ihrer Stimme etwas ausnehmend Erotisches, aber in Verbindung mit ihrer Erscheinung wirkte er geradezu drollig, wenn nicht sogar grotesk. Sie stellte die Gläser vor uns ab, wobei ich ihre prunkvolle Damenrolex bewundern konnte, die sie am linken Handgelenk trug.

      „Na, Bienchen, dann wieder ab an die Arbeit”, schäkerte Simonis und unterstrich seine launische Bemerkung mit einem schwungvollen Klaps auf ihr Hinterteil. Ich hatte einen scharfen Protest gegen diese Aufdringlichkeit erwartet, die umso beleidigender war, als sie in meinem Beisein stattfand; aber sie kicherte stattdessen wie ein kleines Mädchen und verschwand durch die Tür, nicht ohne mir noch ein „Tschüs” zuzuwinken.

      „Mein Büroleiter hat sie mir empfohlen”, nickte Simonis Bienchen hinterher, „und als ich sie dann sah, konnte ich einfach nicht nein sagen. Außerdem, dachte ich mir, ist ihr juristisches Staatsexamen gut für das Renommee. Macht sich gut im Briefkopf. Aber, wie sagten schon die alten Römer? Honit soit qui mal y pense. Doch nun, Herr Kollege” – endlich kam er zur Sache – „was führt Sie so quasi aus dem Stegreif zu mir?” Dabei hob er den Cognacschwenker, prostete mir zu, kippte den Weinbrand mit einem Schluck hinunter und schmatzte mehrmals genüsslich. Es fehlte nur noch das befreite „Aaahhhhh”, wie man es von durstigen Pilstrinkern in den Vorstadtkneipen kennt.

      Ich setzte mein Glas, ohne davon getrunken zu haben, mit einer übertrieben langsamen Bewegung ab, lehnte mich zurück und faltete die Hände vor meinem Bauch. Jetzt war ich dran, das war mein Auftritt.

      „Sie

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