Digital_Pausen. Hans Ulrich GUMBRECHT
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Ein besonders eklatanter Fall dieses spannungsfreien Nebeneinanders zwischen privatem Glauben an Gott und seinem Verschwinden als transzendentaler Prämisse des Alltagslebens ist die amerikanische Gesellschaft. Dort gehört zu einer demographischen Minderheit, die man fast als »Splittergruppe« charakterisieren muss, wer privat nicht an Gott glaubt; doch auf der anderen Seite mussten die zwei Wörter under God vor wenigen Jahren aus dem Fahneneid (one Nation, under God) gestrichen werden, weil er zur Dimension des Öffentlichen gehört.
Bleibt die Frage, ob die konsequente Säkularisierung und Privatisierung des Gottesglaubens einen Verlust zur Folge hat, den wir spüren, ohne ihn im gegebenen Zusammenhang noch zu verstehen. Heidegger folgt hier Nietzsche, der statt der Suche nach Werten als erster Reaktion zum Tod Gottes auf die Bereitschaft und auf das Bedürfnis der Menschen hoffte, sich vom »Leben« durchdringen und stärken zu lassen. Impliziert ist dabei offenbar, dass uns mit der Privatisierung des Glaubens an Gott eine Quelle existentieller Energie verlorengegangen sei. Welcher Begriff von »Leben« kann aber nun an dieser Stelle alle (zunächst einmal ja durchaus berechtigten) Bedenken abblocken, dass man sich mit dem Setzen auf »Leben« in die Nähe faschistischer Ideologien begibt? Welcher Begriff von »Leben« kann darüber hinaus eine inspirierende Perspektive auf neue Formen der menschlichen Existenz eröffnen? Hier bringt Heidegger Nietzsches Konzept des »Willens zur Macht« ins Spiel. Mit ihm sei nicht die kleine persönliche Gier nach Macht gemeint, sondern eine vor-subjektive Lebendigkeit, ein vor-subjektiver »Wille«, dessen Haupttendenzen Steigerung und Erhaltung seiner selbst sein sollen. Dieser »Wille zur Macht« müsste als außerhalb der menschlichen Existenz liegende Kraft dann offenbar den Ort des ins Private abgedrängten transzendentalen Gottes einnehmen (und ist vielleicht ähnlich wie der »Wille« bei Schopenhauer vorzustellen, das heißt als eine Energie, welche jeglicher Veränderung zugrunde liegen soll).
So kommen wir bei der Frage an, ob es genug sei, sich mit »Gelassenheit«, wie Heidegger wohl betont hätte, dafür zu öffnen, von dem so verstandenen Willen zur Macht durchdrungen zu werden. Eine erste Antwort bezog sich auf Hannah Arendts Buch von der »Human Condition« und auf seine Kritik an einer (faschistischen, aber auch kommunistischen) Verherrlichung des »Lebens an sich«. »Leben an sich«, so Arendt, werde immer nur im Zusammenhang mit der Arbeit als Energiequelle verbraucht. Aktives Leben (und wir können ergänzen: aktives Leben in Abwesenheit eines transzendentalen Gottes) hingegen beginne mit dem individuellen Streben, solche Energie umzusetzen in individuelle Formen. Und Formen entstehen allein unter der Bereitschaft, andere als die gewählte Möglichkeit auszuschließen, sie nicht zu realisieren. Im intellektuellen Leben hieße das zum Beispiel, auf provozierende Thesen zu setzen statt auf die Bemühung, alles zu wissen; im Alltag der Berufe müsste die wahrzunehmende Konsistenz eines jeweiligen Verhaltensstils über die immer beliebige Anpassung an vorgegebene Traditionen und Institutionen dominieren. Als mittelbare Folge von »Gottes Tod« erschiene also an unserem Horizont eine Ästhetik der Existenz.
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