Eva sieht rot. Liza Cody

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Eva sieht rot - Liza  Cody

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gemacht und an denselben Plätzen geschnorrt haben. Das war, bevor ich auf die Füße fiel, als ich noch auf der Straße lebte. Und bevor sich für Crystal das Blatt wendete und sie ihren Marktstand kriegte. Damals machte Dawn das dicke Geld, und Crystal und ich mussten Kohldampf schieben.

      Die Geschichte war folgende. Eines Nachts, es war so bitterkalt, dass dir deine körperlichen Ausdünstungen in der Jacke gefroren und die Frostbeulen aufbrachen, hatten Crystal und ich uns in einem Abrisshaus in Hammersmith einen Schlafplatz gesichert. Wir hatten es uns gerade gemütlich gemacht, als wir von einer Truppe Uralthippies samt Hunden aufgescheucht wurden. Acht Hippies und drei Köter.

      Gegen ein paar Gruftis hätte ich bestimmt was ausrichten können, ich war nämlich damals schon ziemlich kräftig. Aber gleich gegen acht! Und drei Hunde. Heute wäre es ein Klacks für mich, sie wüssten nicht, wie ihnen geschieht. Aber damals hatte ich mein volles Potenzial noch nicht realisiert. Außerdem war Crystal ein ziemlicher Wicht – Dreikäsehoch wäre noch übertrieben. Und wir hatten kein Abendessen organisieren können, wir waren also nicht gerade in Topform.

      Jedenfalls haben uns die Gruftis rausgeschmissen, und wir saßen wieder auf der Straße und wussten nicht, wohin. Da sagt Crystal: »Los, wir gehen nach Paddington, vielleicht lässt uns meine Schwester bei sich auf dem Fußboden schlafen.«

      Ich war total geplättet. Ich wusste gar nicht, dass sie eine Schwester hatte. Und während wir durch die leeren Straßen nach Paddington latschten, fragte ich mich, wieso Crystal Platte machen muss, wenn ihre Schwester was zum Wohnen hatte.

      Das fand ich heraus, als wir ankamen.

      »Verpiss dich, Crystal«, sagte Dawn. Das war das Erste, was sie von sich gab, als sie die Tür aufmachte. Hinter ihr sah ich ein warmes Zimmer, ganz in Rosa. Aber Dawn versperrte uns den Weg. »Wenn du glaubst, ich lass dich rein, bist du schief gewickelt«, sagte sie. »Du stinkst wie eine Müllkippe, und was ist das für eine Type, die du da angeschleppt hast? Die Zwillingsschwester vom Incredible Hulk?«

      »Das ist Eva«, sagte Crystal.

      »Die kann auch abschieben«, sagte Dawn. Sie war in voller Kriegsbemalung, rosa Backen und schwarz umrandete Augen um drei Uhr morgens. Das konnte meiner Meinung nach nur eines bedeuten. Und ich hatte recht.

      »Ihr kostet mich Geld, wenn ihr vor meiner Tür rumsteht«, sagte Dawn. »Das ist hier schließlich keine Absteige.«

      »Nur zum Aufwärmen, Dawn«, sagte Crystal. »Wir bleiben auch nicht lange. Es ist arschkalt draußen.«

      Ich fand es furchtbar, sie so betteln zu sehen. Sie war zwar nur ein Furz im Wind, aber sie hatte was auf dem Kasten.

      »Was du unter aufwärmen verstehst, kenne ich«, sagte Dawn. »Als du das letzte Mal hier warst, habe ich mich anschließend tagelang gekratzt. Ich musste mein Bett mit Flohspray einsprühen. Zieht Leine.« Und sie knallte uns die Tür vor der Nase zu, aber da hatte ich schon längst den Riesenkasten Pralinen auf ihrem Bett gesehen und die Comichefte und die heizbaren Lockenwickler. Alles, was eine Nutte braucht, um sich zwischen zwei Nummern die Zeit zu vertreiben.

      Und dann standen wir wieder draußen, in der Affenkälte.

      »Reizende Familie«, sagte ich. Meine Schwester hätte uns nämlich nicht rausgeschmissen. Wenn ich bloß gewusst hätte, wo sie war. Meine Schwester hätte uns einen Tee gekocht und uns auf ihrem Bett ein Nickerchen machen lassen. Sie hätte uns eine ganze Handvoll Pralinen gegeben und ein heißes Bad eingelassen.

      »Wo steckt denn deine tolle Schwester?«, sagte Crystal. Sie konnte ziemlich gehässig sein, wenn sie Kohldampf hatte. Sie wusste nämlich genau, dass ich sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich suchte nach ihr, aber ich fand sie nicht.

      So habe ich Dawn damals kennengelernt, und ich habe es bis heute nicht vergessen. Vergeben und vergessen ist nur was für Leute, die es sich leisten können. Nicht für mich. Ich kann bis in alle Ewigkeit nachtragend sein, wenn ich Lust dazu habe.

      Aber es lohnte sich nicht, Dawn etwas krummzunehmen. Sie schadete sich selbst am meisten. Sie hatte keine Traute. Den ganzen Mumm in der Familie hatte Crystal abgekriegt. Jetzt hat Crystal ein Zimmer und einen Trödelstand auf dem Mandala Street Market, und Dawn steht an der Straßenecke und steigt zu irgendwelchen Freiern ins Auto. Und alles, was sie verdient, versäuft sie im Pub. Kann man noch blöder sein?

      Sie ist bloß hierher gezogen, auf die Südseite vom Fluss, damit sie Crystal leichter anpumpen kann. Früher hatte sie einen Beschützer, aber mit ihm lief es so wie mit allen Kerlen, wenn sie mit einer Frau fertig sind. Mit ihm ging es steil bergauf. Und mit Dawn lief es so wie mit allen feigen Frauen, die keinen Beschützer haben. Mit ihr ging es rapide bergab.

      So läuft es immer, wenn man von anderen abhängig ist. Glaub mir. Auf dieser Welt darfst du dich nur auf dich selber verlassen. So hat Crystal es gemacht, so habe ich es gemacht. Und wir haben es geschafft.

      Ich bezahlte meine Bananen und ging. Dawn war immer noch da. Die Kids hatten sie umgerempelt, und ein Junge versuchte ihr mit einem Stock den Rock hochzuschieben.

      »Dawn ist eine Nutte, Dawn ist eine Nutte«, johlten sie. »Die kann jeder kriegen, im Stehen und im Liegen.«

      Ich wollte mich gerade umdrehen und nach Hause gehen, als plötzlich Crystal wie von der Tarantel gestochen über die Straße gerast kam. Sie schnappte sich den Stock und drosch um sich wie ein mordlustiger Gartenzwerg. Sie ist selber nicht viel größer als eine Zehnjährige, aber sie hatte Dawn die Meute im Handumdrehen vom Hals geschafft. Sie sah so komisch aus, dass ich mich fast totgelacht hätte.

      Großer Fehler. Sie entdeckte mich.

      »Eva!«, schrie sie. »Pack mal mit an.«

      »Du kannst mich mal!«, schrie ich zurück. »Ich hab zu arbeiten.«

      Aber dann zeigte ein Jüngelchen mit dem Finger auf mich und sagte zu seinen Kumpeln: »Ist das nicht das Kampfschwein?«

      »Kampfschwein« ist noch eine der netteren Beleidigungen, die ich bei einem Kampf zu hören kriege. Und weil ich geschmeichelt war, dass mich der Wicht erkannt hatte, marschierte ich ganz lässig rüber. Unterwegs zog ich mir die Jacke aus, damit alle meine muskulösen Arme sehen konnten. Ich bin sehr stolz auf meine Arme. Da steckt jede Menge harte Arbeit drin. Auf meinen Bauch bin ich nicht so stolz, aber den wollte ich auch schließlich keinem zeigen. Jedenfalls nicht mitten auf der Straße. Und schon gar nicht, ohne dafür bezahlt zu werden.

      »Pack mal mit an«, sagte Crystal noch einmal.

      »Bist du echt das Kampfschwein?«, fragte einer der Jungen.

      »Was dachtest du denn?«, sagte ich. »Aber hüte deine Zunge, sonst muss ich es dir beweisen.«

      »Mein Dad sagt, Catchen ist bloß Schau.«

      »Ja?«, sagte ich und machte einen Schritt auf ihn zu. Der Bursche war beeindruckt. Er machte zwei Schritte zurück. Ich war stolz wie Oskar. Letztes Jahr um diese Zeit kannte mich kein Mensch, jetzt werde ich auf der Straße angesprochen. Das zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

      »Mein Dad sagt, wenn es hart auf hart kommt, sind Catcher nicht zu gebrauchen. Wenn es echt zur Sache geht.«

      »Pass auf«, sagte ich. »Du gibst mir jetzt den Namen und die Adresse von deinem Dad, falls du sie überhaupt weißt, und dann wollen wir mal sehen, was er sagt, wenn ich dich durch seinen Briefschlitz schiebe.«

      Crystal

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