Freundschaft. Bodo Karsten Unkelbach
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Nur wenn es ihm gelingt, seine unbewusste Angst vor menschlicher Nähe zu überwinden und den anderen an dem teilhaben zu lassen, was ihn innerlich bewegt, kann er der Einsamkeit den Rücken kehren. Hierfür benötigt er die Bereitschaft, sich zu öffnen, sich auf eine tiefe zwischenmenschliche Begegnung einzulassen und persönlich in diese Beziehung zu investieren.
Menschen, denen das schwer fällt, sind gut beraten, an dieser Stelle schrittweise vorzugehen. Nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern mit Themen anzufangen, die einen emotional wenig berühren. Kommt man so ins Gespräch, eröffnet sich die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum die Intensität der Themen zu erhöhen. So ergibt sich der Raum, die Reaktionen des Gegenübers zu prüfen. Man lernt dessen Haltungen und Gesichtspunkte kennen und, noch wichtiger, man erfährt, ob er angemessen und respektvoll auf die eigenen Mitteilungen über sich selbst reagiert. Trifft man auf einen Menschen mit groben Reaktionen, weiß man, dass man eher auf Abstand gehen sollte. Erhält man aber eine behutsame und wertschätzende Resonanz, lohnt es sich, schrittweise mehr von sich preiszugeben und umgekehrt, auch ein offenes Ohr und Mitgefühl für den anderen zu entwickeln.
Einsamkeit ist nicht mit dem Alleinsein zu verwechseln. Mit dem Wort Einsamkeit wird ein Gemütszustand beschrieben, mit Alleinsein hingegen ein Zustand, der äußere Bedingungen beschreibt. Wenn ich eine Wanderung ohne Begleitung unternehme, kann ich den ganzen Tag allein im Wald sein, ohne mich auch nur ein bisschen einsam zu fühlen. Ich kann es genießen, meine Gedanken schweifen zu lassen, innerlich Abstand von der Hektik des Alltags zu gewinnen und mein bewegtes Leben zu reflektieren. Ich kann die Natur um mich herum bestaunen und dabei die Zeit vergessen. Ebenso ist es möglich, dass ich mich auf einer Party mit 100 Gästen furchtbar einsam fühle. Trage ich dieses Gefühl in mir, kann es sich in der Begegnung mit meinen Freunden auf diese übertragen.
Die Ansteckungsgefahr von Einsamkeit liegt darin begründet, dass Gefühle an sich ansteckend sind. Bricht ein Mensch in unserer Nähe in schallendes Gelächter aus, lachen wir unwillkürlich mit. Weint sich ein anderer bei uns aus, werden auch wir traurig. Menschen, die sich allein gelassen fühlen, transportieren ihr Einsamkeitserleben zu ihren Freunden, die deren Einsamkeit dann mitempfinden. Dieser Vorgang muss sich nur oft genug wiederholen, bis auch der Freund davon überzeugt ist, dass man im Leben grundsätzlich alleingelassen wird.
Eines der besten Gegenmittel gegen Einsamkeit liegt in einer tiefen Freundschaft. Eine solche besteht aus mehr als dem gelegentlichen Austausch über die Fußballbundesliga. Freundschaften leben von tiefen Verbindungen zueinander. Wobei auch die Diskussion über Fußballergebnisse ein wunderbares Sprungbrett sein kann, um die persönliche Begegnung intensiver zu gestalten.
Gute Freunde – Schlechte Freunde?
In meiner Tätigkeit als Chefarzt einer suchtmedizinischen Abteilung habe ich täglich mit Drogenabhängigen zu tun, die mir berichten, sie seien an „falsche“ Freunde geraten, die sie zu ihrem ersten Drogenrausch verführt hätten. Andere Patienten mit Depression oder Angststörungen berichten mir über tiefe Enttäuschungen. Sie seien davon ausgegangen, gute Freunde zu haben, und als sie dann in einer Krise dringend Hilfe benötigt hätten, waren ihre Freunde „plötzlich“ nicht mehr erreichbar. Die Frage stellt sich also: Wie unterscheidet man gute von schlechten Freunden?
Wenn wir beispielsweise den Drogenkonsum eines Freundes tolerieren, wissen wir nicht, wessen Haltung auf Dauer möglicherweise die des anderen beeinflusst. Lässt sich der Abstinente doch irgendwann zum Drogenkonsum verführen oder wird sich sein Abstinenzwillen später einmal auf den Konsumenten positiv auswirken? Und wie verhält es sich mit Menschen, die ab und an einen über den Durst trinken? Es kann hier keine eindeutigen Handlungsanweisungen geben. Entscheidend ist der jeweils eigene Maßstab. Trinke ich selbst gerne reichlich Alkohol, werde ich mir Freunde suchen, die es ähnlich halten. Ist mir das zuwider, bin ich gut beraten, mir Freunde zu suchen, die selbst ebenfalls gemäßigt trinken oder abstinent leben.
Um solche Entscheidungen zu treffen, benötige ich eine persönliche Haltung. Es geht nicht darum, das Verhalten eines anderen zu verurteilen, sondern um die Frage, mit welchen Menschen ich mich umgeben möchte. Stehe ich aber nicht zu meiner Meinung oder bilde mir erst gar keine, besteht die Gefahr, von zerstörerischen Eigenschaften anderer mitgerissen zu werden.
Kann ich die Haltung eines anderen nicht einschätzen, sollte ich langsam vorgehen. Manche Eigenarten eines Menschen werden erst sichtbar, wenn wir einen Menschen über längere Zeit kennen. Deshalb lässt sich grundsätzlich empfehlen: Lassen Sie sich für den Aufbau von guten und tragfähigen Freundschaften Zeit. Aber woran misst man die Güte einer Freundschaft? Auf diese Frage existiert keine objektive Antwort, schon gar nicht eine Messlatte, die man einfach anlegt, um gute von schlechten Freundschaften unterscheiden zu können. Eher spielen viele verschiedene Eigenschaften zusammen, die in gegenseitiger Wechselwirkung zueinander stehen und uns Halt und Kraft geben. Dazu gehören Werte wie Respekt, gegenseitige Achtsamkeit, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl, Beistand, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Humor und Lebensfreude.
Teilen wir diese Werte, dann werden wir uns Menschen suchen, die ähnliche Einstellungen haben wie wir und mit ihnen gute Freundschaften aufbauen. Denn nicht nur Drogenkonsum kann ansteckend sein, sondern jede menschliche Eigenschaft hat das Potential, sich auf einen anderen zu übertragen. Positive wie negative Eigenarten können in zwischenmenschlichen Beziehungen verstärkt werden. In schlechten Freundschaften nehmen negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen eines Freundes so viel Raum ein, dass dadurch die Freundschaft eher zur Last wird, als dass sie Freude auslöst.
Ein weiteres Kriterium, mit dem man gute von schlechten Freundschaften unterscheiden kann, ist die Beobachtung des Umgangs mit Dritten. Treffen wir beispielsweise auf einen Menschen, der andere entwertet, können wir davon ausgehen, wenn wir eine engere Beziehung zu ihm aufbauen, dass dieser Umgang früher oder später auch uns betreffen wird. Menschen, die andere Menschen in gute oder schlechte Menschen einteilen, werden dies auch mit uns tun. Nur solange unsere Freundschaft glatt läuft, werden wir zu den Guten gehören. Entwickelt sich ein Konflikt, müssen wir damit rechnen, plötzlich auf der Seite der Schlechten zu stehen, um schließlich fallengelassen zu werden. Gehen wir mit offenen Augen durch die Welt und beobachten, wie der Mensch vor uns seine bisherigen Beziehungen gestaltet hat und davon berichtet, können wir uns viele Enttäuschungen ersparen, wenn wir Warnsignale rechtzeitig ernst nehmen.
Wenn wir über das Wesen der Freundschaft nachdenken, sollten wir auch immer berücksichtigen, dass sie auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn wir uns fragen, von wem wir in einer Notlage Hilfe erwarten können, stellt sich auch die Frage, wem wir helfen würden oder in der Vergangenheit geholfen haben. Einbahnstraßen in Freundschaften führen zu deren Tod. Nur wenn wir bereit sind zu geben, werden wir auch empfangen. Dass Geben seliger als Nehmen ist, ist nicht nur eine biblische Weisheit (Apostelgeschichte 20, 35), sondern auch moderne Wissenschaftler gehen davon aus, dass Geben glücklicher macht und gesünder ist als Nehmen (Manfred Spitzer: Einsamkeit – erblich, ansteckend, tödlich).
Wollen wir unsere Freundschaften vertiefen, geht es also längst nicht nur um die Frage, wer uns in einer Notsituation helfen würde. In guten Freundschaften halten sich Geben und Nehmen die Waage, so wie es den Freunden möglich ist. In schlechten Freundschaften findet sich hier ein deutliches Ungleichgewicht.
Die Eintrittskarte für Freundschaft besteht oft aus Offenheit und Neugierde. Mein Gegenüber verstehen zu wollen, auf ihn gespannt zu sein. Was