Preußentum und Sozialismus. Oswald Spengler

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Preußentum und Sozialismus - Oswald Spengler Sachbücher bei Null Papier

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uns.

      Aus der Mas­se, die sich über den gan­zen Pla­ne­ten ver­brei­tet hat, son­dert sich, Ge­schich­te im tiefern Sin­ne, das Schau­spiel und Schick­sal der großen Kul­tu­ren ab. Sie lie­gen vor dem Auge des Be­trach­ters als For­men­wel­ten von gleich­ar­ti­gem Bau, mäch­ti­ges See­len­tum, das sicht­ba­re Ge­stalt ge­winnt, in­ners­tes Ge­heim­nis, das sich in le­ben­dig fort­schrei­ten­der Wirk­lich­keit aus­drückt.

      Ein un­ver­än­der­li­ches Ethos wirkt in ih­nen. Es prägt nicht nur je eine ganz be­stimm­te Art von Glau­ben, Den­ken, Füh­len, Tun, von Staat, Kunst und Le­bens­ord­nung, son­dern auch einen an­ti­ken, in­di­schen, chi­ne­si­schen, abend­län­di­schen Ty­pus »Mensch« von voll­kom­men eig­ner Hal­tung des Lei­bes und der See­le, ein­heit­lich in In­stinkt und Be­wusst­sein, Ras­se in geis­ti­gem Sin­ne, aus.

      Je­des die­ser Ge­bil­de ist in sich selbst vollen­det und un­ab­hän­gig. His­to­ri­sche Ein­wir­kun­gen, über de­ren dich­tem Ge­we­be die land­läu­fi­ge Ge­schichts­schrei­bung al­les an­de­re ver­gisst, haf­ten am Äu­ßer­lichs­ten; in­ner­lich blei­ben Kul­tu­ren, was sie sind. So blü­hen sie am Nil und Eu­phrat, Gan­ges, Ho­ang­ho und ägäi­schen Meer, in der se­mi­ti­schen Wüs­te und der nor­di­schen strom­rei­chen Ebe­ne auf, die Men­schen ih­rer Land­schaft zu Völ­kern her­an­züch­tend, die nicht Schöp­fer, son­dern Schöp­fun­gen die­ser Kul­tu­ren sin­d, un­ter­ein­an­der an Geist und Sinn ver­schie­den und sich lei­den­schaft­lich wi­der­stre­bend: Do­rer und Jo­ni­er, Hel­le­nen und Etrus­ko-Rö­mer – die Völ­ker der alt­chi­ne­si­schen Welt – Ger­ma­nen und Ro­ma­nen, Deut­sche und Eng­län­der, nach au­ßen aber und ei­ner frem­den Kul­tur ge­gen­über so­fort als Ein­heit wir­kend: der an­ti­ke, der chi­ne­si­sche, der abend­län­di­sche Mensch.

      Eine Idee ruht in der Tie­fe je­der Kul­tur, die sich in be­deu­tungs­schwe­ren Ur­wor­ten an­kün­det: das Tao und Li der Chi­ne­sen, der Lo­gos und das »Sei­en­de« der apol­li­ni­sche Grie­chen, Wil­le, Kraft, Raum in den Spra­chen des faus­ti­schen Men­schen, der sich vor al­len an­de­ren durch sei­nen un­er­sätt­li­chen Wil­len nach Unend­lich­keit aus­zeich­net, der mit dem Fern­rohr die Di­men­sio­nen des Wel­traums, mit Schie­nen und Dräh­ten die der Erd­ober­flä­che be­siegt, mit sei­nen Ma­schi­nen die Na­tur, mit sei­nem his­to­ri­schen Den­ken die Ver­gan­gen­heit, die er sei­nem eig­nen Da­sein als »Welt­ge­schich­te« ein­ord­net, mit sei­nen Fern­waf­fen den gan­zen Pla­ne­ten samt den Res­ten al­ler äl­te­ren Kul­tu­ren un­ter­wirft, de­nen er heu­te sei­ne eig­nen Da­seins­for­men auf­zwingt – wie lan­ge?

      Denn zu­letzt, nach ei­ner ab­ge­mes­se­nen Rei­he von Jahr­hun­der­ten, ver­wan­delt sich jede Kul­tur in Zi­vi­li­sa­ti­on. Was le­ben­dig war, wird starr und kalt. In­ne­re Wei­ten, See­len­räu­me wer­den er­setzt durch Aus­deh­nung im kör­per­haft Wirk­li­chen, das Le­ben im Sin­ne des Meis­ters Eckart wird zum Le­ben im Sin­ne der Na­tio­nal­öko­no­mie, Ge­walt der Ide­en wird Im­pe­ria­lis­mus. Letz­te, sehr ir­di­sche Idea­le brei­ten sich aus, rei­fe Stim­mun­gen mit der vol­len Er­fah­rung des Al­ters: von So­kra­tes, Laot­se, Rous­seau, Bud­dha an wen­det der Weg sich je­des Mal ab­wärts. Sie sind alle in­ner­lich ver­wandt, ohne ech­te Me­ta­phy­sik, Wort­füh­rer prak­ti­scher ab­schlie­ßen­der Wel­t­an­schau­ung und Le­bens­hal­tung, für die wir um­fas­sen­de Na­men wie Bud­dhis­mus, Stoi­zis­mus, So­zia­lis­mus be­sit­zen.

      Und so be­zeich­net So­zia­lis­mus in die­sem spä­ten Sin­ne, nicht als dunk­ler Ur­trieb, wie er sich im Stil go­ti­scher Dome, im Herr­scher­wil­len großer Kai­ser und Päps­te, in spa­ni­scher und eng­li­scher Grün­dung von Rei­chen aus­spricht, in de­nen die Son­ne nicht un­ter­geht, son­dern als po­li­ti­scher, so­zia­ler, wirt­schaft­li­cher In­stinkt rea­lis­tisch an­ge­leg­ter Völ­ker eine Stu­fe un­se­rer Zi­vi­li­sa­ti­on, nicht mehr uns­rer Kul­tur, die um 1800 zu Ende ging.

      Aber in die­sem nun ganz nach au­ßen ge­wand­ten In­stinkt lebt der alte faus­ti­sche Wil­le zur Macht, zum Unend­li­chen wei­ter in dem furcht­ba­ren Wil­len zur un­be­ding­ten Wel­t­herr­schaft im mi­li­tä­ri­schen, wirt­schaft­li­chen, in­tel­lek­tu­el­len Sin­ne, in der Tat­sa­che des Welt­krie­ges und der Idee der Wel­t­re­vo­lu­ti­on, in der Ent­schlos­sen­heit, durch die Mit­tel faus­ti­scher Tech­nik und Er­fin­dung das Ge­wim­mel der Mensch­heit zu ei­nem Gan­zen zu schwei­ßen. Und so ist der mo­der­ne Im­pe­ria­lis­mus auf den gan­zen Pla­ne­ten ge­rich­tet. Der ba­by­lo­ni­sche hat­te sich auf Vor­der­asi­en, der in­di­sche auf In­di­en be­schränkt, der an­ti­ke fand sei­ne Gren­zen in Bri­tan­ni­en, Me­so­po­ta­mi­en und der Sa­ha­ra, der chi­ne­si­sche am kas­pi­schen Meer. Wir ken­nen kei­ne Gren­ze. Wir ha­ben Ame­ri­ka durch eine neue Völ­ker­wan­de­rung zu ei­nem Teil West­eu­ro­pas ge­macht; wir ha­ben alle Erd­tei­le mit Städ­ten uns­res Ty­pus be­setzt, uns­rem Den­ken, uns­ren Le­bens­for­men un­ter­wor­fen. Es ist der höchs­te über­haupt er­reich­ba­re Aus­druck uns­res dy­na­mi­schen Welt­ge­fühls. Was wir glau­ben, sol­len alle glau­ben. Was wir wol­len, sol­len alle wol­len. Und da Le­ben für uns äu­ße­res Le­ben, po­li­ti­sches, so­zia­les, wirt­schaft­li­ches Le­ben ge­wor­den ist, so sol­len alle sich un­serm po­li­ti­schen, so­zia­len, wirt­schaft­li­chen Ide­al fü­gen oder zu­grun­de ge­hen.

      Dies im­mer kla­rer wer­den­de Be­wusst­sein habe ich mo­der­nen So­zia­lis­mus ge­nannt. Es ist das Ge­mein­sa­me in uns. Es wirkt in je­dem Men­schen von War­schau bis San Fran­zis­ko, es zwingt je­des uns­rer Völ­ker in den Bann sei­ner Ge­stal­tungs­kraft.

      Aber auch nur uns. An­ti­ken, chi­ne­si­schen, rus­si­schen So­zia­lis­mus in die­sem Sin­ne gibt es nicht.

      Im In­nern die­ses mäch­ti­gen Ge­samt­be­wusst­seins aber herr­schen Feind­schaft und Wi­der­spruch. Denn die See­le je­der ein­zel­nen Kul­tur lei­det an ei­nem ein­zi­gen, aber un­heil­ba­ren Zwie­spalt. Die Ge­schich­te je­der Kul­tur ist ein nie be­en­de­ter Kampf zwi­schen Völ­kern, zwi­schen Klas­sen, zwi­schen Ein­zel­nen, zwi­schen den Ei­gen­schaf­ten ei­nes ein­zel­nen – im­mer um ein und die­sel­be schwe­re Fra­ge. Ein Ge­gen­sinn regt sich, so­bald eine Schöp­fung ans Licht tritt. Seit Nietz­sche ken­nen wir den großen, in im­mer neu­er Ge­stalt fort­wir­ken­den Ge­gen­satz im an­ti­ken Da­sein: Apol­lo und Dio­ny­sos, Stoa und Epi­kur, Spar­ta und Athen, Se­nat und Plebs, Tri­bu­nat und Pa­tri­zi­at. Bei Can­nä stand in Han­ni­bal der epi­kuräi­sche Hel­le­nis­mus dem sto­isch-se­na­to­ri­schen Rom ge­gen­über. Bei Phil­ip­pi er­lag dies spar­ta­ni­sche Ele­ment Roms dem athe­ni­schen der Cäsa­ren. Und noch im Mut­ter­mor­de Ne­ros tri­um­phier­te der dio­ny­si­sche Geist des »pa­nem et cir­cen­ses« über die apol­li­ni­sche Stren­ge der rö­mi­schen Ma­tro­ne. In der chi­ne­si­schen Welt knüp­fen sich die Ge­gen­sät­ze al­ler Epo­chen, in Le­ben und Den­ken, Schlach­ten und Bü­chern an die Na­men Kon­fu­zi­us und Laot­se und die un­über­setz­ba­ren Be­grif­fe des Li und Tao. Und eben­so ist es ein und der­sel­be Zwist in der faus­ti­schen See­le, der in Go­tik und Re­naissance, Pots­dam und Ver­sail­les,

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