Verdorbene Jugend. Horst Riemenschneider

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Verdorbene Jugend - Horst Riemenschneider

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Meine Lederhosen war zwar speckig, doch die sollten ja so sein. Je speckiger, je besser. Ich ging in den Gastraum des Hotels, der auch als Anmeldung diente. Die Frau am Tresen sah mich von oben bis unten an und fragte, was ich wolle. Als ich meinen Wunsch vorbrachte, schüttelte sie mit dem Kopf und meinte, dass sie voll seien, sie hätten so viele Sommergäste. Wer hatte jetzt im Krieg Sommergäste, wo alle für den Sieg kämpfen sollten?, dachte ich und drehte mich enttäuscht zur Tür ab.

      Ich hatte gerade einen Schritt getan, da hörte ich, wie jemand „Sst!“ machte. Für mich kann das nicht gelten, dachte ich. Wer kennt mich hier schon. Doch dann hörte ich das Geräusch wieder und noch etwas eindringlicher. Ich versuchte nun durch den Tabakqualm zu erkennen, wer da nach mir rief. Es war ein ehemaliger Lehrling, der nun Jungfacharbeiter war. Wir waren ja inzwischen die Dreijährigen. Ich ging zögernd an seinen Tisch. Er fragte mich, wo ich herkäme. „Na, aus Suhl“, antwortete ich. Ob ich mit dem Fahrrad sei. Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte, dass ich zu Fuß gekommen sei. Er hielt mich für verrückt. Ob ich wüsste, wie viel Kilometer das wären. Ich zuckte mit den Schultern. Er meinte, dass das 54 Kilometer wären. Ich sagte ihm, dass Rosenhahn auch dabei sei und wir eine Unterkunft für die Nacht suchten. Er erklärte, dass bei ihm zu Hause auch kein Platz mehr sei, höchstens auf dem Heuboden.

      Ich war einverstanden und er kam gleich mit mir mit. Unterwegs erzählte er uns, dass bei ihnen zu Hause auch Sommergäste wären und seine Eltern würden schon in der Küche schlafen. Im Haus angekommen, wies er uns zum Heuboden. Er schlug außerdem vor, dass wir besser am Morgen mit dem Zug nach Schwarzburg oder Saalfeld fahren sollten. Für das Wecken würde er sorgen. Wir wühlten uns ins Heu und schliefen bald fest. Das Wecken klappte. Seine Eltern waren auch wach. Wir durften in der Küche Kaffee trinken und bekamen sogar ein Stück Kuchen dazu.

      Zum Zug mussten wir uns beeilen. Die Haltestelle war nicht weit. Wir hatten ausgemacht, dass wir abwechselnd bezahlen. Rosenhahn wäre an der Reihe gewesen, die Fahrkarten zu kaufen. Er stellte fest, dass sein Portemonnaie fehlt. Er vermutete, dass es im Heu geblieben sei und rannte aufgeregt zurück. Den Fahrkartenkauf übernahm ich inzwischen. Der Zug bimmelte schon von Katzhütte kommend das Tal herein. Rosenhahn war nicht zu sehen. Der Zug fuhr ein und Rosenhahn war noch nicht da. Ich sah ihn aber inzwischen kommen und stieg auf die hintere Plattform des letzten Wagens. Der Zug begann zu rollen, da schwang sich Rosenhahn auf die Plattform. Er hatte sein Portemonnaie nicht gefunden.

      Ich hatte bis Schwarzburg gelöst. Wir mussten nun aufpassen, dass wir nicht in den Schlaf fielen, denn wir hatten letzte Nacht höchstens viereinhalb Stunden geschlafen. Gegen Mitternacht waren wir zuvor in Meuselbach/​Schwarzmühle eingetroffen und der Zug fuhr hier schon gegen fünf Uhr ab. Es war wohl die vierte Station, an der wir aussteigen mussten.

      Es war schwer, wieder in Gang zu kommen. Als wir auf der Straße waren, die unter dem Bahnhof Schwarzburg in Richtung Bad Blankenburg entlang führte, nahm ich meine Mundharmonika hervor und spielte ein Wanderlied. Das half uns, wieder in Tritt zu kommen. Während der Fahrt von Schwarzmühle bis Schwarzburg haben wir noch einmal alles durchgesehen, ob das Portemonnaie irgendwo dazwischen gerutscht wäre, es war aber nichts zu finden. So rechneten wir nun unterwegs nach Bad Blankenburg, wie viel Geld wir noch besaßen. Es würde uns reichen, wenn wir keine besonderen Ausgaben tätigten. Feste Größen waren die Bahnfahrten Bad Blankenburg – Saalfeld, Saalfeld – Kahla und Krossen – Zeitz oder Ronneburg.

      So wanderten wir nun mutig weiter. Rosenhahn hatte mit dem Geld aber auch seine Lebensmittelkarten verloren. Nun musste er sehen, wie er die nächsten Tage über die Runden kam. Unterwegs konnte ich ja etwas abzweigen. Bei der Diskussion über diese Dinge bemerkten wir nicht, wie schnell wir vorangekommen sind. Während wir in Bad Blankenburg die Bahnschienen beim Bahnhof überquerten, wurden die Schranken gerade geschlossen. Wir hatten Glück. Die Zeit reichte, um die Fahrkarten zu kaufen und gleich ging es weiter.

      In Saalfeld gaben wir unsere Tornister bei der Gepäckaufbewahrung ab, um einen Abstecher in die Feengrotten zu machen. Wir nahmen an einer Führung teil und gingen dann gleich wieder zum Bahnhof. Wir hatten geplant, von Saalfeld nach Kahla zu fahren. „Jena-Paradies“, hörten wir und schraken auf. Wir waren kurz nach der Abfahrt des Zuges in Saalfeld eingeschlafen. Nun ging es darum, schnell auszusteigen und ungehindert die Bahnhofssperre zu passieren. Doch das klappte nicht so ohne weiteres. Bei uns beiden hatten sich die Tornisterriemen in den Gepäcknetzen verheddert. Wir hörten schon das „Fertig–werden“ draußen und Rosenhahn konnte gerade noch die Tür abfangen, die zugeschlagen werden sollte. Ich hatte meinen Tornister auch endlich frei und beide stiebten wir auf die Sperre zu, dass man annahm, wir hätten es sehr eilig. Auch an der Sperre gaben wir Eile vor, damit der Kontrolleur die Fahrkarten nicht zu genau ansehen konnte. Die waren ja nur bis Kahla gültig.

      Zunächst entfernten wir uns möglichst weit vom Bahnhof Jena-Paradies. Dann überlegten wir, was mit der unvorhergesehenen Situation anzufangen wäre. Zum Wandern hatten wir keine Lust mehr. Inzwischen hatte der Wind stark zugenommen. Doch wir kamen auf die Idee, auf der Saale, oberhalb des Stauwehres, einen Ruderkahn zu mieten. Aber das versagte man uns wegen des Windes, der immer turbulenter wurde. Obwohl ich früher schon in Jena war, kannte ich mich nicht besonders gut aus. Wir erkundigten uns, wann vom Saalbahnhof ein Zug in Richtung Bürgel abfahre. Ein bisschen Zeit zum Bummeln blieb, bis der Zug kam. Das Wetter hätte man zu dieser Zeit eher in den April eingeordnet und wir fröstelten wieder. Wahrend wir auf dem Bahnsteig herumtrampelten, kam ein Soldat auf uns zu und wollte wissen, was wir für Kerle wären und warum wir einen Tornister herumschleppen würden. Wir antworteten, dass wir uns auf die Militärzeit vorbereiten würden. Er schüttelte den Kopf und meinte, dass uns der „Barras“ noch zeitig genug erreichen würde.

      Nach Bürgel waren es mit dem Zug noch siebzehn Kilometer. Auf der Landstraße wären es nur vierzehn gewesen. Unser Mut zum Wandern war ziemlich klein geworden. Wir wollten ja von Kahla über die Leuchtenburg nach Stadtroda und von dort nach Bürgel. Ich kannte auf dieser Strecke einige Feldscheunen und da hätten wir übernachten können. Doch weil wir es verpennt hatten, wurde nichts mehr daraus. So zuckelten wir mit dem Bummelzug über Porstendorf und Graitschen nach Bürgel.

      Ich hatte uns bei meiner Großmutter angemeldet. Wir waren froh, dass endlich ein Bett auf uns wartete. Vorher haben wir uns die Füße gebadet und die Blasen beklebt. Die waren zahlreich. Doch mutig wollten wir am folgenden Tag auf unsere geplante Strecke Bürgel – Teufelstalbrücke–Mühltal – Krossen gehen. Mit dieser Zielstellung schliefen wir ein. Wir mussten uns zusammen ein Bett teilen. Da wir ziemlich müde waren, nahm ich den Köpergeruch von Rosenhahn nicht mehr so sehr wahr.

      Als Großmutter meinen Namen rief, wurde ich munter. Sie meinte, wir sollten einmal aus dem Fenster sehen, es gäbe Landregen. Unser Plan war also über Nacht ins Wasser gefallen. Bei diesem Regen hätten wir die Wanderetappe nicht geschafft. Großmutter sagte, wenn wir einen Zug nach Krossen erreichen wollten, müssten wir gleich aufstehen. Wir erreichten den Zug und kamen zeitig in Krossen an der Elster an.

      Unser Geld reichte neben den Fahrkarten nach Zeitz und Ronneburg gerade noch, einige Ansichtskarten zu kaufen, die wir unfrankiert abschickten. Zu Hause hieß es: „Ihr müsst unterwegs recht arm geworden sein.“ Recht hatten sie.

      Wir waren darauf eingestellt, unser drittes Lehrjahr in der Berufsschule mit Meltke zu bestehen und dann die schriftliche Facharbeiterprüfung zu machen. Es war ungefähr im Mai, da mussten wir nach Suhl in die „Rimbachschule“ wechseln. Unser neuer Lehrer hieß Barthel und hatte nicht die Qualitäten wie Meltke. Barthel ließ aber mal meckern, was es bei Meltke nicht gab.

      Unsere Betriebsklasse hatte sich zahlenmäßig verringert. Die Sitzenbleiber fehlten und der Rohrmacher hatte ausgelernt. In der Rimbachschule waren wir nun mit anderen System- und Büchsenmachern aus ganz Suhl zusammen. Schäfter waren auch wieder welche dabei. Die Klasse war aber trotzdem noch nicht voll.

      Meine

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