Mensch und Gott. Houston Stewart Chamberlain

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einer viel innigeren, geheimnisvolleren Kommunion als die meisten gleichzeitigen heidnischen und jüdischen Opfermahle und Mysterien. Es ist eine höchst eigentümliche und interessante, keineswegs aber alleinstehende Erscheinung: aus den untersten Tiefen des großen Stromes der Volks- oder Menschheitsreligion steigt, auf eine im einzelnen für uns unerklärbare Weise, ein Stück primitiven, konkreten religiösen Empfindens und Vorstellens an die Oberfläche, dringt bis auf die im Christentum erreichte höchste Stufe der Frömmigkeit und Mystik, der uralte Gedanke der Vereinigung mit der Gottheit durch Essen und Trinken« ( Taufe und Abendmahl bei Paulus, S. 48 fg.).

      Zu welchen Höhen der Menschengeist sich von der Grundlage solcher magischer Vorstellungen aus noch aufschwingen sollte, wissen wir; die Umwandlung ward schließlich ein sich im Innern des Geistes vollziehender Vorgang; wie es im anglikanischen Katechismus von dem Sakramente heißt: »ein äußeres und sichtbares Zeichen einer inneren und geistlichen Gnade«, wodurch wohlbetrachtet das Gebiet der Magie verlassen wird für das des Glaubens. Nichtsdestoweniger bleibt es von entscheidender Wichtigkeit, zu wissen, daß die früheste Christenheit diese Stiftung noch ganz naiv materialistisch auffaßte, und zwar in doppelter Form: einerseits in Anlehnung an die verbreiteten Liebesmahle als Erinnerungsmahl, andrerseits, in genauer Anlehnung an die heilige Gottesspeisung der Mysterienreligionen. Für beides finden wir schon beim Apostel Paulus die Belege: den Heiland läßt er bei der Einsetzung sagen: »Das tut zu meinem Gedächtnis«; andrerseits lebt Paulus so ganz in den Gedanken seiner Zeit, daß er ausdrücklich sagt, wer an den Mahlen der Mysterienreligionen teilnehme, »komme in die Gemeinschaft der Dämonen« (1. Kor. 10, 20), – er glaubt also, wie man sieht, an die magische Wirkung mit allen ihren Voraussetzungen und Folgerungen nicht allein beim christlichen Abendmahl, sondern auch bei den schon früher bestehenden Mahlen der dionysischen und anderer Gemeinden! Wiederum führe ich Heitmüller an: »Ihrer Isolierung entnommen, erscheint die paulinische Anschauung vom Abendmahl in ihren Grundzügen nicht als ein schlechthinniges Novum und als eine originale Schöpfung des Christentums, sondern als verflochten mit der vor- und außerchristlichen religiösen Gedankenwelt. Sie ist ein neuer Schößling an einem alten Zweige des religionsgeschichtlichen Baumes der Menschheit« (S. 51)5. Den beiden Auffassungen des Paulus begegnen wir auch in den ältesten Gemeinden. Nach der Didache (oder Lehre der zwölf Apostel) – der ältesten bekannten liturgischen Schrift, aus dem Beginn des zweiten Jahrhunderts – spricht die Gemeinde beim Kelch: »Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock David's, deines Knechtes, welchen du uns kundgetan hast durch deinen Knecht Jesus. Dir sei Ehre in Ewigkeit!« Und beim Brot spricht sie: »Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kundgetan hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei Ehre in Ewigkeit!« Daraufhin speisen die Mitglieder der Gemeinde, »bis sie sich gesättigt haben« (vergl. Hennecke: Neutestamentliche Apokryphen, S. 191); wie man sieht, handelt es sich um ein feierliches Mahl ( Agape genannt), bei dem aber von einer Wandlung des Brotes und des Weines in Leib und Blut Christi nicht die Rede ist. Genau zur gleichen Zeit – etwa um das Jahr 110 – schreibt jedoch der Märtyrer Ignatius in seinem Brief an die Epheser (Abschn. 20) von »dem Brot, welches ist ein Zaubermittel der Unsterblichkeit (pharmakon athanasias)«: er vertritt also mit aller Bestimmtheit die magische Auffassung des Sakramentes. Hierfür ließen sich noch viele Belege beibringen. Vor allem aber muß bemerkt werden, daß die frühe Gemeinde ebensowenig wie Paulus einen Widerspruch zwischen den beiden Auffassungen empfand; vielmehr entstand bald die Sitte, Liebesmahl und Opfermahl zu vereinigen, indem der Genuß des göttlichen Fleisches und Blutes der Agape als Krönung hinzugefügt wurde (vergl. z. B. Lightfoot: Ignatius & Polycarp, 2. Aufl., 2, 313). Jedoch, es hat das schöne Liebes- und Erinnerungsmahl nicht lange vermocht, sich neben der Wucht des uralten magischen Vereinigungsgedankens zu behaupten; letzterer blieb allein zurück, und an Stelle des sättigenden Brotes trat die symbolische Oblate. Endlich, nach einem Jahrtausend fast ununterbrochener Kämpfe zwischen idealistischer und materialistischer Deutung des Wesens des Abendmahles stellte die Kirche im Jahre 1215 im Laterankonzil als Dogma fest: »Es gibt nur eine allgemeine Kirche der Gläubigen und außerhalb ihres Bereiches wird durchaus niemand selig; in ihr ist Priester und Opfer zugleich Jesus Christus, dessen Leib und Blut in dem Sakrament des Altars in der Gestalt (sub speciebus) von Brot und Wein wahrhaft enthalten sind, nachdem durch Gottes Allmacht das Brot in den Leib und der Wein in das Blut verwandelt ist (transsubstantiatis pane in corpus ed vino in sanguinem), so daß, um das Geheimnis der Vereinigung zu vollenden, wir von dem Seinigen annehmen, was er von dem Unsrigen angenommen hat« (angef. nach Krüger: Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit, S. 258 fg.). Dies kann der dogmatische Mittelpunkt der katholischen Kirche genannt werden, denn hier wurzelt die schrankenlose Macht des Priestertums; für die Erkenntnis des Menschengeistes ist beachtenswert, daß die Begründung – wie man sieht – unmittelbar an älteste Vorstellungen des noch gänzlich unkultivierten Menschen anknüpft. Die Magie – sagen wir auf deutsch die Zauberei – und mit ihr der Zauberer hatten gesiegt!

      Vom Glauben zu reden, ist insofern bedenklich, als dieses Wort in allen Sprachen an einer eigentümlichen Zweideutigkeit krankt. Wer hierüber genau unterrichtet sein möchte, dem empfehle ich die Abhandlung des außerordentlichen Gelehrten, Bischofs Lightfoot, enthalten in seinem Kommentar zu der Epistel an die Galater (S. 154 fg.). Überall schillert »Glauben« in die Bedeutung des Zweifelns hinüber, als eine Art Gegensatz zum Wissen. Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen einer passiven Bedeutung, bei welcher das Wort nur so viel besagt, daß Einer sich auf Jemand oder auf Etwas verläßt oder verlassen zu können meint, und einer aktiven Bedeutung, nach welcher der Glaube eine Bewegung des Gemütes bedeutet auf einen Gegenstand hin, den es erfaßt und festhält, »die Kraft, welche den Menschen gottwärts treibt« (Ramsay: Paul's Teaching, S. 273). In den zwei Sprachen der früh-christlichen Kirche – der griechischen und der lateinischen – wurde eine neue Verwirrung durch die Tatsache hineingetragen, daß die hebräische Sprache, der als Sprache des Alten Testaments entscheidende Bedeutung zukommt, für den »aktiven« Glauben überhaupt kein Wort besitzt, vielmehr einzig den »passiven« Glauben kennt: ein bedenklicher Umstand für die Verkündigung einer neuen Religion, deren hervorstechendste Eigentümlichkeit gerade in der Betonung des aktiven Glaubens besteht, so daß schon Paulus nicht selten statt »Evangelium verkünden« kurzweg »den Glauben verkünden« schreibt (z. B. Gal. 1, 23), und daß der Christengegner Celsus den Vorwurf erheben kann, die Christen wichen jeder Beweisführung aus und lehrten: »untersuchet nicht, sondern glaubet! der Glaube genügt zur Erlösung!« (siehe Origenes: Contra Celsum 1, 9). Ich bin nun der Meinung, für uns Ungelehrte führe folgende vereinfachende Erwägung zu einem klaren und durchaus hinreichenden Ergebnis.

      Glauben, im Sinne von Fürwahrhalten, ist überall vorhanden und fehlt ebenso wenig dem trunkenen Mystiker, der die Verschmelzung mit Dionysos sucht, wie dem Teilnehmer an einem göttlichen Opfermahle – beide müssen gewisse Überzeugungen hegen (müssen also »glauben«), sonst wären ihre Handlungen sinnlos: dies nennen wir den passiven Glauben, denn er bahnt nur den Weg für eine andere Tat des Gläubigen, welche andere Tat erst die Erlösung bewirkt. Der aktive Glaube hingegen – der Glaube, wie ihn Jesus Christus offenbart und wie ihn Paulus, Augustinus und Luther predigen – bedeutet eine Wendung des ganzen Wesens, einen derartig entscheidenden Vorgang, daß er die Kraft besitzt, die Erlösung aus irdischen Banden zu höherem Leben unmittelbar herbeizuführen. So schwer, ja unmöglich, es sich erweist, den Begriff mit Worten zu bestimmen: es gibt doch eine Tatsache, an der man sicher erkennen kann, ob von »aktivem« Glauben gesprochen wird oder nicht: immer begleitet, als ergänzendes Gegenstück, den »aktiven« Glauben die Gnade: wie der Glaube hinaufstrebt, so strebt die Gnade hinab. Glaube in diesem Sinne genommen ist nichts anderes als die Liebe Gottes im Menschenherzen widergespiegelt. »Glaube ist nicht der menschliche Wahn und Traum, den etliche für Glauben halten«, sagt Luther, »Glaube ist ein göttlich Werk in uns, das uns wandelt und neugebiert aus Gott, und tötet den alten Adam, machet uns ganz ander Menschen von Herzen, Mut, Sinn, und allen Kräften, und bringt den heiligen Geist mit sich. O, es ist ein lebendig, schäftig, tätig, mächtig Ding um den Glauben, das unmöglich ist, daß er nicht ohn Unterlaß sollte Guts wirken. Er fraget auch nicht, ob gute Werk zu tun sind, sondern eh man fraget, hat er sie getan, und ist immer im Tun... Glaube ist ein lebendige,

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