Gottes Sehnsucht in der Stadt. Группа авторов

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Gottes Sehnsucht in der Stadt - Группа авторов

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die sich um Bildungszentren sammeln oder um Klöster und Kommunitäten, in der Schule oder auf Freizeiten (unsere Jugendarbeit läuft ja selten nur noch im klassischen Modell der Parochie). Auch um missionarische „Leuchttürme“ wie etwa den Expo-Wal in Hannover. An der Küste erlebe ich die unerhörten missionarischen Chancen der kirchlichen Arbeit unter Urlaubern. Es gibt schon manche fresh expressions – aber es können noch viel mehr werden.

      An dieser Stelle sehe ich auch strukturelle Probleme und Hausaufgaben: Das System der Geldverteilung in unserer Kirche führt leicht zu einem Verteilungswettbewerb zwischen Gemeinden und anderen Formen kirchlicher Vergemeinschaftung. Dabei ziehen neue und innovative Formen (aus verständlichen Gründen) zu oft den Kürzeren, denn über die Verteilung entscheiden Gemeindevertreter. Und nachdenklich gemacht hat mich in England: Kommunikativ und missionarisch begabte Leute – und allermeist sind wir solchen in den besuchten Projekten begegnet – gibt es dort wiehier, Gott sei Dank. Die anglikanische Kirche aber ist weiter darin, solchen Personen durch spezielle Aufträge Freiräume zu verschaffen, ihre Gabe für eine missionarisch frische Kirche einzusetzen. Bei uns besteht die Gefahr, dass die Routineaufgaben in Kirchengemeinde und Kirchenkreis viel Energie absorbieren. Hier könnten wir im Blick auf missionarisch-strategischen „Unternehmergeist“ (entrepreneurial spirit) – das Wort fiel in England einmal – einiges lernen, denke ich.

      Übrigens: Rechtlich gibt es in unserer Kirche jede Menge Möglichkeiten, neue Gemeindeformen zu etablieren. Die hannoversche Kirchenverfassung etwa sieht eine ganze Reihe von Gemeindemodellen vor. Ich befürchte hier auch keinen kirchenleitenden Strukturkonservativismus. Auch finanziell bekommt man für eine gute Idee aus irgendeinem Fördertopf oft eine Anschub-finanzierung. Schützen muss man frische Ideen in unseren evangelischen Strukturen allerdings wohl vor Bedenkenträgern und vor der Fülle der zu beteiligenden Gremien, die mürbe machen können. Nötig sind vor allem aber Menschen, die mit geistlichem Elan neue Ideen entwickeln und anpacken. Ich würde mich sehr freuen, in den kommenden Jahren die eine oder andere fresh expression in meinem Sprengel mit fördern zu können.

      Zwei Dinge vor allem sind es, die ich an diesem Buch und der dahinter stehenden Bewegung hervorragend finde: Einmal die leidenschaftliche Suche nach neuen Wegen, missionarisch ausstrahlungsfähige Volkskirche zu sein. Ich nehme in all unserem Nachdenken – auch in diesem Buch – ein Suchen wahr nach neuen Wegen. Den missionarischen Königsweg kennt ja offensichtlich im Moment niemand. Es sind viele kleine Schritte, die erprobt werden. Aber diese missionarische Pfadfinderarbeit ist nötig – im Vertrauen auf Gottes Auftrag und auf seine Verheißung.

      Und dann den ökumenischen Charakter. Und der ist ja doppelt. Einmal das Lernen bei den anglikanischen Geschwistern. Und dann das gemeinsame Lernen durch evangelische und katholische Christen. Beides habe ich im konkreten Vollzug als außerordentlich bereichernd erlebt.

      Besonders bemerkenswert finde ich die gar nicht alltägliche evangelisch-katholische Zusammenarbeit. Sie ist noch einmal etwas anderes als der offizielle ökumenische Dialog über Apostolizität, Amt und Eucharistie einerseits und die Basisökumene auf Gemeindeebene. Offizielle Vertreter und Multiplikatoren in Bistum und Landeskirche stellen sich gemeinsam den Herausforderungen des Kircheseins von morgen. Das finde ich zukunftsweisend, auch für die Ökumene. Dass das in kollegialer Inspiration und großer Geschwisterlichkeit möglich ist, dafür bin ich besonders dankbar.

      Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy, Stade

I.

      Philipp Elhaus – Christian Hennecke

      Gottes Sehnsucht in der Stadt

      Auf der ökumenischen Suche nach Gemeinden für morgen

      Dieses gemeinsame Buch, unsere ökumenische Spurensuche, hat eine lange Geschichte. Gemeinsam steht am Anfang eine Wahrnehmung: Unsere Kirchen sind im Übergang, in einem tiefgreifenden Umbruchsprozess. Was inzwischen zu einem Gemeinplatz geworden zu sein scheint, ist aber vielfach ausdeutbar: auf der einen Seite stehen diejenigen, die die vergangenen Jahrzehnte als vielfache Abbruchs- oder Dekadenzgeschichte der Kultur und/oder der Kirchen sehen und zumeist schnell Schuldige und Ursachen für den diagnostizierten Glaubensschwund ausmachen können. Je nach hermeneutischer Färbung kommt man dann auf je andere Denkschriften.

      Die gemeinsame Wahrnehmung, die uns in unserer ökumenischen Zusammenarbeit von Anfang an geprägt hat, war aber eine andere: Es ist ja Gott, der seine Kirche führt und leitet – und sein Geist ist es, der immer wieder und zu jeder Zeit Neues schafft und hervorbringt. Umarmt uns so Gott mit der Wirklichkeit dieser Zeit – was zeigt er uns da an Chancen, an Herausforderungen, an „Zeichen der Zeit“, auf die wir aus der Kraft des Evangeliums antworten können?

      Die Großwetterlage: mitten in der Wandlung

      Wer aus dieser Perspektive schaut, könnte einen eucharistischen Grundansatz wählen: wir stehen im Prozess der Wandlung. Noch theologisch abgründiger und begründbarer: wir sind in einem Prozess des Pascha, des Leidens und Sterbens und Auferstehens. Eine milieuhaft geprägte Kirchengestalt, in der wir gewissermaßen ins Christsein hineingeboren wurden, geht unwiderruflich zu Ende. Mit allen Nebenwirkungen. Denn es zeigt sich, dass die inneren Bilder und die pastorale Praxis, ja, das gesamte kirchliche Gefüge auf dieser Grundlage basierten. Wer denkt, dass deswegen einige Korrekturmaßnahmen den Ursprungszustand wiederherstellen können, der täuscht sich sehr. Strukturmaßnahmen der Kirchen, die zu größeren pastoralen Räumen und Regionen führen, Fusionen und ähnliches sind zunächst notwendige Renovierungsarbeiten, aber keine Erneuerung. Sie sind Versuche des Erhalts eines für die katholische Kirche notwendigen sakramentalen Gestaltgefüges bzw. Anpassungsleistungen eines auf dem Gegenüber von Pfarramt und Gemeinde basierenden kirchlichen Versorgungssystems der evangelischen Kirchen.

      Auch die Dauerbaustelle christlicher Initiation kann nicht erfolgreich bearbeitet werden, wenn nicht grundlegend bedacht wird, dass das Christwerden heute eine Frage persönlicher Wahl oder – theologisch gesprochen – Berufung ist und deswegen nicht einfach durch neue Wege des Konfirmationsunterrichts oder der Kommunion- und Firmvorbereitung gelöst werden kann. Nein, wir befinden uns in einem evangelisierenden und katechumenalen Umfeld – und das führt auch zu einem grundlegenden Neubedenken der Christwerdungsprozesse.

      Die kopernikanische Wende der Ekklesiopraxis

      Die Pointe dieser Veränderungen aber heißt auch: die Sozialgestalten, die kirchlichen Orte, werden sich transformieren, sie tun es schon. Noch mehr: schon seit Jahren ist ein Prozess im Gange, der gewissermaßen zu einer kopernikanischen Wende der Ekklesiopraxis führt: war in einer (noch) gemeindekirchlichen Perspektive die klassische Gemeinde „Kern und Stern“, ja, geheime Mitte kirchlicher Gestalt und Existenz, um die herum auch noch andere kirchliche „Planeten“ kreisten, so rückt nun die gelebte und erfahrene Christuswirklichkeit – die „Sonne“ – in die Mitte, und es bildet sich ein „Planetensystem“ kirchlicher Orte, gewissermaßen ein Netzwerk, in dem unterschiedliche Zentren kirchlicher Existenz ein Gesamtgefüge vielfältiger Einheit abbilden. Diese Perspektive reicht weiter als die vielerorts fomulierte notwendige Ergänzung der Ortsgemeinde durch plurale gemeindliche Formen. Sie wagt es, Kirche aus christologischer und soziologischer Sicht als Ensemble unterschiedlicher Räume zu denken, die erst in ihrer Vielfalt sowohl die Phantasie des Heiligen Geistes als auch die Facetten unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten spiegeln können.

      Wie bei der astronomischen Entdeckung des Kopernikus führt dies zu gründlichen Neubestimmungen und zu nicht geringen Irritationen und Regressionen: aus dem Mittelpunkt gerückt muss die klassische örtliche „Territorialgemeinde“ in der katholischen Kirche auch angesichts der prekären Begleitung durch Priester und Hauptberufliche ihr Profil entwickeln als lebensräumlich

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