Eva sieht rot. Liza Cody

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Eva sieht rot - Liza  Cody

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»Es wäre was anderes, wenn sie uns an dem Abend reingelassen hätte.«

      »Du erinnerst dich immer nur an das Schlechte«, sagte sie.

      Andersherum müsste ich schön blöd sein. Wenn du das Schlechte vergisst, wie sollst du es dann in Zukunft vermeiden können? Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Außerdem habe ich nie was Gutes von Dawn gehört.

      »Dawn war nicht immer so«, fuhr sie fort und ließ die Oberlippe in den Tee hängen. »Nur hübsch, das war sie immer schon. Früher habe ich sie deswegen beneidet, aber das hat sich gelegt, als ich älter wurde. Alle wollen was von einem, wenn man gut aussieht. Wenn man hübsch ist, ist man immer die Doofe.«

      Mit Doofen kennt Crystal sich aus. Deshalb ist sie auch so eine gewiefte Marktfrau.

      Sie merkte nicht, dass ich grinste, und erzählte weiter. »Schon als sie noch ganz jung war, elf oder zwölf, haben sich die Kerle an sie rangewanzt, mit den üblichen blöden Sprüchen. ›He, schönes Kind. Darf ich dich einladen? Möchtest du tanzen gehen?‹ Und sie ist schon in Kneipen mitgegangen, als sie noch viel zu jung dafür war. Und sie dachte, die Kerle wären sehr spendabel. Sie wusste nicht, dass nichts umsonst ist. Alles hat seinen Preis.

      Das erste Mal kam sie nach Hause, und sie weinte, und sie hatte Blut an den Beinen, und sie sagte, jemand hätte ihr wehgetan. Ab da hat sie dann gewusst, dass es nichts umsonst gab. Aber gelernt hat sie nichts daraus. Sie hat sich immer wieder verliebt. Sie glaubte an die Liebe. Sie hat gesagt, durch die Liebe fühlt sie sich wie ein richtiger Mensch.

      Es gab da einen Kerl. Wir haben ihn manchmal auf dem Schulweg gesehen. Wenn wir mal zur Schule gingen. Er fuhr einen großen roten Wagen und trug todschicke Anzüge. Er hat Spielautomaten geleert.

      Nach der Schule sind wir nämlich oft in den Fummelbunker gegangen. Und ich konnte sehen, dass er ein Auge auf Dawn geworfen hatte. Weil ich schon damals versucht habe, auf sie aufzupassen. Sie brauchte wirklich ein Kindermädchen.

      Dieser todschicke Kerl, der hat immer zu mir gesagt: ›Verzieh dich, du Knirps. Du störst.‹

      Und ich habe gesagt: ›Das erzähl ich unserer Mum. Deine Sorte kenn ich.‹

      Und er hat gesagt: ›Du hast doch von Tuten und Blasen keine Ahnung.‹ Und dann hat er zu Dawn gesagt: ›Wenn du deine kleine Schwester unbedingt dabeihaben willst, kannst du mit den Jungs auch gleich auf den Spielplatz gehen.‹

      Und dann hat sie gesagt: ›Hau ab, Crystal.‹ Und wenn sie mich wegschickte, musste ich gehen.

      Einmal habe ich mir solche Sorgen gemacht, dass ich es tatsächlich unserer Mum erzählt habe. Und die hat es ihrem Mann erzählt. Und der hat uns mit dem Gürtel verprügelt und in unserem Zimmer eingesperrt. Aber Dawn war verliebt, und sie ist aus dem Fenster geklettert. Und sie hat wochenlang nicht mehr mit mir geredet. Darum hat sie mir auch nicht gesagt, dass ihre Tage ausgeblieben sind. Und als sie endlich doch damit rausgerückt ist, war sie schon im dritten Monat.«

      »Ich wusste gar nicht, dass Dawn ein Kind hatte«, sagte ich.

      »Hatte sie auch nicht«, sagte Crystal. »Sie hat es verloren. Beziehungsweise sie hat es bekommen, aber es war ganz blau bei der Geburt, und wir konnten es nicht retten. Es war nämlich so. Sie hat mir erzählt, dass sie einen Braten in der Röhre hatte, und dann haben wir beschlossen, mit diesem todschicken Typen zu sprechen. Sie dachte, er liebte sie auch. Sie dachte, er könnte es kaum abwarten, sie zu heiraten, und dass er sie nur deshalb noch nicht gefragt hätte, weil sie minderjährig war.

      Aber das Erste, was er sagte, war: ›Woher soll ich wissen, dass es von mir ist?‹ Und das zweite: ›Heiraten? Ich glaube, da hätte meine Frau was dagegen.‹ So kam also raus, dass er eine Frau und zwei Kinder hatte, nicht viel jünger als Dawn.

      Dann sagte er: ›Hier hast du ein paar Kröten, lass es wegmachen. Aber wehe, du lässt dich hier noch mal blicken und heulst mir die Ohren voll. Wenn du nämlich dann das nächste Mal in den Spiegel guckst, wirst du glauben, du stehst vor dem Schaufenster einer Metzgerei.‹ Genau so hat er es gesagt, Wort für Wort. So waren die Typen, in die Dawn sich verliebt hat.

      Ich konnte auch nicht viel machen. Aber natürlich habe ich ihm die Reifen aufgeschlitzt und ihm einen Backstein durch die Windschutzscheibe geschmissen.«

      »Natürlich«, sagte ich. Crystal ist wie ich. Sie hat eine Menge Selbstachtung.

      »Aber er hat seine Meinung nicht geändert«, sagte Crystal, »Bis Dawn dann ihren ganzen Mut zusammengenommen hat und zum Arzt gegangen ist. Bis all die Tests gemacht waren, war sie schon fast im fünften Monat, und da wollte es ihr keiner mehr wegmachen. Und dann hat unsere Mum Wind davon gekriegt, und ihr Mann hat Dawn rausgeschmissen.«

      »Und du bist wahrscheinlich mitgegangen«, sagte ich. »Um auf sie aufzupassen.« Wenn es meine Schwester gewesen wäre, hätte ich nämlich dasselbe gemacht. Nur dass meine Schwester nie so in die Bredouille geraten würde. Dafür ist sie viel zu klug, und mit Männern hat sie auch nichts am Hut.

      »Klar«, sagte Crystal. »Wir sind nach London gegangen und haben auf der Straße gelebt, und eines Nachts kriegte Dawn Schmerzen, und dann kam das Baby, ein kleines Mädchen, ganz grün und blau, als ob sie verprügelt worden wäre, und sie wollte einfach nicht atmen, und deshalb haben wir sie im Garten von einem der Abrisshäuser in der Kipling Street begraben.

      Eigentlich war es meine Schuld. Ich hatte den Dreh noch nicht raus und konnte nie so viel zusammenschnorren, dass Dawn genug zu essen bekam. Aber im Grunde war es besser so. Zu dritt hätte ich uns nie durchgebracht, und Dawn wäre bestimmt ins Heim gekommen. Das hätte sie nie ertragen.

      Jedenfalls war sie von der Liebe geheilt, und der nächste Kerl, mit dem sie sich einließ, musste blechen. ›Crystal‹, hat sie zu mir gesagt, ›es ist genau dasselbe, wie wenn man es aus Liebe macht, man hat nur etwas mehr zu essen auf dem Tisch.‹

      Und weil sie immer noch jung und hübsch war, hat ihr irgendwann ein anderer Kerl das Zimmer in Paddington gegeben. Und er hat auf sie aufgepasst. Und obwohl sie ihm zwei Drittel ihrer Einnahmen abgeben musste, ging es ihr trotzdem viel besser als je zuvor. So gut ist es ihr auch danach nie wieder gegangen.«

      »Du wolltest doch nicht flennen«, sagte ich.

      »Ich flenn doch gar nicht«, sagte sie. »Ich bin bloß wütend.«

      Also lieh ich ihr ein T-Shirt, damit sie sich die Nase putzen konnte.

      Ich habe gesagt, dass ich gerne Geschichten höre, aber diese gefiel mir nicht besonders. Außerdem habe ich sie schon viel zu oft gehört. Mit anderen Namen und anderen Worten kommt sie dir doch bestimmt auch bekannt vor.

      Crystal döste auf meiner Couch ein, also ging ich raus und patrouillierte mit Ramses und Lineker noch ein paarmal durch das Gelände.

      »Ein Glück, dass du kein Weibchen bist«, sagte ich zu Lineker. »Du bist genau die Sorte, die sich von einem verheirateten Kerl ein Kind anhängen lassen würde.« Er war schlank, schön und dösig, und wenn er Ramses und mich nicht gehabt hätte, die ihn auf Trab hielten, wäre er von allen nach Strich und Faden ausgenutzt worden.

      Als ich noch jung war, habe ich andauernd solche Geschichten gehört. Wenn du viel Zeit in Besserungsanstalten und Heimen verbringst, hörst du so ziemlich alles, was einem Mädchen überhaupt zustoßen kann. Und eines kann ich dir sagen, die Liebe kann ein verdammt

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