Weiße Wölfe am Salmon River. Lutz Hatop
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Читать онлайн книгу Weiße Wölfe am Salmon River - Lutz Hatop страница 23
„Wie denn, die Boote sind doch hinüber.“
„Das schon, wir werden den Aerius reparieren, ich habe den T65 geborgen. Das geht, du wirst sehen. Wir flicken den Aerius zusammen … Was ist mit Ahmik? Wo ist er?“
„Ich habe keine Ahnung, ich hab ihn, seitdem ich ins Wasser gefallen bin, nicht mehr gesehen.“
„Gerry ist schwer verletzt, er lebt. Wir brauchen den Aerius, um ihn nach Fort Liard zu bringen.“
Sie trugen den Aerius samt Gepäck zum Standort von Gerhard. Der war inzwischen zu sich gekommen. Shonessi versorgte, so gut es ging die Wunde.
Mit Messern zerschnitten sie die Haut des T65 in feine Streifen und klebten diese über die durchlöcherten Bereiche des Aerius. Der vorhandene Klebstoff wurde vollständig aufgebraucht. Passieren durfte jetzt nichts mehr. Weder ein zweiter Angriff noch eine Beschädigung bei der Fahrt.
Das Boot war wieder einsatzbereit. Sie trennten sich von überschüssigem Gepäck, behielten nur noch das große Zelt. Der Aerius schluckte alles. Gerhard legten sie vorsichtig in das Boot. Jetzt hieß es: überleben.
Marc beschäftigte nur noch ein Gedanke:
Hoffentlich suchen sie nicht mehr nach uns. Sollte noch einmal jemand auf uns schießen …
Er wagte nicht zu Ende zu denken. Gerhard musste husten, sein Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert. Sie mussten sich beeilen, eine Übernachtung sollte ausreichend sein.
Shonessi war inzwischen sehr sicher geworden, der Aerius selbst lief auch nach der Flickerei hervorragend. Die Persenning selbst war nicht beschädigt, ebenso wenig das Gestell aus Holz.
Shonessi war schweigsam, sprach kein Wort.
„Shonessi, es ist nicht gesagt, dass dein Bruder tot ist. Vielleicht konnte er sich an Land retten.“
Sie drehte sich zu Marc um, ein Lächeln umspielte ihren Mund.
„Vielleicht hast du Recht. Er ist ein hervorragender Schwimmer …“
„Dort, wo wir gekentert sind, gab es keine Stromschnellen oder Strudel.“
Marc machte sich mit dieser Aussage selbst Mut. Am Ende des zweiten Canyons folgte eine weitere Engstelle. Als sie sich näherten, stockte Marc der Atem und Shonessi hörte auf zu paddeln. Auf der linken Seite ragte eine senkrechte Felswand in den Himmel, noch höher als bei der letzten Engstelle. Der Fluss schien einfach aufzuhören. Eine dunkle Mauer versperrte den Weg.
„Lakota, wo geht es weiter? Ich kann nichts erkennen.“
„Ein Fluss verschwindet nicht einfach, du wirst sehen, das löst sich alles auf.“ Seine Stimme hatte eine andere Klangfarbe, die Shonessi wohl bemerkte, jedoch gab sie keinen Ton mehr von sich. Marc konzentrierte sich voll auf den Fluss, als plötzlich wieder Motorengeräusch hörbar wurde. Ein Hubschrauber näherte sich und flog tief über sie hinweg, verschwand in einer Rechtskurve und kam nach einigen Minuten wieder zurück. Sehr tief flog er über das Kajak hinweg.
Shonessi war unsicher. „Ich habe Hartmut erkannt, er sitzt im Hubschrauber. … Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?“
„Ein schlechtes. Wie sollte Hartmut so schnell zu einem Hubschrauber kommen. Außer unseren Verfolgern werden wir von niemandem gesucht… Shonessi, wir müssen uns auf den Fluss konzentrieren. Wir fahren auf die rechte Seite zu der Geröllhalde.“
Marc erkannte die Kehrwasser. Sicher fuhren sie in eines hinein. Jetzt konnte er auch den schmalen Felsspalt sehen, durch den der gesamte Fluss musste.
„Schnell, wir fahren aus. In der Engstelle werden sie nicht angreifen…“
Der Rest des Satzes wurde durch lautes Motorengeräusch übertönt. Das Kajak bewegte sich schnell auf die Engstelle zu. Gerade mal zwanzig Meter war der Fluss hier noch breit. Kreiselnd und strudelnd quetschte sich das Wasser durch den Spalt. Die Maschine musste abdrehen, sie waren der Felswand zu nahe. Marc blickte dem Hubschrauber hinterher, der plötzlich in einen Sinkflug überging und am Hang in den borealen Wald krachte.
„Was ist passiert?“
Shonessi hatte nichts gesehen, nur den Aufschlag gehört.
„Der Hubschrauber ist … abgestürzt, einfach so. Ich versteh das nicht. Egal, konzentriere dich auf den Fluss.“
Einmal in dem engen Schlund mit seinen senkrechten Felswänden, ging alles ganz leicht. Das Wasser knuffte und puffte mit sich selbst herum, kreiste, wirbelte nach links und nach rechts, sabberte an der Haut des Kajaks, gluckste und zischte.
„Was für ein Wahnsinn. Lakota. Wir haben es geschafft und die im Hubschrauber sind wir auch los.“ Lachend fuhr sie herum, „du kannst dich auf heute Abend schon mal freuen.“
„Shonessi, freu dich nicht zu früh, wir haben noch eine Stromschnelle vor uns, George´s Riffle. Ich denke aber, das wird dir eher Spaß machen.“
Dann kam sie: George’s Riffle. Über die gesamte Breite des Flusses Wellen, weit über einem Meter hoch, manche vielleicht sogar zwei Meter. Marcs geübtem Blick sprang sie sofort ins Auge, die Durchfahrt mit einigen Wellen, die Shonessi jubeln ließen. Jetzt begann der letzte Canyon, der erste Canyon, mit seinen hunderte Meter hohen Steilwänden und dreißig Kilometern Länge der schönste. Hinter dem Canyon dann endlich, es war bereits später Abend ‚Kraus Hotsprings‘, ihr Übernachtungsplatz.
Sie legten das Boot auf die Kiesbank, bauten das Zelt auf und versorgten Gerhard. Seine Wunde sah nicht gut aus. Die Haut hatte sich dunkel eingefärbt.
„Wir fahren morgen in aller Frühe los, dann schaffen wir es vielleicht bis zum Abend zum 'Blackstone Territorial Park'. Dort treffen wir dann auch wieder Menschen an.“
„Und was machen wir heute?“, verschmitzt lachte sie ihn an.
„Baden!“
„Baden? Wo?“
„Hier sind 35 Grad heiße schwefelhaltige Quellen, das wird uns guttun.“
Shonessi war sofort begeistert. Beide lagen in den Quellen, Freude wollte sich nicht einstellen, auch ihre Küsse waren nicht so wie sonst.
„Vielleicht sollten wir Gerry hier reinholen. Geht das auch bei seiner Wunde?“
„Früher haben sie die Leute sogar mit schwefelhaltigem Wasser geheilt, also kann es nicht gar so schädlich sein. Wir müssen eben aufpassen. Los, wir holen ihn.“
Gerhard lag dösend im Zelt, seine Schmerzen wurden immer schlimmer.
„Na endlich. Holt ihr mich zu den Quellen? Das wird mir helfen. Es wird immer schlimmer, ich glaube fast, ich habe Wundbrand.“
Marc und Shonessi waren beide nackt, als sie Gerhard entkleideten.
„Shonessi, du bist wirklich wunderschön! Deine Figur ist traumhaft.“ Gerhard stellte das bewundernd und mit Respekt fest.
„Danke, Gerry. Ich hoffe, du verhältst dich jetzt nicht so wie Hartmut.“