Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane. Pete Hackett
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Greg spürte die Erschöpfung wie mit Bleigewichten an seinen Gliedern. Schmerzwellen strahlten von der Pfeilwunde in seiner linken Schulter durch seinen ganzen Körper. Er hatte das Gefühl, jeden Augenblick vom Pferd zu stürzen. Doch er biss die Zähne zusammen und trieb seinen Gaul die Straße entlang. Erst wenn er Lee Torrence gestellt hatte, würde alles zu Ende sein. Erst dann konnte er sich Ruhe gönnen. Der Gedanke, dass er diese Aufgabe anderen Leuten überlassen konnte, kam ihm gar nicht.
Straßenabwärts sah er einen Reiter vor der hohen bemalten Fassade eines Saloons anhalten. Ein Strom neuer Energie durchflutete ihn, als er den ehemaligen Vormann der Lockwood Crew erkannte. Er trieb sein Pferd noch schneller voran.
Torrence stieg ruhig aus dem Sattel und schlang die Zügel um den glattgescheuerten Haltebalken. Er musste die
Hufschläge des näherkommenden Reiters zwar hören, achtete aber nicht darauf. Er war sich seiner Sache zu sicher! Ohne den Kopf zu wenden, stieg er die Verandastufen zum Salooneingang hinauf.
Greg war auf zehn Yard an den Saloon herangekommen. Er richtete sich in den Steigbügeln auf und schrie heiser durch das Pochen der Pferdehufe: „Torrence!“
Der Verbrecher stockte auf der obersten Stufe. Sein Oberkörper machte eine schnelle halbe Drehung. Als sein Blick auf den heranfegenden Reiter fiel, erstarrte er.
„Torrence“, rief Greg, „bevor du dir einen Drink genehmigst, musst du dich mit mir befassen!“
Er drosselte das Tempo des schweißbedeckten Pferdes und wartete darauf, dass der Bandit den Revolver ziehen würde.
Ein Zucken durchlief Torrences hagere Gestalt. Mit einem hastigen Sprung schnellte er auf die halbhohen Pendeltüren des Saloons zu. Greg zögerte, nach dem Colt zu greifen. Und schon war Torrence im Lokal verschwunden.
Greg hielt sein Pferd an und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Wieder spürte er diese mächtige Müdigkeit. Der Gedanke, dass er sich vielleicht zu viel vorgenommen hatte, schoss ihm durch den Kopf. Aber er drängte diese Überlegung zurück.
Er trat von seinem Pferd weg in die Straßenmitte. Gleißendes Sonnenlicht umspülte ihn. Zerlumpt, verstaubt und bärtig stand er da, die Beine gespreizt, die Rechte niedrig über dem tiefgeschnallten Colt und die Augen funkelnd auf den Eingang des Saloons gerichtet.
„Komm heraus, Torrence! Du kennst mich doch gut genug, um zu wissen, dass du mich nicht abschütteln kannst!“
Drinnen blieb es still. Und die Schwäche in Greg breitete sich immer mehr aus. Das Verlangen nach Ruhe, Schatten und Stille steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Es kostete ihn Mühe, die Wachsamkeit nicht zu verlieren.
„Torrence!“, rief er nochmals. „Was du auch unternimmst – dein Spiel ist aus! Von der ganzen Bande bist nur du noch übrig. Also, komm endlich!“
Die Schwingtüren knarrten. Langsam schob sich die hagere Gestalt des Verbrechers in den Schatten unter dem Verandadach. Torrences Faust lag zum Ziehen bereit hinter dem Revolverkolben. Prickelnde Spannung hing in der Luft.
Eine Weile starrten die beiden Männer einander schweigend an.
Dann murmelte Torrence heiser: „Du hast allerhand erreicht, Williams, wie? Aber nun wirst du dafür bezahlen – mit deinem Leben!“
Greg sagte leise: „Wir sind gleich schnell, Torrence! Du solltest dir nicht zu sicher sein! Hör zu, Torrence, ich will deinen Tod nicht! Wenn du deinen Gurt abschnallst, werde ich dich zum Marshal bringen. Dann soll ein ordentliches Gericht über dein Schicksal entscheiden!“
Torrences verkniffene Mundwinkel verzogen sich hämisch.
„Du Narr!“, keuchte er wild. „Meinst du, ich würde dir gegenübertreten, wenn ich mir nicht absolut sicher wäre?“
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da sprangen hinter ihm zwei Männer aus dem Saloon. Und als Greg sie erkannte, glaubte er sekundenlang, keine Luft mehr zu bekommen.
*
Da droben auf der Saloonveranda standen Jim Kinross und der bärtige Tom Frazer neben Torrence. Kinross’ helle Augen glitzerten in heißem Triumph.
„Es hat sich also doch gelohnt, dass Tom und ich nicht aufgaben!“, rief er gepresst. „Torrence hatte Glück, dass er gerade in diesen Saloon kam, in dem wir uns aufhielten! Williams, glaubst du immer noch, dass diese Sache gut für dich enden wird?“
Greg wollte etwas sagen. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Ehe er ein Wort hervorbrachte, schrie Torrence wild: „Genug gesprochen! Williams, da hast du es!“
Greg sah die Waffe des Verbrechers aus dem Holster fliegen und zog ebenfalls.
Das Krachen der Schüsse rollte die leere sonnenbestrahlte Straße entlang. Einen Sekundenbruchteil hatte Greg früher geschossen. Torrence kippte vornüber die Verandastufen hinab.
Dann sah Greg, dass die Revolver von Kinross und Frazer auf ihn angeschlagen waren. Er warf sich auf die Knie. Über ihm sirrte es scharf. Pulverrauch wehte über der Saloonveranda.
Greg feuerte wie rasend, hörte einen rauen Schrei, sah wehenden Staub und Pulverrauch, sprang hoch und wurde sich plötzlich bewusst, dass auf der Saloonveranda kein Schuss mehr fiel.
Er wollte auf das Gebäude zugehen, doch in seinen Beinen war plötzlich keine Kraft mehr. Der Boden unter seinen Stiefeln schien zu wanken. Langsam und bedrohlich neigte sich die hohe Saloonfassade nach vorne – direkt auf ihn zu. Dann lag er ausgestreckt im Sand und wusste von nichts mehr.
*
Als Greg langsam aus seiner Benommenheit erwachte, spürte er den Druck einer schmalen kühlen Hand an den Schläfen. Er schlug die Augen auf, und über ihm, vor dem klaren Blau des Sommerhimmels und den Dächern von Dodge City, war Mary Lockwoods Gesicht.
„Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Williams. Mike holt den Doc. Er wird gleich hier sein.“
„Was ist …“
„Es ist nur Ihre Pfeilwunde. Sie ist aufgebrochen. Keine Kugel hat Sie getroffen.“
„Die Banditen?“, murmelte Greg schwach.
„Sie haben sie besiegt, ganz allein! Torrence ist tot. Kinross und Frazer wurden eben verhaftet. Sie sind beide nur leicht verwundet.“
„Mary!“, keuchte Greg, und sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung. „Sie müssen mich sofort aus der Stadt bringen! Ich bin …“
„Sie denken an Ihren Steckbrief? Keine Sorge mehr, Williams. Kinross und Frazer haben dem Marshal bereits gestanden, dass Sie in Wirklichkeit unschuldig sind, dass unten in Big Bend falsche Zeugenaussagen Sie auf die Flucht trieben. Williams, hören Sie, Sie sind kein Gehetzter mehr.“
Greg horchte ihren Worten nach, und eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus. Er schloss die Augen. Da hörte er Mary stockend sagen: „Es gibt da noch etwas …“
Er blickte rasch hoch. „Was denn?“ Zarte Röte übergoss Marys Wangen. Ihre grauen Augen glänzten.
„Erinnern Sie sich an jene Stampede am Red River, Greg? Ich glaube, ich habe