Der Psychocoach 5: Der Geist aus der Flasche. Andreas Winter
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Meiner Forschung liegen jedenfalls keine Experimente mit Laborratten und Reagenzgläsern zugrunde, sondern die komplexe Realität des Alltags. Ein jeder Mensch kann die von mir aufgestellten Hypothesen an sich selbst überprüfen. Um hier streng naturwissenschaftlich zu bleiben, muss man allerdings einen wichtigen Schritt machen: Man muss die zugrunde liegenden Faktoren so lange auf Kausalitätsbeziehungen untersuchen, bis sich eine Gesetzmäßigkeit ableiten lässt – und die muss für alle Probanden gelten!
„Streng naturwissenschaftlich“ bedeutet in diesem Kontext:
Ein kausaler Zusammenhang von zwei Faktoren ist beweisbar. Ein Beweismuss unter vergleichbaren Bedingungen allzeit Gültigkeit haben und erlaubt die Annahme einer Gesetzmäßigkeit. Nur wenn ein Ereignis wirklich zwingend die Folge von etwas Vorhergehendem ist, kann es als „kausal“, also als „ursächlich zusammenhängend“ bezeichnet werden. Eine Gesetzmäßigkeit muss für vergleichbare Systeme ausnahmslos gelten – sonst ist sie kein Gesetz, sondern bestenfalls eine Regel, die Ausnahmen zulässt, und wäre damit nicht allgemeingültig.
Treten zwei Phänomene häufig zeitgleich auf, werden sie oft irrtümlich in einen falschen kausalen Zusammenhang gebracht. Vielleicht kennen Sie den alten Spruch: „Wenn das Käuzchen ruft, stirbt ein Angehöriger.“ Zu Zeiten seines Entstehens war das Zusammentreffen der beiden Ereignisse statistisch gesehen signifikant. Doch wenn die Aussage wirklich exakt zuträfe, bräuchte man folglich nur mit der Flinte alle Käuzchen vom Baum zu knallen, und schon bliebe die Familie vielleicht für immer gesund und munter. Doch ich bezweifle stark, dass solche Bemühungen von Erfolg gekrönt wären. Um zu ergründen, warum der Ruf des Käuzchens angeblich ein Mitglied der Familie dahinraffen kann, sollte man wissen, dass Käuze insektenfressende Nachtvögel sind. Man sollte auch wissen, dass Insekten von Licht angezogen werden. Und wenn vor wenigen hundert Jahren in einem Haus das Kerzenlicht bis in die tiefe Nacht brannte, lag das meist daran, dass jemand von einer schweren Krankheit betroffen war und gepflegt werden musste. Ergo: Die Insekten wurden angelockt, das Käuzchen folgte und stieß natürlich auch hin und wieder mal seinen Käuzchenruf aus. Da die medizinische Versorgung früher noch nicht annähernd so lebensverlängernd war wie heutzutage, kam es häufig vor, dass die nächtliche Pflege vergebens war und der Angehörige verstarb. Ob mit oder ohne Käuzchen war hierbei, wie soeben gezeigt, ziemlich einerlei.
Aberglaube ist eine falsche Schlussfolgerung aufgrund stetig wiederkehrender, parallel verlaufender Ereignisse, die aber in keinem Kausalzusammenhang miteinander stehen.
Viele medizinische Erklärungen basieren auf einer solchen falschen Schlussfolgerung und könnten durch bloße Reflexion wieder vom bisherigen (Irr-)Glauben entkoppelt werden, wie ich in meinem Buch „Der Psychocoach 2: Heilen ohne Medikamente“ versucht habe darzustellen. Die Lösung vieler Dinge ist oftmals einfacher, als man denkt.
Isaac Newton (1643 – 1727), auf den diese wissenschaftlich exakte Vorgehensweise zurückgeht, hat im Jahre 1682 das Gravitationsgesetz entdeckt und formuliert. Der Legende nach beobachtete Newton einen fallenden Apfel und geriet darüber ins Grübeln: „Warum fällt der Apfel zur Erde?“ Daraufhin stellte Newton die Theorie der Gravitation auf und begründete damit die Grundprinzipien der klassischen Mechanik. Wenn Newton jedoch nur ein einziges Mal beobachtet hätte, dass ein Apfel auch nach oben in den Himmel fällt, hätte er wahrscheinlich nicht länger von einer Gesetzmäßigkeit gesprochen. Er hätte auch nicht stattdessen von einer „Normvariante“, einer „Ausnahme“ oder einem „Paradoxon“ gesprochen, die das Nach-oben-Fallen irgendwie hinnimmt (wie es aber leider bei vielen beobachtbaren Symptomen in der heutigen Schulmedizin absolut üblich ist). Newton hätte schlicht und einfach so lange weitergeforscht, bis er auch die Ursache für den nach oben fallenden Apfel gefunden hätte.
Das Prinzip exakter wissenschaftlicher Beweisführung lässt nicht zu, dass etwas, das nicht kausal und widerspruchsfrei erklärbar ist, als bewiesene Gesetzmäßigkeit anerkannt wird. Schon eine einzige Ausnahme bei gleichen Ausgangsbedingungen verpflichtet den Naturforscher dazu, sein Gesetz allgemeiner zu formulieren oder aber anzuerkennen, dass es sich bei der beobachtbaren Erscheinung nicht um ein Naturphänomen (in diesem Falle: Sucht), sondern um ein Sozialphänomen (Handlungsmuster) handelt. Mediziner sind Naturwissenschaftler und deshalb sollten sie in ihrem Handeln auch genau dieser wissenschaftlichen Disziplin treu bleiben.
Nur was unter tatsächlichen Lebensbedingungen beobachtbar und wiederholbar ist, halte ich für geeignet, um daraus allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. So lässt sich beobachten, dass es Menschen gibt, die nach einem einzigen aufklärenden und Erkenntnis vermittelnden Gespräch ihren bislang chronischen und pathologischen Alkoholkonsum auf ein optionales Maß herunterfahren – also nicht mehr trinken müssen, sondern trinken können, wenn sie dies ganz bewusst wollen, und das, ohne deshalb rückfällig zu werden.
Das heißt also:
Dass ein ehemaliger Alkoholiker durch neuerlichen Alkoholkonsum zwingend rückfällig wird, ist ganz einfach falsch! Dass er durch bloße Abstinenz nicht sein Verhaltensmuster verändert, ist richtig.
Was dies für die Praxis und die Betroffenen bedeutet, wollen wir nun klären. Denn es geht um nichts weniger als die Gesundheit und das Leben von mehreren Millionen Menschen jährlich, die mit der passenden Therapie von ihrem Leiden erlöst werden könnten.
[1]Der Psychocoach 1: Nikotinsucht – der große Irrtum. Warum Nichtrauchen so einfach sein kann!, Mankau Verlag 2007
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