Gesammelte Werke von Xenophon. Xenophon
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Endlich wurden die Griechen gewahr, daß der König das Lager plünderte, und der König erhielt vom Tissaphernes die Nachricht, daß die Griechen über den linken Flügel siegten und die Verfolgung desselben immer weiter trieben. Sofort sammelte der König seine Leute und stellte sie in Schlachtordnung; Klearch aber ließ den Proxenus, der ihm am nächsten war, rufen und berathschlagte mit ihm, ob man nur mit einer Abtheilung, oder mit der ganzen Macht dem Lager zu Hilfe kommen sollte.
Indessen sah man den König wieder anrücken und zwar, wie es schien, gegen das Hintertreffen; man machte also Front gegen ihn und hielt sich fertig, ihn auch auf dieser Seite zu empfangen. Doch der König nahm diese Richtung nicht, sondern auf eben dem Wege, auf welchem er jenseits der linken Flanke des Heeres von Cyrus vorgerückt war, zog er sich wieder zurück, nachdem er vorher diejenigen, die in der Schlacht zu den Griechen übergelaufen waren, nebst dem Tissaphernes mit seinem Corps, an sich gezogen hatte. Denn Tissaphernes war bei dem ersten Angriff nicht geflohen, sondern neben dem Flusse auf die griechischen Peltasten eingedrungen, doch die Griechen verloren dabei keinen Mann; sie öffneten ihre Reihen und griffen den Feind in der Nähe und aus der Ferne mit Wursfpießen an. Episthenes, aus Amphipolis, ein einsichtsvoller Kriegsmann, commandirte sie. Tissaphernes, der sich hierher zurückziehen mußte, kam in das griechische Lager; hier traf er den König an, und so marschirten sie, nachdem sie sich vereinigt hatten, in Schlachtordnung ab. Da ihre Richtung den linken Flügel der Griechen bedrohte, so fürchteten diese, zugleich in der Flanke und im Rücken angegriffen zu werden, und hielten daher für rathsam, diesen Flügel auszudehnen und so aufzustellen, daß er den Fluß im Rücken hätte.
Indem sie so darüber berathschlagten, machte der König schon Front gegen die Griechen, und zwar in derselben Stellung, in welcher er den ersten Angriff gethan hatte. Als die Griechen den Feind zum Schlagen fertig und schon in der Nähe sahen, begannen sie wieder den Schlachtgesang und marschirten noch weit muthiger als das erste Mal auf ihn los. Er aber erwartete den Angriff nicht, sondern in noch größerem Abstande, als das erste Mal, ergriff er schon die Flucht; die Griechen verfolgten ihn bis zu einem Dorfe, wo sie Halt machten; denn jenseit des Dorfes war ein Hügel, wo sich die königliche Schaar sammelte. Sie bestand aus lauter Reiterei und bedeckte die Anhöhe, so daß man nicht wissen konnte, was hinten vorging. Einige erblickten auch, wie sie versicherten, das königliche Panier, einen goldnen Adler auf einem Schafte.
Als sie endlich auch hier vorrückten, verließ das Cavalleriecorps den Hügel, und zwar nicht geschlossen, sondern zerstreut, so daß er nach und nach ganz von ihnen geräumt wurde. Klearch aber rückte nicht hinauf, sondern ließ unten die Truppen halten und schickte den Syrakusier Lycius nebst einem Andern auf die Anhöhe, um zu sehen, was da hinten vorginge. Lycius brachte die Nachricht herunter, daß sich die Feinde ganz der Flucht überließen. Dies geschah kurz vor Untergang der Sonne.
Nun blieben die Griechen hier stehen, legten die Waffen nieder und ruhten aus. Indessen wunderten sie sich, daß sich weder Cyrus noch irgend Jemand von seiner Begleitung blicken ließ: denn seinen Fall wußte keiner, sondern sie vermutheten, daß er entweder der Verfolgung oder einer andern zufälligen Ursache wegen weiter vorwärts gerückt sei. Ihrerseits überlegten sie also, ob es besser wäre, hier zu bleiben und die Bagage nachkommen zu lassen, oder ins Lager zurückzumarschiren. Sie wählten das Letztere und kamen um die Stunde der Abendmahlzeit zu den Zelten, und so wurde dieser Tag beschlossen. Hier fanden sie nun, außer dem größten Theile der übrigen Bagage, auch alle Eßwaaren und Getränke geplündert.
Die Mehl- und Weinwagen, deren Anzahl man auf vierhundert bestimmt, und die Cyrus im Fall eines starken Mangels im Lager zusammengebracht hatte, um sie unter die Griechen zu vertheilen, waren sämmtlich den Königlichen in die Hände gefallen. Die meisten Griechen, die überhaupt noch nicht zu Mittag gegessen hatten, weil sich der König schon vorher sehen ließ, mußten also diese Nacht auch ohne Abendbrod zubringen.
Band 2
1.
Wie Cyrus, im Begriff seinen Bruder Artaxerxes zu bekriegen, das griechische Heer zusammenzog, die Geschichte des Marsches, die Begebenheiten der Schlacht, der Fall des Cyrus, wie ferner die Griechen, in dem Wahne, der Sieg sei allgemein und Cyrus noch am Leben, nach ihrem Rückmarsch ins Lager ausruhten, dies Alles bildete den Inhalt des vorigen Buches.
Als nun mit Tagesanbruch die Heerführer zusammen kamen, wunderten sie sich, daß Cyrus weder selbst erschien, noch einen Boten mit Verhaltungsbefehlen abschickte. Sie beschlossen daher, sich zu rüsten und mit dem Ueberreste des Gepäcks vorzurücken, um sich mit Cyrus zu vereinigen. Schon waren sie im Aufbruch begriffen, und eben stieg die Sonne empor, als Prokles, Archon von Theutrania,25 ein Nachkomme des Lacedämoniers Damaratus und Glus, des Tamus Sohn ankamen. Diese brachten die Nachricht: Cyrus sei geblieben und Ariäus habe sich mit seinen Truppen auf den Lagerplatz zurückgezogen, von dem die Armee am Tage vorher abmarschirt war. Zugleich meldeten sie des Ariäus Entschluß, diesen Tag auf sie zu warten, für den Fall, daß sie sich etwa mit ihm vereinigen wollten; am folgenden Tage sei er aber gesonnen, den Rückmarsch nach Ionien anzutreten. Diese Nachricht machte auf die Feldherrn und das ganze Heer den tiefschmerzlichsten Eindruck. Klearch nahm das Wort: »Weh, daß Cyrus nicht mehr lebt! Doch ist er nun todt, dann sagt dem Ariäus, daß wir den König besiegt haben, und daß, wie ihr seht, Niemand mehr gegen uns kämpft, und kamet ihr jetzo nicht, so ging unser Marsch weiter gegen den König. Sagt dem Ariäus, wir wollten ihn, wenn er zu uns stieße, auf den königlichen Thron setzen, denn wer die Schlacht gewann, ist auch zu herrschen berechtigt.« Mit diesem Auftrage entließ er die Gesandten und schickte mit ihnen den Lacedämonier Chirisophus und den Thessalier Menon, der, als Freund und Gastgenosse des Ariäus, selbst mitzugehen wünschte. Sie gingen und Klearch blieb.
Die Truppen beköstigten sich nun, so gut es die Umstände erlaubten, indem sie von dem Zugvieh Ochsen und Esel schlachteten. Zur Feuerung holten sie sich vom Wahlplatze, eine kleine Strecke vor der Front, Pfeile, deren eine große Menge vorhanden war, – die königlichen Ueberläufer hatten die ihrigen, auf Geheiß der Griechen, wegwerfen müssen, – geflochtene Schilde, hölzerne ägyptische Schilde, auch viele Tartschen und Wagen, denen das Vorgespann fehlte; dies Alles benutzten sie, um sich für diesen Tag ihre Speisen dabei zu kochen.
Mittags nun kamen Herolde vom Könige und Tissaphernes, von denen nur einer, Phalynus, ein Grieche war. Dieser hielt sich beim Tissaphernes auf und stand in großem Ansehen, denn