Rasse, Klasse, Nation. Immanuel Wallerstein
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Étienne Balibar
Immanuel Wallerstein
Rasse, Klasse Nation
Ambivalente Identitäten
Deutsch von Michael Haupt und Ilse Utz
Argument Verlag
Zum 30-jährigen Jubiläum dieses im Dialog zwischen Balibar und Wallerstein entstandenen, weltweit rezipierten »Meilensteins in der kritischen Analyse des Rassismus« initiiert das Haus der Kulturen der Welt (Berlin) ein Forschungsprojekt zur Rezeptionsgeschichte und eine internationale Tagung.
Titel der französischen Originalausgabe:
Race, Nation, Classe. Les identités ambiguës
© Éditions La Découverte, 1988
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Neuausgabe mit leicht geändertem Satzbild, Paginierung gegenüber früheren Ausgaben geringfügig abweichend
Alle Rechte der deutschen Fassung vorbehalten
© Argument Verlag 1990
Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg
Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020
ISBN 978-3-86754-858-8
Sechste Auflage 2017
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
Unseren Freunden
Mokhtar Mokhtefi und Elaine Klein
Vorwort
Étienne Balibar
Die in diesem Band zusammengefassten Aufsätze, die wir dem französischen Leser gemeinsam vorstellen möchten, sind persönlich erarbeitete Beiträge, für die jeder von uns die Verantwortung übernimmt. Aber die Umstände haben aus ihnen Elemente eines Dialogs gemacht, der sich in den letzten Jahren intensiviert hat und den wir heute wiedergeben möchten. Das ist unser Beitrag zur Klärung einer brennenden Frage: Was ist die Spezifik des heutigen Rassismus? Wie lässt sie sich mit der Klassenspaltung im Kapitalismus und den Widersprüchen des Nationalstaats verknüpfen? Inwiefern zwingt uns das Phänomen des Rassismus wiederum zu einem Überdenken des Nationalismus und der Klassenkämpfe? Mit dieser Fragestellung wollen wir auch einen Beitrag zu einer umfassenderen Diskussion leisten, die seit mehr als zehn Jahren im »westlichen Marxismus« geführt wird, und wir können nur hoffen, dass sich dieser genügend erneuern wird, um auf der Höhe seiner Zeit zu sein. Natürlich ist es kein Zufall, dass dies eine internationale Diskussion ist, dass sich in ihr die philosophische Reflexion mit der historischen Synthese und der Versuch der Entwicklung einer neuen Begrifflichkeit mit der Analyse von politischen Problemen verbindet, die heute (besonders in Frankreich) mehr als drängend sind. Das ist zumindest die Überzeugung, die wir Anderen vermitteln möchten.
Man erlaube mir einige persönliche Hinweise. Als ich Immanuel Wallerstein 1981 zum ersten Mal traf, kannte ich bereits den (1974 erschienen) ersten Band seines Werkes The Modern World-System, hatte den zweiten jedoch noch nicht gelesen. Ich wusste folglich nicht, dass er mir dort eine »theoretisch bewusste« Darstellung der »traditionellen« marxistischen Theorie bezüglich der Periodisierung der Produktionsweisen zugeschrieben hatte. Diese Periodisierung setzt die Manufakturperiode mit einer Periode des Übergangs und den Beginn der eigentlichen kapitalistischen Produktionsweise mit der industriellen Revolution gleich. Dem stehen Auffassungen entgegen, die, um den Beginn der Moderne zu markieren, einen zeitlichen »Einschnitt« vorschlagen, der entweder bei 1500 liegt (die europäische Expansion, die Schaffung des Weltmarkts) oder bei 1650 (die ersten »bürgerlichen« Revolutionen und die wissenschaftliche Revolution). Vor allem wusste ich nicht, dass ich in seiner Analyse der Hegemonie Hollands im siebzehnten Jahrhundert einen Ansatzpunkt finden würde, um Spinoza (mit seinen revolutionären Zügen, die sich nicht nur auf die »mittelalterliche« Vergangenheit, sondern auch auf die zeitgenössischen Tendenzen bezogen) in die merkwürdig atypischen parteipolitischen und religiösen Kämpfe der Zeit einzuordnen (mit ihrer Mischung aus Nationalismus und Kosmopolitismus, Demokratismus und »Furcht vor den Massen«).
Wallerstein wusste wiederum nicht, dass ich seit Beginn der siebziger Jahre infolge der durch unsere »Strukturalistische« Lesart des Kapital ausgelösten Diskussionen und um gerade den klassischen Aporien der Periodisierung zu entgehen, die Notwendigkeit erkannt hatte, die Analyse der Klassenkämpfe und ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung des Kapitalismus in den Rahmen der Gesellschaftsformation und nicht nur der Produktionsweise zu stellen, die als ein idealer Durchschnitt oder ein invariantes System betrachtet wurde (was eine völlig mechanistische Strukturkonzeption ist). Daraus folgte einerseits, dass der Gesamtheit der historischen Aspekte des Klassenkampfes ein bestimmender Einfluss auf die Konfiguration der Produktionsverhältnisse zuzuschreiben war (einschließlich der Aspekte, die Marx mit dem mehrdeutigen Begriff »Überbau« bezeichnet hatte). Andererseits bedeutete dies, dass im Rahmen der Theorie die Frage nach dem Raum aufgeworfen wurde, in dem die Reproduktion des Verhältnisses Kapital-Arbeit (oder der Lohnabhängigen) stattfand; dabei war der ständige Hinweis von Marx mit Inhalt zu füllen, dass der Kapitalismus die Internationalisierung der Akkumulation und der Proletarisierung der Arbeitskraft impliziert, während es gleichzeitig galt, die Abstraktion des undifferenzierten »Weltmarktes« zu überwinden.
Auch hatten mich die Entwicklung der spezifischen Kämpfe der Arbeitsimmigranten in Frankreich in den siebziger Jahren und die Schwierigkeit ihrer Übersetzung ins Politische sowie die These von Althusser, der zufolge jede Gesellschaftsformation auf der Kombination von mehreren Produktionsweisen beruht, zu der Überzeugung gebracht, dass die Spaltung der Arbeiterklasse kein sekundäres oder residuelles Phänomen, sondern ein strukturelles (was nicht heißen soll: invariantes) Charakteristikum der heutigen kapitalistischen Gesellschaften ist. Es bestimmt sämtliche Perspektiven der revolutionären Veränderung und selbst der täglichen Organisierung der sozialen Bewegung.1
Schließlich waren von der maoistischen Kritik am »realen Sozialismus« und von der Geschichte der »Kulturrevolution« gewiss nicht die Verteufelung des Revisionismus und die Nostalgie des Stalinismus bei mir haften geblieben, wohl aber der Hinweis, dass die »sozialistische Produktionsweise« in Wirklichkeit eine instabile Kombination von Staatskapitalismus und proletarischen Tendenzen zum Kommunismus ist. Bei all ihrer Verstreutheit war diesen Berichtigungen die Tendenz gemeinsam, dass sie eine Problematik des »historischen Kapitalismus« an die Stelle der formellen Antithese von Struktur und Geschichte setzten und als eine zentrale Frage dieser Problematik die Veränderung der Produktionsverhältnisse ausmachten, die miteinander verflochten sind und den langen Übergang von den Nicht-Warengesellschaften zu den Gesellschaften mit einer »generalisierten Ökonomie« bilden.
Im Gegensatz zu Anderen fiel mir der Ökonomismus, der den Analysen Wallersteins häufig vorgeworfen wurde, nicht sonderlich auf. Man muss sich in der Tat über die Bedeutung dieses Begriffs verständigen. In der Tradition der marxistischen Orthodoxie stellt sich der Ökonomismus als ein Determinismus der »Entwicklung der Produktivkräfte«