Saskia. Inge Nedwed

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Saskia - Inge Nedwed

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seine Kraft an der Giebelwand, hinter der das Schlafzimmer liegt. Die Wand bebt, hält aus und hält aus. Ein dumpfes Krachen. Merle lauscht, weiter weg, nicht vor unserem Haus. Ein kaputtes Dach, das fehlte jetzt noch! Das Licht der Straßenlaterne scheint ins Schlafzimmer. Uli hat die Rollläden nicht geschlossen. Merle hat keine Lust, noch einmal aufzustehen. Der Lichtschein streift Ulis Gesicht. Er schläft fest. Sein Atem ist gleichmäßig, ab und zu ein kleiner Schnaufer. Zum Glück schnarcht er nicht. Soll sie ihm morgen früh von dem Anruf erzählen? Er wird sich aufregen, das macht er immer, wenn es um Saskia geht. Vielleicht ist mit Saskia wirklich etwas Ernstes, erst jetzt werden ihr die aufgeregten Worte der Nachbarin bewusst. Warum kümmert sich Saskias Jan nicht?

      Merle bekommt eine Schwester

      Merle ist ein Schulkind und besucht die vierte Klasse. Nach Schulschluss hat sie es nie eilig. Sie geht gern in die Schule und nach dem Unterricht bummelt sie noch viel lieber durch das Dorf. Einen Hort, wie ihn die Kinder in der Stadt besuchen, gibt es nicht. Merle braucht auch keinen, ihr ist es nie langweilig. Sie verbringt die Nachmittage bei Mutter im Kindergarten oder bei Oma in der Poststelle. Wohin sie geht, das entscheidet sie erst auf dem Weg. Da gibt es immer etwas zu entdecken. Die Entenmutter schwimmt mit ihren Küken im Dorfteich. Oma darf nicht wissen, dass sie dort ihr Frühstücksbrot verfüttert. Im kleinen Laden, gleich gegenüber der Schule, kann man bei dem netten Verkäufer Bonbons erhaschen. Und seit diesem Jahr gibt es den Spielplatz mit Wippe und Schaukel auf dem Anger. Meistens zieht Merle die Poststelle vor. Im Kindergarten muss sie den Kleinen aus Mutters Gruppe Lieder vorsingen. Mutter begleitet sie auf der Gitarre und erklärt den angehenden Schulanfängern, dass man dies alles, wenn man fleißig ist, in der Schule lernt. Merle mag das nicht, Mutter muss sie jedes Mal zum Singen überreden. Bei Oma in der Poststelle ist es viel interessanter. Briefe, Karten, Päckchen und Pakete aus der ganzen Welt kommen hier an. Oma sortiert und stellt zu. Am Schalter nimmt sie Geld entgegen oder zahlt aus. Der große Poststempel ist bei allen Arbeiten dabei. Es kracht, wenn Oma ausholt und mit Schwung den Stempel haargenau ins Ziel trifft. Auf den Namen Post-Martha ist Oma stolz. Merle auch, jeder kennt Oma im Dorf. Gefallen hat Merle an den bunten Briefmarken gefunden. Zum Geburtstag wünschte sie sich ein Briefmarkenalbum. Ausländische Briefmarken sammelt sie am liebsten. Aus Mutters Bücherschrank nahm sie sich den Atlas, um nachzusehen, wo sich diese fernen Länder befinden und wie ihre Hauptstädte heißen. Der Atlas ist nie wieder in den Bücherschrank zurückgekehrt, er liegt neben Merles Briefmarkensammlung in ihrem Zimmer. Merle träumt sich gern in die Welt der kleinen bunten Bilder. Eine Briefmarke ist für sie besonders wertvoll. Im Album steckt sie ganz allein in der Mitte auf der ersten Seite. Ein Ehrenplatz für die Marke aus Vietnam. Menschen mit Strohhüten, die wie riesige Schüsseln aussehen, arbeiten auf den Reisfeldern. Kinder sitzen auf den Rücken der großen Wasserbüffel. In den Dörfern stehen kleine Hütten und es gibt dort keinen Winter. Dies hat Merle in einem Kinderbuch gelesen. Im Fernsehen sieht sie dazu schreckliche Bilder. Aus einem Hubschrauber werden diese Menschen mit Maschinengewehren beschossen. Krieg, in diesem schönen Land mit seinen freundlichen Menschen. Warum? Merle versteht es nicht. Aber sie weiß genau, wer gut und böse ist. In ihren Nachmittagsträumen kämpft Merle mit dem Vietkong gegen die Amerikaner. In einer Rakete umkreist sie mit Juri Gagarin die Erde. In der weiten Steppe der Mongolei lebt sie zusammen mit Hirten in Jurten und ist die wildeste Reiterin. Sie träumt, bis Oma sie ermahnt und an die Hausaufgaben erinnert.

      Doch heute ist alles anders. Merle hat keine Zeit. Das erzählt sie jedem im Dorf.

      Wir haben ein Baby und das kommt heute mit Mutter nach Hause. Mutter und meine kleine Schwester Saskia. Die letzte Schulstunde will einfach nicht zu Ende gehen, obwohl Heimatkunde Merles Lieblingsfach ist. Unruhig rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her. Endlich, das ersehnte Klingelzeichen erlöst von der Qual des Wartens. Merle ist die Erste, die aus dem Klassenzimmer stürmt. Du hast deinen Turnbeutel vergessen, rufen ihr die Freundinnen nach. Merle hört sie nicht. Sie nimmt drei Treppenstufen auf einmal, durchquert den Schulhof schneller als beim 60-Meter-Lauf. Dabei ist sie im Sportunterricht schon immer die Schnellste. Im Ranzen klappert der Farbkasten, ihre Zöpfe wippen im Wind. Ich habe eine Schwester, singt sie immer wieder und springt über den Bach, der sich mitten durch das Dorf schlängelt. Das erspart ihr den Weg bis zur Brücke. Keine Enten im Teich, keine Poststelle, Oma hat Urlaub genommen. Nur schnell nach Hause. Sie biegt in die Mühlgasse ein. Buntgefärbte Kastanienblätter wehen ihr entgegen, sie verkünden, Mutter und Saskia sind nicht mehr weit. Oma steht vor dem Haus und nimmt sie in Empfang. Du musst leise sein, Mutter und das Baby schlafen.

      Kann ich das Baby sehen, fragt Merle aufgeregt.

      Oma führt sie ins Haus. Langsam, mein Kind, das Baby läuft nicht weg.

      Im Hausflur wirft Merle den Ranzen in die Ecke. Ihre Jacke lässt sie im Gehen fallen. Mutter liegt in Omas Stube auf dem Sofa, das Babykörbchen steht neben ihr.

      Oma hat gesagt, du schläfst.

      Komm zu mir, meine Merle, wie kann ich schlafen, wenn mein großes Mädchen aus der Schule kommt.

      Oma nimmt das Baby aus dem Körbchen und legt es Mutter in den Arm.

      Das ist dein Schwesterchen, Mutter hält es hoch, damit Merle es betrachten kann. Merle starrt die Schwester an, so einen kleinen Menschen hat sie noch nie gesehen.

      Saskia hat ja gar keine Haare.

      Als du geboren wurdest, hattest du auch keine. Oma lacht.

      Merle berührt die kleine Hand. Meine Schwester ist ja nicht größer als meine Babypuppe.

      Beim Stillen und beim Wickeln muss Merle dabei sein. Immer wieder sieht sie in das Körbchen. Ich habe eine Schwester. Wie schön!

      Am Abend kriecht Merle zur Mutter ins Bett. Die Mutter streicht ihr übers Haar.

      Ist Oma wieder lieb zu dir, fragt Merle.

      Wie kommst du denn auf so etwas? Oma ist immer lieb zu mir.

      Aber sie hat doch mit dir geschimpft, sie wollte unser Baby nicht.

      Du bist mein großes Mädchen, aber das verstehst du noch nicht.

      Nach einer Weile fragt Merle, weil wir keinen Vati haben?

      Schlaf jetzt, wenn du älter bist, erkläre ich dir das.

      An Mutter gekuschelt ist Merle eingeschlafen. Sie hat einen seltsamen Traum. Ein Mann steht im Vorgarten unter der Kastanie und ruft nach Mutter. Merle hatte den Mann schon einmal gesehen. Mutter fuhr mit ihr in die Stadt zum Einkaufen. Sie standen in einer Telefonzelle. Hallo, Arno, treffen wir uns in unserem Café, sprach Mutter in den Telefonhörer. Mutter war anders als sonst, nervös suchte sie in ihrem Portemonnaie nach Kleingeld. Merle reichte ihr die Groschen zu. Ich bin in zehn Minuten dort, bis gleich, hörte sie die Mutter sagen. Komm schnell Merle, wir müssen uns beeilen. Wir wollen doch einkaufen, murrte Merle.

      Das machen wir auch.

      Im Café kam ein Mann an ihren Tisch. Er gab Mutter einen Kuss. Merle sah ihn mit großen Augen an.

      Das ist Onkel Arno, stellte ihn Mutter vor.

      Merle gefiel der Mann nicht. Bockig sagte sie ihm guten Tag.

      Mutter und er unterhielten sich, Merle verstand nicht viel, nur dass sie über eine Hochzeit sprachen. Merle verschüttete den Saft, der vor ihr auf dem Tisch stand. Der Saft tropfte auf Arnos Hose. Der schaute sie böse an. Mutter entschuldigte sich und versuchte, mit ihrem Taschentuch den Schaden zu begrenzen. Merle war froh, als der Mann sich verabschiedete.

      Mutter

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