Gottes Sehnsucht in der Stadt. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gottes Sehnsucht in der Stadt - Группа авторов страница 5

Gottes Sehnsucht in der Stadt - Группа авторов

Скачать книгу

auf: Ökumene ist gerade im Bereich der missionarischen und evangelisierenden Bemühungen kein Kann, kein Darf, sondern ein Muss: wir beschenken uns wechselseitig, wir inspirieren einander, wir evaluieren miteinander – wir lernen miteinander in dem gemeinsamen Anliegen, dem Evangelium, Jesus Christus einen Raum zu öffnen.

      Und dies gilt besonders für unsere Zusammenarbeit mit dem Haus Kirchlicher Dienste der Landeskirche Hannover. Im Laufe der vergangenen Jahre verdichteten sich die Kontakte und schufen eine erstaunliche, frohmachende und fruchtbare missionarische Ökumene, deren schriftliche Erstfrucht hier vorliegt.

      Mit Kollegen wie Burkhard Merhof, Philipp Elhaus, Martin Römer, Hans Christian Brandy, Dirk Stelter und Andreas Risse verbindet uns die gemeinsame Sehnsucht nach einer missionarischen Kirche. Was ganz einfach anfing mit regelmäßigen Treffen zum Thema Hauskreise und Kleiner Christlicher Gemeinschaften, mit gemeinsamem Nachdenken über Glaubenskurse, mündete ein in gemeinsame Fahrten nach England – und zu Projekten gemeinsamer Kongresse zum Thema einer Kirche, die kommt. Wenn im Februar 2013 der geplante Großkongress „Kirche 2.0“ in Hannover stattfinden wird, dann ist das nicht eine punktuelle Aktion, sondern das Ergebnis ökumenischer Konvivenz und Konvergenz, spiritueller Suche und visionärer Gemeinschaft.

      Es begann auf unserer Seite mit dem Projekt „Kirche für Suchende – Evangelisation auf katholisch“: Minikundschafterfahrten nach Braunschweig zur Friedenskirche, zur Freien Evangelischen Gemeinde in Hildesheim und zum Expowal nach Hannover mündeten ein in einen Studientag mit Michael Herbst.

      So entstand in den Gesprächen mit unseren evangelischen Brüdern und Kollegen die Idee einer gemeinsamen ökumenischen Reise nach London, um „fresh expressions of church“ zu studieren.

      Evangelische Anfänge – Gottes Sehnsucht nach den Menschen

      In den letzten 20 Jahren haben sich gesellschaftliche Umbrüche zunehmend auf die Kirche ausgewirkt und unterschiedliche Spuren hinterlassen. Der christliche Glaube ist angesichts der Vielfalt von Lebensoptionen und religiösen Überzeugungen nur eine Möglichkeit unter anderen. Kirche ist in Konkurrenz geraten. Die Bindekraft der kirchlichen Institution nimmt ab. Individualisierung und Pluralisierung führen zu einer Verschiebung von kulturgestützten zu personalgestützten Formen des Christentums. Glaube wird immer weniger generativ im Rahmen geschlossener konfessioneller Milieus weitergegeben, sondern biografisch angeeignet. Die Muster der Kirchenzugehörigkeit verwandeln sich zunehmend vom Erbe zum Angebot. Die Regie im Verhalten zu Kirche und Gemeinde liegt längst bei den einzelnen Menschen und wird nur durch weiche soziale Faktoren begleitet.

      Die Wiedervereinigung hat die westlichen Bundesländer mit Konfessionslosigkeit – oder besser gesagt Konfessionsfreiheit als Normalstatus und einer Minderheitssituation konfrontiert, die sich langfristig als gemeinsame kirchliche Zukunft am Horizont abzeichnet. Die Milieuforschung macht darauf aufmerksam, dass Gemeinden mit ihren Angeboten nur einen geringen Teil der unterschiedlichen Lebensstilgruppen der Gesellschaft erreichen.

      Der wachsenden Unkenntnis gegenüber Glaubenswissen und dem praktischen Atheismus in der Gesellschaft steht eine neue Sehnsucht nach Spiritualität gegenüber, die sogar an Kirchentüren klopft. Offene Kirchen werden verstärkt aufgesucht, Pilgern boomt.

      Diese holzschnittartigen gesellschaftlichen Umbrüche und ihre kulturellen Auswirkungen führten in evangelischer wie katholischer Kirche zu Rückfragen nach Wesen und Auftrag der Kirche. Der Begriff der Mission wurde wiederentdeckt. Fristete er in den evangelischen Kirchen bis Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eher ein Randdasein als Adjektiv im „missionarischen“ Gemeindeaufbau, so wurde er nun vom Streit- zum kirchlichen Leitbegriff. „Die evangelische Kirche setzt das Glaubensthema und den missionarischen Auftrag an die erste Stelle … Weitergabe des Glaubens und Wachstum der Gemeinden sind unsere vordringlichen Aufgaben“, heißt es in der Kundgebung der EKD-Synode Leipzig 1999. Ausgehend von der Einsicht, dass Gott selbst ein missionarischer Gott ist (missio Dei), wird Mission eine gemeinsame Zukunftsaufgabe und ein Querschnittsthema kirchlicher Arbeit. Mit „Zeit zur Aussaat“ legte die katholische Bischofskonferenz ein Jahr später eine Anregung zu einer missionarischen Pastoral vor, die eine große Schnittmenge mit evangelischen Erklärungen aufwies. Das Wort „Mission“ wurde in beiden Kirchen wieder salonfähig. Wegen des Schwundes an Kirchenmitgliedern, argwöhnten die einen. Aus geistlich-theologischer Erkenntnis, meinten die anderen: Was lebt, will wachsen. Wer liebt, will teilen und weitergeben. Dies gilt primär für den Ursprung und das Ziel von Mission: Gott hat Sehnsucht nach seinen Menschen – und diese Sehnsucht sucht die ganze Schöpfung in das Lob der Herrlichkeit Gottes einzubinden. Kirche hat nicht nur eine Mission, Kirche ist Mission. Das so verstandene Wesen der Kirche ist nicht konfessionell teilbar. Eine missionarische Kirche ist nur als ökumenische Vision zu beschreiben.

      Mission als Herzschlag der Kirche

      In den Strom der neuen missionarischen Bemühungen innerhalb der evangelischen Landeskirchen münden unterschiedliche Einflüsse von missionarischem Gemeindeaufbau mit Zweitgottesdiensten, Glaubenskursen und Hauskreisen, die wiederum durch Impulse aus Amerika und England bereichert wurden bis hin zu kirchlicher Reformbewegung mit Ladenkirche und Zielgruppenveranstaltungen. Ganz bei Gott und ganz bei den Menschen – so lautete das Motto. Pluralität der Formen wurde zum Programm. Dem Christus im Singular entspricht eine Mission im Plural. Rückblickend auf das vergangene Jahrzehnt sagte Altbischof Wolfgang Huber, ehemaliger Vorsitzender des Rates der EKD Ende September 2009: „Die Verbesserung der Kirche als Organisation hat ihr Gewicht. Strukturmaßnahmen und Ressourcenmanagement mögen Entlastungen und Verbesserungen bewirken; aber eine Erweckungsbewegung entsteht daraus nicht. Strategische Entscheidungen und operative Initiativen haben einen hohen Nutzen; aber sie treffen noch nicht den Kern. Ihm nähern wir uns an, wenn wir den Lebensrhythmus der Kirche von der Liebe Gottes zu den Menschen bestimmen lassen. Deshalb bildet die Hinwendung zu den Menschen, also die Mission den Herzschlag der Kirche. Dann aber hat eine Kirche, die missionsvergessen ist, Herzrhythmusstörungen – wie Eberhard Jüngel 1999 auf der Missionssynode in Leipzig gesagt hat. Auch nach zehn Jahren haben wir diese Herzrhythmusstörungen noch keineswegs überwunden. Gottes Wort ist nicht gebunden; deshalb haben wir das Unsere zu tun, damit es die Menschen erreicht.“2

      Im Westen was Neues?

      Auf der Suche nach inspirierenden Erfahrungen machten sich engagierte Christen aus zahlreichen evangelischen Landeskirchen auf den Weg über den Ärmelkanal. Denn dort hatte sich seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine missionarische Aufbruchsbewegung ereignet, die nicht nur zur Belebung ortsgemeindlichen Lebens, sondern auch zur Gründung neuer gemeindlicher Formen führte. Finanzkrise – „Money talks“, meinte John Finney dazu – und eine massive Relevanzkrise in einer säkularisierten Gesellschaft hatten diese Reaktion provoziert, die über Gemeindeneugründungen („church planting“), eine Dekade zur Evangelisierung bis hin zu den fresh expressions of church reicht, deren kirchliche Gestalt oft noch im Werden ist. Gemeinsam ist diesen vielfältigen Initiativen ein Paradigma, das die englische Programmschrift „Mission shaped church“ 2006 so formulierte: „Starte mit der Kirche, und die Mission wird verloren gehen. Starte mit der Mission – und du wirst die Kirche finden.“ Nicht kirchliche Bestandswahrung, sondern Gottes Sehnsucht nach den Menschen wurde zum Leitmotiv intensiver kirchlicher Reformbemühungen. Spirituelle Ausstrahlung, nüchterne Analyse, risikofreudige Experimente und vielfältige Formen beeindruckten die deutschen Besucherinnen und Besucher. Der Funken sprang über.

      Doch so begeistert die Englandtouristen auch zurückkehrten, auf deutschem Boden wollten die Samen der neuen Gemeindeideen keine tiefen Wurzeln schlagen. Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) sammelte Erfahrungen mit Pilotprojekten und stellte bei allen ermutigenden Erfahrungen nüchtern die Grenzen fest. Es fehlt der Humus einer missionarischen Kultur, die von geteiltem Leben und Christuszeugnis auf Augenhöhe geprägt ist. Unter dem Bodendecker der flächendeckenden

Скачать книгу