Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis - Alfred Bekker страница 11
„Sie haben mir sehr geholfen, doch jetzt habe ich Ihre Zeit lange genug in Anspruch genommen. Ach, eine Frage noch. Kann jemand das Gebäude betreten, ohne gesehen zu werden?“
Stolte hob die Schultern. „Man muss sich nicht anmelden. Die Rezeption ist meistens nicht besetzt. Sie kennen doch den Personalmangel in diesen Bereichen.“
Winkels verabschiedete sich, ging den Gang hinunter und nahm die Treppe in das Foyer. Er war noch nicht ganz unten, als Uwe Dröver hereinstürmte, gefolgt von zwei Leuten in den weißen Overalls der Spurensicherung.
Er blieb wie vom Blitz getroffen stehen, und sein Unterkiefer klappte herunter.
„Moin, Tjade!“
„Moin, moin.“
„Was machst du denn hier?“
Drövers Stimme klang schriller als sonst.
„Ich habe einen alten Freund besucht“, entgegnete Winkels ungerührt.
Dröver starrte ihn lange an. „Du gehst jetzt besser!“
Sein Nachfolger marschierte zur Rückfront des Gebäudes und verschwand durch die Tür nach draußen.
Winkels blickte ihm nach, und auf seinem Gesicht wurde allmählich ein immer breiter werdendes Grinsen sichtbar.
Er beschloss, vorerst keine weiteren Gespräche in der Seniorenresidenz zu führen. Es war besser, seinen Nachfolger nicht übermäßig zu reizen. Also würde er die anderen Mitglieder dieser ominösen Gruppe zu einem späteren Zeitpunkt besuchen. Er war sicher, mit seinen Informationen schon einen gewissen Vorsprung zu besitzen.
Dann schnippte er mit den Fingern.
Walter Köhler lag in der Klinik. Mit ihm würde er reden können, ohne dass Dröver Wind davon bekam. Falls er überhaupt von der Existenz der Gruppe erfuhr, die bereits um ein Drittel geschrumpft war.
Tjade Winkels gab eine Menge auf seine Erfahrung und auf seine Gefühle. Und die sagten ihm, dass sich hinter dieser kleinen Rentnergruppe ein Geheimnis verbarg. Ein Geheimnis, das für zwei Todesfälle verantwortlich war.
*
Harms Bellen hörte er schon von der Straße. Winkels wusste nicht, ob sein Hund ihn roch oder ob er seine Schritte identifizieren konnte, als er auf dem Plattenweg zur Haustür ging. Sein Auto hatte er auf der Straße geparkt. Hier gab es genügend Platz. Er besaß zwar eine Garage auf seinem Grundstück, war aber zu faul gewesen, erst auszusteigen und das Gartentor zu öffnen.
Im Briefkasten befanden sich nur die Zeitung und zwei Werbebriefe.
Harm begrüßte ihn stürmisch und sprang an ihm hoch. Er wusste genau, dass es jetzt Futter gab und danach einen Spaziergang.
„Moin, Harm“, sagte Winkels.
Und Harm antwortet mit einem Bellen.
„Ich muss dir eine seltsame Geschichte erzählen, Harm.“
Der Hund bellte.
„Ein neuer Fall. Was? Interesssiert dich nicht?“
Harm bellte nochmal.
„Jau, du kriegst erstmal Futter.“
Harm wedelte mit dem Schwanz.
Tjade Winkels öffnete mit einem Ruck an dem Metallring die Dose mit Rindfleisch und schüttete ihren Inhalt in den Napf. Anschließend füllte er den Wassernapf auf. Während Harm seine Mahlzeit beäugte, zog Tjade den Plastikdeckel eines Fertiggerichts ab, das für ihn selbst gedacht war.
Es hatte eine merkwürdige Farbe.
Harm hob im gleichen Moment den Kopf, und sie blickten sich in die Augen.
„Wollen wir tauschen?“ fragte Tjade.
Der Hund sah ihn aufmerksam an, als würde er überlegen, ob er diese Möglichkeit in Betracht ziehen sollte. Dann beugte er sich wieder über seinen Napf.
„Du hast recht“, sagte Winkels mit einem Seufzer und warf die Packung in den Mülleimer. Ein belegtes Brot würde es auch tun.
Sein Blick streifte durch den Raum. Früher hatte seine Frau ihm das Abendessen zubereitet, und sie hatten besprochen, wie ihr Tag verlaufen war. Jetzt war die Küche leer, seit der Scheidung. Ein paar flüchtige Affären waren nur ein schwacher Ersatz für die Zeit seiner Ehe.
Er seufzte. Es hatte keinen Sinn, sich Gedanken über das Vergangene zu machen. Vorbei war vorbei.
Er ließ sich in seinen Sessel plumpsen und griff nach der mitgebrachten Zeitung. Ein tödlicher Leitersturz wurde ohne Namensnennung des Betroffenen erwähnt, doch von einem vermutlichen Mord war nicht die Rede.
Die Polizei wollte einen möglichen Täter in Sicherheit wiegen, solange die ersten Untersuchungen andauerten. Die Ergebnisse der Autopsie würden vermutlich auch erst am nächsten Tag vorliegen.
Tjade sah auf seine Uhr. Für den Besuch im Krankenhaus war es noch nicht zu spät, aber er hatte eigentlich keine Lust, noch einmal das Haus zu verlassen, nachdem er den Hund ausgeführt hatte. Er stemmte sich wieder hoch, griff nach der Hundeleine und befestigte sie an Harms Halsband.
„Du glaubst doch auch, dass es sich um Mord handelt, oder?“
Harm wedelte einmal mit dem Schwanz.
„Und dass es mit dieser Rentnertruppe zu tun hat, ist ja wohl auch offensichtlich, nicht wahr?“
Harm sah ihn aufmerksam an und setzte sich wieder. Der Schwanz klopfte einmal auf den Boden,
„Dann sind wir uns ja einig“, sagte Winkels und öffnete die Tür.
*
Der Mann trug schwarze Kleidung. Das war seine Lieblingsfarbe. Er stand bewegungslos am Rand der Wallinghausener Straße und starrte zu dem riesigen Klinik-Komplex hinüber.
Herauszufinden, wo sich sein nächstes Opfer aufhielt, war nicht besonders schwer gewesen. Ein Anruf im Altenheim hatte ihm alles gesagt, was er wissen wollte. Die Dame in der Verwaltung hatte noch nicht einmal gefragt, wer er überhaupt war und weshalb er Walter Köhlers Aufenthaltsort wissen wollte.
Das war also die Ubbo-Emmius-Klinik. Er war noch nie hier gewesen.
Er grinste. Krankenhäuser waren für etwas für Alte und Gebrechliche.
Entschlossen überquerte er die Straße.
Trotz des frühen Abends herrschte noch viel Betrieb, auch wenn die normale Besuchszeit sicher schon vorbei war. Viele Fenster waren erleuchtet. Krankenwagen fuhren vor, weißgekleidetes Personal eilte hin und her.
Die