Was den Raben gehört. Beate Vera

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Was den Raben gehört - Beate Vera

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Kredit. Die sanitären Einbauten und das Verlegen der elektrischen Leitungen hatte sie von Fachleuten machen lassen, den Rest erledigte sie selbst mit der Hilfe der Nachbarsfamilie, den Saberskys.

      Merve nahm neben ihrer Schwester Platz und legte den Arm um sie. Sie würde ihren Schwager mit keinem milden Urteil davonkommen lassen, das hatte sie sich an Sevgis Krankenbett geschworen. Und er täte gut daran, auch nach seiner Gefängnishaft nie mehr bei ihnen aufzutauchen. Bei dem Anblick ihrer Schwester durchflutete Merve erneut eine Welle des Hasses und der Ohnmacht. Während ihrer gesamten Kripolaufbahn hatte sie stets eine emotionale Distanz zu ihren Fällen und den Opfern bewahren können. Das hatte auch maßgeblich zu ihrer hohen Aufklärungsrate beigetragen. Im Falle ihrer Schwester wollte ihr das einfach nicht gelingen, sosehr sie sich auch bemühte. Sevgis Schicksal ging ihr direkt unter die Haut, sie wollte Rache. Ihr Schwager sollte genau die gleichen Schmerzen erfahren, die ihre Schwester erleiden musste. Sie würde für Gerechtigkeit sorgen. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft würde sie alles dafür tun, dass die Beweislage wasserdicht war und er das höchstmögliche Strafmaß erhielt. Wofür arbeitete sie sonst auf der Seite von Recht und Gesetz? Ihr Handy riss sie aus ihren trüben Gedanken.

      »Celik!«, meldete sie sich.

      »Merve, ich bin’s. Hast du mitbekommen, was bei euch in der Straße los ist?«

      Merve erhob sich vom Sofa. »Hallo, Glander! Nein, ich stand bis eben in einem Traum aus Apfelgrün. Ich bin am Malern. Was ist denn passiert?«

      »Die neuen Nachbarn in Leas Zeile haben zwei Skelette in ihrem Keller gefunden. Alles deutet darauf hin, dass es sich bei dem einen Leichnam um die Mutter der Runen handelt. Die ist Mitte der Sechziger spurlos verschwunden. Lutz rief mich gerade von Lea aus an, er sitzt mit den beiden bei ihr im Wohnzimmer.«

      Die Lehmann-Schwestern trugen ihren Spitznamen »die Runen« nicht grundlos. Das Klischee der konventionellen, nüchternen und leicht versnobten Pferdefreundinnen in Barbourjacke und Cavallo Reitstiefeln traf ganz und gar nicht auf sie zu, denn die zwei hatten einen für diese Kreise eher ungewöhnlichen ausgeprägten Hang zur Esoterik. Sie ließen sich regelmäßig ihre Horoskope erstellen und sich vor wichtigen Entscheidungen von ihrer Seherin Tarotkarten legen. Vor diesem Hintergrund und in Anlehnung an ihre Vornamen hatte irgendein Nachbar ihnen vor Jahren diesen humorigen Spitznamen gegeben. Auf Merve wirkten die beiden Schwestern so humorig wie jüngere Versionen der schrulligen Brewster-Schwestern in Arsen und Spitzenhäubchen – also auch ein bisschen unheimlich.

      Sie pfiff leise durch die Zähne. »Das ist krass. Hat Lutz gesagt, wer für den Fall zuständig ist?«

      »Unser alter Freund und Kupferstecher: Prinz. Deshalb möchten die beiden auch, dass wir uns der Sache annehmen.«

      Merve zögerte keinen Augenblick. »Ich bin in einer halben Stunde bei Lea. Bis gleich!« Dann erklärte sie Sevgi: »Ich muss duschen und dann rüber zu Lea. Wir haben einen neuen Fall. Ich erzähl dir mehr, wenn ich etwas weiß, ja? Das Zimmer ist fast fertig, die letzte Wand mache ich morgen. Kommst du alleine klar?«

      Sevgi lächelte und nickte. »Ja, geh nur. Wenn etwas sein sollte, schicke ich eines der Mädchen zu euch.«

      Merve drückte die Schulter ihrer Schwester und ging ins Bad im Obergeschoss.

      *

      Glander grüßte den Kollegen der Schutzpolizei, der an der geöffneten Tür des Hauses mit der Nummer 56 stand. Drinnen war einiges los: Das sechsköpfige Team der Tatortermittler war angerückt, ebenso drei Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens, das die Leichentransporte bei Hinweisen auf Gewaltverbrechen übernahm. Während die Überreste des ersten Opfers aus dem Haus getragen wurden, hielt Glander für einen Moment inne und senkte den Kopf. Jedem Toten und dessen Schicksal gebührte Respekt. Wenn es sich bei dem einen Leichnam tatsächlich um die Mutter der beiden Lehmann-Schwestern handelte, hatte das Kismet es wahrlich nicht gut mit ihnen gemeint.

      Nachdem die Bestatter an ihm vorbeigegangen waren, begrüßte Glander Polizeimeisterin Griese, die sich vor Leas Tür die Beine in den Bauch stehen durfte. Karla Griese und Glander duzten sich seit ein paar Wochen zwar privat, offiziell waren sie aber beim Sie geblieben. Die Dinge waren kompliziert zwischen Schupo und Kripo, und er wollte ihr den Stand nicht erschweren. Karla Griese musste nicht überrascht tun, ihn hier anzutreffen. Der Buschfunk auf dem Revier 4 funktionierte bestens, und jeder, bis hin zur Kantinenkraft, hatte von Glanders Kündigung und seiner neuen Agentur gehört. Ebenso hatte sich seine Liaison mit der gutaussehenden Zeugin vom »Eifelkiller-Fall« im Sommer herumgesprochen.

      Karla Griese schüttelte Glanders Hand. »Hauptkommissar Glander, schön, Se wiedazusehen!«

      »Nur noch Glander, Frau Griese, der Hauptkommissar ist Geschichte. Wie ist denn die Lage drinnen?«

      Karla Griese zog die rechte Augenbraue hoch. »Hauptkommissar Prinz is von nichts hier anjetan. Is ja ooch keen Wunda, so ’n alta Fall hat et in sisch inne Rejel. Fellner is ooch drin, der tut wie imma, watta kann. Dabei wär der viel lieba bei seiner kleenen Familie, der is doch jrade erst aus der Elternzeit zurück. Professor Harnack wollte noch uff Ihr Eintreffen warten, und die beeden Damen Lehmann jeben jrade ihre DNA-Proben ab. Frau Storm hält sisch wacka. Wenn Se mir die Bemerkung erlooben: Se würkt ziemlich krank uff mich, und nu hat se ooch noch den janzen Trubel hier am Hals. Juht, det Se jetzt da sind.« Sie zwinkerte ihn an und öffnete ihm die Tür.

      Im Flur wurde Glander von Talisker begrüßt. Selbst wenn der große Hund sich vorsah, war es besser, dessen wackelndem Hinterteil aus dem Weg zu gehen, wenn man nicht ins Straucheln geraten wollte. Glander klopfte dem vierbeinigen Freund sanft auf die Flanken und wuschelte ihm durchs Fell, wobei er sich kaum bücken musste. »Hey, Digger, ganz ordentlich was los hier, was?«

      Der Hund schaute missmutig zum Wohnzimmer, und Glander konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Lehmann-Schwestern gehörten nicht zu Taliskers Favoriten. Zu stark war ihr blumiges Parfüm, das sie literweise über sich zu versprühen schienen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass selbst das kräftige Veilchenodeur nicht den unter allem schwelenden Pferdegeruch übertünchen konnte, der Taliskers Jagdtrieb weckte. Wenn die beiden Frauen in der Nähe waren, war der Hund erheblich nervöser als üblich. Das hieß, er war ein wenig unruhig im Vergleich zu seinem sonst so stoischen Temperament.

      »Ich weiß, T…«, Glander sprach den Buchstaben englisch aus, er hatte sich sehr schnell an Lea und ihren Hund gewöhnt, »… ich weiß. Pferdesalami ist was Gutes, hat meine Oma Ellie auch immer gesagt. Komm, wir gehen zu Lea!«

      Bei der Erwähnung des Namens seines Frauchens spitzte Talisker die Ohren und wedelte erneut mit dem Schwanz, dann trottete er gelassen hinter Glander her.

      Als Glander das Wohnzimmer betrat, bot sich ihm ein Bild geschäftigen Treibens. Sieben Menschen waren dort versammelt. Mit einer Größe von über ein Meter neunzig stach die massige Erscheinung seines ehemaligen Kollegen Prinz aus der Gruppe heraus wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Aber Glander wusste, dass dieser erste Eindruck leider gewaltig täuschte. Prinz lief vor Leas Esstisch auf und ab und kaute auf dem Nagel seines linken kleinen Fingers herum, während sein Assistent Fellner den beiden Damen Lehmann Fragen stellte. Lutz Harnack, Glanders alter Jugendfreund aus Wannsee-Tagen, saß mit Lea im Wintergarten und schaute besorgt zwischen der Szene am Esstisch und Lea hin und her. Eine seiner Kolleginnen war dabei, den beiden Nachbarinnen Speichelproben für die DNA-Analyse abzunehmen.

      Sigrun Lehmann hatte ihren Mund geöffnet, sie wirkte sehr gefasst, wohingegen ihre ältere Schwester Gudrun hemmungslos weinte. Vor der lag schon ein Stapel benutzter Taschentücher, und sie zog gerade ein frisches aus einer Spenderbox. Als sie Glander bemerkte, sprang sie auf und warf sich ihm in die Arme. »Martin, ich bin ja so froh, dass Sie da

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