Gesammelte Werke von Xenophon. Xenophon
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Als er von seinem Vater als Satrap von Lydien, Großphrygien und Kappadocien und als Oberbefehlshaber aller der Truppen, die sich in der Ebene bei Kastolos zur Musterung versammeln müssen, abgeschickt war, zeigte er zuvörderst, daß er für die heiligste Pflicht hielte, Bündnisse, Verträge und Zusagen genau zu erfüllen. Daher besaß er auch das Zutrauen der ihm anvertrauten Städte und einzelner Menschen, ja sogar Feinde besorgten nichts von ihm, wenn er einmal den Vertrag geschlossen hatte. In dem Kriege gegen Tissaphernes traten deswegen alle Städte auf Cyrus' Seite, die Milesier ausgenommen; denn diese fürchteten sich vor ihm, weil er die Sache der Vertriebenen nicht aufgeben wollte. Hier erklärte er und bestätigte es mit der That, daß er sie, da er nun einmal ihr Freund sei, nie verlassen würde, und wenn ihre Anzahl auch noch geringer und ihre Lage noch schlimmer wäre. Sowol dem, der ihm Gutes erwiesen, als dem, der ihn beleidigt hatte, suchte er es, wie man deutlich sehen konnte, zuvorzuthun; und er äußerte einmal, wie man erzählt, den Wunsch, so lange zu leben, bis er Freunde und Feinde durch Wiedervergeltung übertroffen hätte. In unserer Zeit ist er daher auch wol der einzige Mann, dem so viele Menschen Schätze, Städte und ihre eignen Personen anvertrauten. Doch ließ er auch im Gegentheil, wie Jeder eingestehen muß, von schlechten und ungerechten Leuten seiner nicht spotten, sondern ahndete ihre Vergehungen aufs Schärfste. An den Landstraßen hatte man daher oft den Anblick von Menschen, die der Hände, der Füße oder der Augen beraubt waren:24 dies bewirkte aber auch eine solche Sicherheit in seinem Gebiete, daß Jeder, Grieche oder Nichtgrieche, wenn er selbst nichts Böses that, mit Hab' und Gut ohne Furcht reisen konnte, wohin er wollte. Männer von Tapferkeit zeichnete er, wie ja auch allgemein bekannt, ganz vorzüglich aus. Sein erster Feldzug ging gegen die Pisidier und Mysier, und da er ihm persönlich beiwohnte und somit Gelegenheit hatte, diejenigen, die zu kühnen Unternehmungen Muth zeigten, zu bemerken, so machte er diese entweder zu Statthaltern über die eroberten Landschaften oder zeichnete sie durch andere Gnadenbezeigungen aus. Das Glück nun, welches tapfere Männer so bei ihm machten, und die Geringschätzung, mit der Feige ihnen untergeordnet wurden, ließen es ihm nie an einer Menge von Leuten fehlen, die sich da, wo sie vom Cyrus bemerkt zu werden glaubten, gefahrvollen Unternehmungen willig unterzogen. Lernte er einen Mann kennen, der sich durch Handlungen der Gerechtigkeit hervorzuthun strebte, so war es sein angelegentliches Geschäft, ihn in Rücksicht des Vermögens über diejenigen zu erheben, die sich durch ungerechte Mittel zu bereichern suchten. Deshalb hatte er außer dem Vortheile, daß viele andere Personen, mit denen er in Beziehungen stand, ihre Pflichten gegen ihn rechtschaffen erfüllten, auch noch den, eine Armee zu besitzen, auf die er sich verlassen konnte. Denn hohe und niedere Offiziere kamen zu ihm, um in seine Dienste zu treten, nicht sowol des Geldes wegen, als weil sie die Gelegenheit, dem Cyrus mit Ehre zu dienen, für einen größern Vortheil hielten, als den monatlichen Sold. Doch er ließ auch den Diensteifer, den man bei Ausführung seiner Befehle bewies, gewiß nie unbelohnt, und hatte daher, wie man sagt, zu jedem Geschäfte die willigsten und thätigsten Leute. Wenn er bemerkte, daß Jemand durch rechtmäßige Mittel seinen Wohlstand vermehrte und das Gebiet, über das er gesetzt war, durch gute Anstalten einträglicher machte, so war er so weit entfernt, ihm etwas zu entziehen, daß er ihm vielmehr noch neue Vortheile zuwandte. Dies machte Lust zur Arbeit, mit Zuversicht verbesserte man seinen Erwerb und dachte gar nicht daran, ihn vor dem Cyrus zu verbergen: denn man sah, daß er, ohne Neid gegen die offenherzigen Reichen, nur denjenigen die Flügel zu beschneiden suchte, die ihren Reichthum verbargen. Personen, die er zu seinen Freunden wählte, und die mit dem Wohlwollen gegen ihn auch Talente verbanden, die er zu seinen etwaigen Unternehmungen benutzen zu können glaubte, suchte er, wie man einmüthig zugibt, auf alle mögliche Art gefällig zu werden. Denn aus eben dem Grunde, aus dem er selbst Freunde zu bedürfen glaubte, nämlich um Gehilfen zu haben, suchte er auch seinen Freunden zur Befriedigung der Wünsche, die er bei ihnen bemerkte, auf alle Art behilflich zu sein.
Geschenke bekam wol, wie ich glaube, Niemand so viel, als er, wozu der Veranlassungen gar viele waren; doch er vertheilte sie alle meist unter seine Freunde und nahm dabei auf den Charakter und das Bedürfniß eines Jeden Rücksicht. Bekam er ein Geschenk, das zum Waffenschmuck oder Kleiderputz dienen sollte, so äußerte er darüber: die schönen Sachen da könnte er doch nicht alle zu seiner Zierde allein brauchen; der größte Schmuck eines Mannes sei, seine Freunde zu schmücken. Das Bewunderungswürdige dabei lag nicht sowol in der Größe der Wohlthaten, die er seinen Freunden erwies, denn er war unter ihnen der Mächtigere; als darin, daß er sie, in Rücksicht der Sorgfalt für sie und des Eifers, ihnen gefällig zu sein, übertraf. Denn oft schickte er ihnen halbe Fäßchen Wein, wenn er eine besonders feine Sorte bekommen hatte; mit der Bemerkung, seit langer Zeit habe er keinen so lieblichen Wein erhalten, verband er die Bitte an den Empfänger, denselben heute mit seinen besten Freunden auszutrinken. Oft schickte er auch eine halbe Gans, ein halbes Brod und dergleichen, wobei er durch den Ueberbringer sagen ließ: »Dein Cyrus, dem es wohl geschmeckt hat, wünscht den Genuß mit dir zu theilen.« Wenn ein starker Mangel an Futter eintrat, was bei ihm selbst wegen seiner vorsichtigen Sorgfalt und wegen der Menge von Leuten, die er hatte, nie der Fall war, so schickte er seinen Freunden einiges Futter für ihre Reitpferde, damit diese, wie er hinzusetzte, bei dem Geschäfte, seine Freunde zu tragen, nicht zu hungern brauchten. Auf Reisen, wo er erwarten konnte, von Vielen beobachtet zu werden, rief er seine Freunde herbei und ließ sich mit ihnen in ernsthafte Unterredungen ein, um seine Hochachtung für sie öffentlich zu zeigen. Demzufolge, was ich gehört habe, glaube ich, daß Niemand, weder unter Griechen noch Barbaren, die Liebe so Vieler besessen, als er. Einen Beweis dafür gibt auch folgender Umstand. Von ihm, als er noch Vasall war, fiel Keiner zum Könige ab, – man müßte uns denn hier den Versuch des Orontes entgegen stellen; doch selbst dieser, den der König schon für seinen Anhänger hielt, äußerte bald genug, daß er dem Cyrus gewogener sei, als ihm. Von dem Könige aber gingen Viele und zwar gerade die Lieblinge desselben, als die Feindseligkeiten unter Beiden ausbrachen, zum Cyrus über, in der Hoffnung, von ihm für ihr Wohlverhalten würdiger belohnt zu werden, als vom Könige. Daß er, selbst ein Mann von gutem Charakter, auch sehr wohl zu beurtheilen wußte, wer unter seinen Leuten ihm treu und ergeben war, dafür spricht das, was sich bei seinem Tode zutrug, laut genug. Denn, als er fiel, wurden alle seine Freunde und Tischgenossen im Kampfe über ihn hingestreckt, Ariäus ausgenommen. Dieser commandirte die Reiterei auf dem linken Flügel und erfuhr nicht sobald den Fall des Cyrus als er mit der ganzen Armee, die er führte, die Flucht ergriff.
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Hierauf wurden dem Cyrus der Kopf und die rechte Hand abgehauen. Der König stieß mit seinen Truppen im Nachsetzen auf das Lager des Cyrus; Ariäus aber hielt mit seinem Heere nicht mehr Stand, sondern floh durch das Lager dem Standorte zu, von wo er ausmarschirt war, einen Weg, der Beschreibung nach, von vier Parasangen. Der König bemächtigte sich nebst vieler andrer Beute, die seine Truppen machten, auch einer Beischläferin des Cyrus, einer Phocäerin, eines schönen und klugen Weibes. Eine andere jüngere Maitresse aus Milet, entfloh den Persern, die sie schon gefangen genommen hatten, ganz nackt, unter dem Schutze der Griechen,