Freundschaft. Bodo Karsten Unkelbach
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Liebe heißt, Formen von Gemeinschaft zu entwickeln, die beide Beteiligten genießen können.
Liebe heißt, sich anzuvertrauen. Wir lassen die Abwehrmauern gegenüber unserem Freund fallen und erlauben einen unverfälschten Blick auf unser Seelenleben. Liebe heißt, keine Angst zu haben, sondern zu vertrauen und die Sicherheit zu haben, dass unser Freund für uns da ist und behutsam mit dem umgeht, was wir ihm anvertrauen. Wenn wir am Boden liegen, weil wir über unseren Leichtsinn gestolpert sind oder uns ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hat, ergreifen wir die ausgestreckte Hand unseres Freundes, der uns wieder aufhilft. Liebe heißt, kritische Fragen unseres Freundes ernst zu nehmen. Liebe heißt, Ohnmachtserleben mitzuteilen und uns an der starken Schulter des Freundes aufzurichten, um wieder sicheren Boden unter unseren Füßen zu spüren.
Freundschaft ist ein Kind der Freiheit
Freundschaft als Verkörperung einer Liebesbeziehung ist immer ein Kind der Freiheit. Es ist unmöglich, Freundschaft zu erzwingen. Das Wohlbefinden in der Gegenwart des anderen kann nicht erzeugt oder produziert werden. Freunde haben eine gewisse Seelenverwandtschaft oder – weniger pathetisch ausgedrückt – die Chemie zwischen ihnen stimmt. Man versteht sich, ist sich sympathisch, hat ähnliche Interessen und Wertvorstellungen. Der respektvolle und achtsame Umgang miteinander lädt dazu ein, allmählich mehr von sich preiszugeben. Wünsche und Bedürfnisse werden mitgeteilt, verletzliche Seiten gezeigt. Diese Schritte geht man nur, wenn man sich frei fühlt. Jede Form von Zwang würde sofort dazu führen, dass man sich verschließt und auf Abstand geht.
Hat man Freundschaft geschlossen, ist jedes Treffen und jeder Austausch Ausdruck von Freiheit. Wir lassen uns nur auf eine Freundschaft ein, wenn wir sie wollen. Fühlen wir uns verletzt oder unverstanden, neigen wir zum Rückzug. Sind die Spannungen nicht zu lösen, steht die Freundschaft ernsthaft in Gefahr. Dann stellt sich die Herausforderung, aufeinander zuzugehen, Konflikte offen anzusprechen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Haben wir die Ursachen der Spannungen geklärt, können wir wieder aufeinander zugehen und die Gegenwart des Freundes genießen.
In einer Freundschaft kann ich mich öffnen, ich kann mich mitteilen, weil ich weiß, dass mein Freund behutsam mit mir umgeht. Er gestaltet mit mir gemeinsam einen Raum der Freiheit. Wir verurteilen einander nicht, sondern nehmen uns an, wie wir sind. Wir bewerten nicht, wir moralisieren nicht, sondern lassen unsere Meinungen und Sichtweisen nebeneinander stehen. Wir müssen uns nicht rechtfertigen. Jeder Kontakt, jeder Austausch, jede Hilfe findet unter dem Vorzeichen der Freiheit statt.
Die Kehrseite der Freiheit ist das Abhandensein absoluter Sicherheit. Grundsätzlich können wir uns auf unsere Freunde verlassen, aber es existiert keinerlei Garantie für Freundschaft. Wer meint, Freundschaft einklagen zu können, der hat sich getäuscht. Die vehemente Forderung nach einer absoluten Sicherheit wäre der Beginn des Endes einer Freundschaft. Was unser Freund für uns tut und was wir für ihn tun, ist nicht berechenbar. So stößt jede Hilfsbereitschaft irgendwann an ihre Grenze. Bei dem einen früher, bei dem anderen später. Die Kunst liegt darin, den Freund nicht zu überfordern. Es ist gut, um Hilfe zu bitten, wenn wir sie benötigen. Genauso wichtig ist es, Grenzen zu respektieren, wenn sie aufgezeigt werden. Nur wenn Freunde die Freiheit haben, auch Nein sagen zu dürfen und sie sich sicher sein dürfen, dass dieses Nein respektiert wird, ist die Freiheit vorhanden, die Freundschaft benötigt, um atmen zu können.
Das Gebot der Freiheit ist unumstößlich. Entsprechend will Freundschaft den anderen nicht verändern. Eine Freundschaft will nicht erziehen, nicht bevormunden, sie will dem Freund nicht sagen, was er zu tun und zu lassen hat oder was gut für ihn wäre. Freundschaft nimmt an, Freundschaft lässt stehen.
Freundschaften sind kein Zweckbündnis
Freunde gehen keine Beziehung ein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Eine Freundschaft ist kein Zweckbündnis. Die Frage, wohin eine Freundschaft führt, ist offen. Es existieren viele Zweckbündnisse, deren Existenz zweifellos berechtigt ist. Freundschaften hingegen unterscheiden sich von diesen insofern, als dass sie nicht eingegangen werden, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Ein gemeinsames Ziel kann zwar der Beginn einer Freundschaft sein. Echte Freundschaften stellen aber den Freund über das Ziel. Der Mensch ist hier wichtiger als die Sache. In tiefen Freundschaften können sich Ziele auseinander entwickeln, die Freundschaft aber bleibt. Freunde sind füreinander da und stehen sich bei, unabhängig davon, wie unterschiedlich die Themen sind, die das jeweilige Leben bestimmen.
In welche Richtung sich Freunde im Lauf des Lebens entwickeln, ist nicht vorhersehbar, genauso wenig, wie das Leben an sich vorhersehbar ist. Neben dieser Ungewissheit wissen wir aber, dass wahre Freundschaften Halt und Sicherheit geben. Es kann kommen was will, in Zeiten der Not werden unsere Freunde für uns da sein und wir für sie. Auch in glücklichen und erfolgreichen Zeiten teilen sie unsere Freude. Wohin das Schiff der Freundschaft segelt, erfahren wir oft erst, wenn wir ankommen. Freundschaft bleibt ein Abenteuer, das es wert ist.
Jede Freundschaft hat eigene Qualitäten
Wenn Liebe, Bedingungslosigkeit und Freiheit unbedingte Bestandteile echter Freundschaften sind, warum reicht uns dann nicht ein guter Freund im Leben? Warum pflegen wir mehr als eine Freundschaft? Wenn wir über unsere Freunde nachdenken, werden wir feststellen, dass sie ganz unterschiedliche Charakterzüge aufweisen. Selbstredend sind Merkmale dabei, die uns faszinieren und andere, die wir als anstrengend empfinden. Die individuellen Charakterzüge unserer Freunde geben den Beziehungen zu ihnen eine jeweils ganz eigene Prägung. Bestimmte Freunde stoßen unterschiedliche Anteile in uns an, die durch gegenseitigen Austausch aktiviert werden. Der eine Freund bringt uns dazu, besonders witzig zu sein, bei einem anderen werden wir zu guten Zuhörern, beispielsweise weil er phantastisch erzählen kann. Bei einem dritten Freund können wir uns alles von der Seele reden, was uns belastet. Mit einem vierten tauschen wir uns über unsere Lieblingsmusik aus und treiben gemeinsam Sport. In Freundschaften existieren immer verbindende Interessen, über die man in ganz unterschiedlichen Formen der Beziehungsgestaltung zusammenfindet. Jede Freundschaft hat eigene Qualitäten, die sie wertvoll sein lassen.
Bei Paaren, die miteinander befreundet sind, verhält es sich ähnlich. Manche befreundete Paare genießen ein gemeinsam zubereitetes Mahl, das durch einen herausfordernden Austausch über Politik und Arbeit begleitet wird. Mit anderen kann man Quatsch machen und viel zusammen lachen, mit einem dritten berät man über Kindererziehung und unternimmt gemeinsame Ausflüge.
Jeder Freund bringt eine bestimmte Saite in uns zum Klingen und prägt unser Erleben und unser Verhalten in einzigartiger Weise. Unser Leben wird durch den Austausch enorm bereichert. Die Gegenwart jedes einzelnen Freundes erzeugt eine unvergleichliche Resonanz in uns. Eine Gruppe von Freunden lässt die gemeinsame Zeit aufgrund vielschichtiger Interaktionen spannend und intensiv werden. In diesen Beziehungen werden wir lebendig und finden einen Lebenssinn.
Wenn wir die Einzigartigkeit jeder einzelnen Freundschaft betrachten, wird auch verständlich, warum gesunde Partnerschaften von guten Freundschaften profitieren und stabilisiert werden. Der Anspruch, dass ein Partner für alle Bedürfnisse des anderen zur Verfügung stehen soll, stellt immer eine Überforderung dar. Geht er gerne auf Rockkonzerte und sie lieber in die Philharmonie, können Freunde hier aushelfen. Liebt sie philosophische Gespräche und er ist ein Pragmatiker, ist sie gut beraten, sich mit einer ähnlich denkenden Freundin zu treffen, während er mit einem guten Freund eine Maschine auseinander bauen und reparieren kann.
Selbstverständlich benötigen Partnerschaften Interessen, die große Überschneidungsbereiche aufweisen. Teilt