Gesammelte Werke von Xenophon. Xenophon
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Von hier aus legten sie in vier Märschen zwanzig Parasangen zurück und kamen zum Physkus; dieser Fluß war ein Plethrum breit und trug eine Brücke. An ihm liegt Opis, eine große Stadt. Hier begegnete den Griechen der uneheliche Bruder des Cyrus und Artaxerxes, der von Susa und Ekbatana aus dem Könige ein starkes Hilfscorps zuführte. Er ließ seine Truppen Halt machen und sah sich den Vorbeimarsch der Griechen an. Klearch ließ die Armee in einer Colonne, die Compagnie zwei Mann hoch, marschiren und von Zeit zu Zeit halten; so lange nun das Vordertreffen hielt, so lange mußte nothwendig der Stillstand durch das ganze Heer dauern. Dies gab der Armee selbst in den Augen der Griechen das Ansehen einer außerordentlichen Größe und setzte den zuschauenden Perser in Erstaunen. Hierauf setzten sie ihren Zug durch Medien fort und legten in sechs Märschen durch wüste Gegenden dreißig Parasangen zurück bis zu den Dörfern der Parysatis, der Mutter des Cyrus und des Königs. Diese Ortschaften überließ Tissaphernes, um das Andenken des Cyrus zu schmähen, den Griechen zur Plünderung. Sklaven nur durften sie nicht mitnehmen, sonst aber erbeuteten sie hier viel Getreide, Vieh und andere Sachen. Von hier aus zogen sie, den Tigris zur Linken, in fünf Märschen durch Wüsteneien zwanzig Parasangen fort. Auf dem ersten Marsche brachten die Einwohner von Cänä, einer großen und blühenden Stadt jenseit des Flusses, auf ledernen Fahrzeugen Brod, Käse und Wein herüber.
5.
Sie rückten weiter und kamen an den Zabatus,28 einen vier Plethren breiten Strom und rasteten drei Tage daselbst. Während dieser Zeit beobachtete man sich wieder argwöhnisch, wiewol man keine Nachstellungen entdecken konnte. Klearch hielt es daher für gut, sich mit Tissaphernes darüber zu besprechen und womöglich dem Verdachte ein Ende zu machen, ehe er in Feindseligkeiten ausbräche. Er ließ ihm seinen Wunsch nach einer Zusammenkunft eröffnen und Tissaphernes nahm sie an. Bei dieser sprach Klearch:
»Trotz des Eidschwurs, der uns, Tissaphernes, gegenseitig verpflichtet, einander keinen Schaden zu thun, bemerke ich doch, daß du uns wie Feinde beobachtest, und bei Wahrnehmung deines Argwohns brauche ich natürlich eine gleiche Vorsicht gegen dich. Da ich aber bei aller Aufmerksamkeit keine feindliche Veranstaltung deinerseits bemerken kann und überzeugt bin, daß auch wir keine bösen Absichten hegen, so habe ich es für dienlich gehalten, mit dir darüber zu sprechen, um womöglich das Mißtrauen unter uns zu heben. Denn es ist mir aus der Erfahrung bekannt, daß Menschen durch Verleumdung oder bloßen Verdacht gereizt, ihren vermeinten Gegnern, die vielleicht gar nicht Böses vermuthen oder beabsichtigen, zuvorzukommen suchen und oft unersetzlichen Schaden zufügen. Da ich nun glaube, daß dergleichen Mißverständnisse am Besten durch eine mündliche Erklärung gehoben werden können, so komme ich her, um dir zu beweisen, daß dein Mißtrauen gegen uns keinen Grund hat. Das erste und wichtigste Hinderniß, das uns abhalten muß, einander feindlich zu behandeln, ist der Eid, den wir bei den Göttern uns schwuren. Wer sich bewußt ist, diesen verletzt zu haben, an dessen Stelle möchte ich nicht sein; ihn würde, meiner Vorstellung nach, weder die größte Schnelligkeit, noch die ärgste Finsterniß, noch die festeste Burg vor dem Zorne der Götter schützen können: denn ihnen ist Alles unterworfen, und überall herrschen sie mit gleicher Gewalt. So denke ich über die Götter und den Eid, durch den wir uns vor ihren Augen wechselseitige Freundschaft zusicherten. Auf Erden aber halte ich dich gegenwärtig für unsre vornehmste Stütze; denn unter deiner Anführung finden wir überall offene Bahn, gehen über jeden Fluß und leiden nie Mangel: ohne dich aber tappen wir im Finstern, denn wir wissen den Weg nicht; jeder Fluß macht uns Schwierigkeit, jeder Wohnsitz ist uns furchtbar, und noch weit furchtbarer ist es uns, von Menschen ganz entfernt zu sein, ein Zustand, der uns in jeder Rücksicht in die äußerste Verlegenheit setzt. Wären wir aber auch wahnsinnig genug, dir das Leben zu nehmen, würden wir wol durch die Ermordung unseres Wohlthäters einen andern Zweck erreichen, als daß wir uns der Ahndung seines mächtigsten Mitkämpfers, des Königs, aussetzten? Im Gegentheil will ich dich an die vortheilhaften Aussichten erinnern, die ich mir selbst durch ein feindseliges Verfahren gegen dich rauben würde. Ich suchte des Cyrus Freundschaft, weil er mir damals unter Allen am fähigsten schien, seinen Freunden nützlich zu werden. Jetzt nun sehe ich, daß du mit deiner vorigen Herrschaft auch noch die Macht und das Gebiet des Cyrus verbindest und an eben dem Könige, den Cyrus bekämpfte, einen Bundesgenossen hast. Wer könnte unter diesen Umständen wol so thöricht sein, deine Freundschaft gering zu schätzen? Doch andrerseits muß ich auch die Gründe anführen, worauf ich meine Hoffnung stütze, daß auch unsere Freundschaft dir schätzbar sein muß. Es ist mir bekannt, daß die Mysier eure Feinde sind; diese nun hoffe ich mit den gegenwärtigen Truppen euch zu unterwerfen. Dasselbe gilt auch von den Pisidiern und so hörte ich noch von mehreren Völkerschaften dieser Art, denen ich die Macht, euch beständig zu beunruhigen, zu benehmen gedenke. Was die Aegypter anbetrifft, gegen die ihr jetzt, wie ich sehe, am Meisten aufgebracht seid, so sehe ich nicht ein, welcher Hilfstruppen ihr euch, um jene zu züchtigen, mit größerem Vortheil bedienen könntet, als derer, die unter meinem Commando stehen. Noch mehr, wie wichtig müßte deine Freundschaft jedem deiner Nachbarn sein, dem du sie schenken wolltest, und wie leicht könntest du Jeden, der dich beleidigte, mit unserer Hilfe, gleichsam als sein Oberherr, zum Gehorsam bringen, da wir dir nicht blos des Soldes wegen, sondern auch aus Dankbarkeit, die dir für unsre Erhaltung gebührte, dienen würden. Wenn ich dies Alles, was uns zur Anhänglichkeit an dich auffordert, mit deinem Mißtrauen gegen uns vergleiche, so ist mein Erstaunen darüber so groß, daß ich den mächtigen Redner kennen zu lernen wünsche, der im Stande wäre, zu beweisen, daß wir dir nachstellen.«
Auf diese Rede Klearchs antwortete Tissaphernes: »Mit Vergnügen, Klearch, habe ich deinem Vortrage voller Weisheit zugehört. Nach diesem zu urtheilen, müßtest du selbst dein Unglück wollen, wenn du feindselige Absichten gegen mich hegtest. Um dich aber zu überzeugen, daß auch euer Mißtrauen gegen den König oder gegen mich ungerecht wäre, so höre nun auch mich.
Glaubst du wol, daß es uns, wenn wir euern Untergang wünschten, an Reiterei oder Fußvolk oder Waffen fehlen würde? In dieser Hinsicht könnten wir euch wol Schaden zufügen, ohne selbst etwas dabei zu wagen. Oder glaubst du, daß uns nicht Gegenden genug bekannt sind, deren Lage unsre Angriffe auf euch begünstigen würde? Mit welcher Gefahr würdet ihr durch so zahlreiche Ebenen, deren Einwohner uns zugethan sind, marschiren. Seht die vielen Gebirge vor euch, die ihr übersteigen müßt und die wir vorher besetzen könnten, um sie euch unübersteiglich zu machen. Bedenkt doch die Menge von Flüssen, die uns die Bequemlichkeit verschaffen, nach Gutdünken mit einer größeren oder kleinern Anzahl von euch zu kämpfen, und die ihr zum Theil ohne unsre Hilfe durchaus nicht überschreiten könnt! Doch wenn wir auch alle diese Vortheile nicht hätten, so stünde uns noch das Feuer zu Gebote, um die Lebensmittel zu vernichten und euch so dem Hunger gegenüber zu stellen, dem ihr auch mit aller möglichen Tapferkeit nicht gewachsen sein würdet. Wie sollten wir nun unter allen diesen Mitteln, die sich uns zum Angriffe gegen euch darbieten, und von denen noch dazu kein einziges mit Gefahr für uns verbunden ist, gerade das Eine wählen, das uns dem Zorne der Götter und der Verachtung der Menschen aussetzen würde? Dies läßt sich durchaus nur von Menschen erwarten, die aller Hilfsmittel beraubt, der Nothwendigkeit nachgeben und schlechtdenkend genug sind, um sich zur Erreichung