Weiße Wölfe am Salmon River. Lutz Hatop
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Читать онлайн книгу Weiße Wölfe am Salmon River - Lutz Hatop страница 24
Marc und Shonessi sahen sich nur schweigend an.
Stützend brachten sie Gerhard zum Pool und halfen ihm beim Einstieg.
„Oh Mann, ist das toll. Herrlich heißes Wasser.“
Schon tauchte er unter, hoffte dabei, dass das Wasser heilende Wirkungen zeigte. Seine Lebensgeister erwachten.
„Shonessi, du musst wissen, als wir vor einigen Monaten die Reise geplant haben, war ich von diesem Ort sofort begeistert. Ich habe meiner Frau davon vorgeschwärmt, wie schön es sein muss, unter freiem Himmel hier in der Wildnis zu sitzen. Und heute ist das eingetreten. Wahnsinn. Das ich heute mit einer Shonessi und einem Lakota im Pool sitze, hätte ich mir allerdings nicht träumen lassen.“
Nach dem Bad spürten alle eine wohlige Müdigkeit und legten sich schlafen. Shonessi hatte sich dicht an Marc gekuschelt. Er rückte ihre Haare zur Seite und flüsterte ihr ins Ohr.
„Worauf sollte ich mich denn freuen?“
„Lakota, du bist ganz schön frech. Das geht doch nicht, hier.“
„Was geht nicht?“
Sie drehte sich zu ihm.
„Das weißt du doch ganz genau!“
„Nein, du hast heute Nachmittag so eine besondere Betonung gehabt. Ich habe es so verstanden, das mich heute Abend etwas nie dagewesenes erwartet.“
„So, meinst du? … Das ist allein deine Interpretation. Du musst Geduld haben. Warte, hier ist der Anfang…“
Sie blickten sich beide tief in die Augen, bevor sie ihn küsste.
Am nächsten Morgen wurde schnell gefrühstückt. Gerhard ging es wesentlich besser, auch sah seine Wunde gut aus. Das Wasser hatte wohl doch geholfen.
Sie hatten einen sehr langen Tag vor sich, normalerweise brauchte man zwei Tage bis zum 'Blackstone Territorial Park', sie wollten das Ziel an einem Tag erreichen. Hier im Unterlauf, der Stromzug war nur noch mäßig, war der Fluss in zahllose Arme aufgeteilt. Sicher nahmen sie die Hauptströmung. Das Driftholz von dem erst vor wenigen Tagen noch vorhandenem Hochwasser war teilweise turmhoch auf den Kiesstränden aufgeschichtet. Diese Kiesbänke waren blendendweiß und leuchteten in der Sonne. Zum ersten Mal sahen sie auch Tiere. Ein Schwarzbär begleitete sie im Laufschritt am Ufer, sie sahen Karibus und einen Otter, der direkt unter ihrem Boot wegtauchte.
Am späten Abend, die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, erreichten sie ihr Ziel. Gerhard ging es schlecht. Er war inzwischen ohnmächtig geworden. Marc rannte zum Headquarter und verständigte die Ranger.
KAPITEL 2 – GEWONNEN UND VERLOREN
Littlefoot
„Er muss sofort ins Krankenhaus.“
Fieberanfälle schüttelten Gerhard durch, er bekam davon nichts mit, war bewusstlos.
„Wir haben ihn in den Schwefelquellen von ´Kraus Hot Springs´ baden lassen. Ist das der Grund für seine Fieberattacken.“
Shonessi hatte ein denkbar schlechtes Gewissen. Der Ranger nahm ihr jedoch diese Bedenken.
„Nein, wahrscheinlich hatte er dadurch sogar einen kurzen Aufschub. Der bakterielle Befall ist allerdings sehr stark. Wir müssen ihn nach Yellowknife fliegen, nur dort ist eine Versorgung möglich.“
Das Flugzeug wartete bereits in Fort Liard. Shonessi und Marc konnten ebenfalls mitfliegen, da sie bei den dortigen Dienststellen ihre Aussagen machen sollten. Im Headquarter hatten sie erfahren, dass der Parkaufseher von Rabbitkeetle Hot Springs ermordet worden war und seit einer Woche eine Befahrung des Flusses nicht mehr stattfand, da mit einer gezielten Falschinformation die Flüge in das gesamte Gebiet unterbrochen waren. Suchtrupps waren unterwegs zu dem abgestürzten Hubschrauber.
Die zweimotorige Maschine startete durch, Gerhards Zustand hatte sich weiter verschlechtert. Shonessi war sehr schweigsam, hatte am Abend zuvor mit ihrem Vater telefoniert. Verändert hatte sie sich nach diesem Telefonat, sprach seitdem mit Marc fast kein Wort mehr. Marc selbst hatte noch von Fort Liard aus mit Gerhards Frau in Ulm gesprochen. Sie hatte ihn kaum ausreden lassen und wollte auf dem schnellsten Weg ebenfalls nach Yellowknife kommen.
So saßen beide schweigsam im Flugzeug nebeneinander und hingen ihren Gedanken nach. Unter ihnen breiteten sich endlose Wälder, durchsetzt von Wasserflächen aus. Flüsse mäanderten durch diese boreale Landschaft. Hin und wieder erkannten sie den Highway. Marc wurde unruhig, je länger sie im Flugzeug saßen. Vorsichtig fasste er Shonessis linke Hand, drückte sie sanft.
„Shonessi, was ist mit dir? Du sprichst nicht mehr mit mir. Ich mache mir langsam Sorgen.“
Sie wendete sich ihm zu, bedrückt antwortete sie, „ich darf dich nicht mehr sehen, mein Vater lehnt dich ab! Er will sich bedanken für deine Unterstützung, mehr nicht“, sie zögerte, Tränen liefen ihr über die Wangen, „Lakota, was soll ich tun, ich liebe dich…“, dann fing sie an zu weinen. Marc wollte sie in den Arm nehmen, was aber fast unmöglich war, da sie beide angeschnallt waren. Sie blickten sich lange an.
„Ich habe es dir versprochen, ich werde dich niemals aufgeben.“
„Aber ich weiß nicht, ob ich das auch kann.“
Kaum wahrnehmbar trafen ihre Worte mitten in sein Herz. Er dachte an ihren Schwur an den Quellen.
„Shonessi, du hast zu mir gesagt, wir bleiben zusammen. … Du hast gesungen für mich. Ich versteh dich nicht. Ein Anruf deines Vaters … und das soll es gewesen sein?“
Sie war sich so sicher, hatte es Marc geschworen, ihn Lakota genannt. Ihr Vater wollte nichts davon wissen, hatte ihr gedroht. Ahmik, ihren Bruder, konnte sie nicht mehr fragen. Diese Hilflosigkeit stand in ihrem Gesicht, in ihren Augen.
„Du kennst meinen Vater nicht …“
Sie brach ab, schwieg. Marc hilflos, wusste nicht wie antworten. Sie schwebten in Yellowknife ein. Unter ihnen breitete sich die Stadt am Ufer des großen Sklavensees aus. Dieser See besitzt fast die fünfzigfache Größe des Bodensees. Yellowknife, direkt am See gelegen ist die größte Stadt im Nordwesten Kanadas mit knapp zwanzigtausend Einwohnern. Hochhäuser mit bis zu sechzig Metern Höhe prägen die Innenstadt.
Als das Flugzeug aufsetzte, stand die Ambulanz schon bereit. Gerhard wurde sofort in das 'Stanton Territorial Hospital gefahren'. Auch Shonessi wurde bereits erwartet. Ihr Vater Tyrone Sand, genannt 'Littlefoot', holte sie mit einem jüngeren Begleiter direkt vom Flughafen ab. Marc hatte kaum Zeit sich zu verabschieden. Mit Tränen in den Augen musste er sie ziehen lassen. Ihr Vater bedankte sich bei ihm mit einem kurzen Händedruck und einem einzigen Satz. In diesem Satz lag ein hohes Maß an Geringschätzung. Marc reagierte nicht, nahm es einfach hin. Vielleicht, wenn Ahmik dabei gewesen wäre … Nur, hätte er sich auf Ahmik verlassen können?
Unschlüssig, wie es weitergehen sollte, verharrte er am Haupteingang zum Flughafen. Nahm sich dann kurz entschlossen ein Taxi und fuhr in die Klinik. Dann telefonierte er mit Gerhards Frau Susanne, die bereits am Abend einen Flug nach Yellowknife buchte.
Abend, 18.30 Uhr.