Frauen stören. Katharina Ganz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Frauen stören - Katharina Ganz страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Frauen stören - Katharina Ganz

Скачать книгу

halten.7 Dabei sollen Berufungen von Christ*innen anerkannt und sichtbar gemacht werden. Unabhängig von ihrem Geschlecht sollen Getaufte, die sich als Seelsorger*innen bewährt haben, vorgeschlagen werden, eine offizielle Sendung und Beauftragung durch den Bischof für ihren Dienst zu bekommen.

      In Deutschland sorgte Maria 2.0 für Schlagzeilen. Die Anfang 2019 von fünf Frauen einer Pfarrei in Münster gestartete lose Bewegung glaubt, „dass die Struktur, die Missbrauch begünstigt und vertuscht, auch die ist, die Frauen von Amt und Weihe und damit von grundsätzlichen Entscheidungen und Kontrollmöglichkeiten in der Kirche ausschließt“8.

      Der Katholische-Deutsche-Frauenbund (KDFB) sowie die katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) fordern inzwischen die Zulassung von Frauen zum Diakonat bzw. zu allen Weiheämtern der katholischen Kirche.9

      Verbunden mit diesen vielfältigen Aufbrüchen in unserer Kirche und insbesondere mit allen, die sich im Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland engagieren und an die lebendigmachende Geistkraft Gottes glauben, schreibe ich dieses Buch. Allen, die diese Zeilen lesen, wünsche ich eine anregende Lektüre. Heribert Handwerk hatte bereits die Veröffentlichung meiner Dissertation als Lektor im Echter Verlag begleitet. Deshalb fiel es leicht, an der erprobten Zusammenarbeit anzuknüpfen. Meinen Mitschwestern und besonders dem Generalrat danke ich für ihr Verständnis, ihre Ermutigung und Unterstützung, dass ich nach der Arbeit an meiner Dissertation, die die Hälfte meiner ersten Amtszeit begleitet hat, erneut einen Teil meiner Zeit mit dem Schreiben verbringe.

      Dr.in Katrin Brockmöller, Dr.in Martina Kreidler-Kos und Dr.in Andrea Qualbrink danke ich für inhaltlichen Austausch und weiterführende Anregungen, Sr. Philippa Rath OSB und den Münsterschwarzacher Missionsbenediktinern für die Autorisierung der sie betreffenden Passagen.

Kloster Oberzell, am 10. Februar 2021, dem Gedenktag der hl. Scholastika, M. Katharina Ganz

       Einleitung

      Frauen stören. Damit ist weit mehr gemeint als lästig werden mit Petitionen zu den Anliegen der Würde und Gleichberechtigung von Frauen in der römischkatholischen Kirche. Frauen stören produktiv das System einer Institution, die zutiefst klerikal und männerbündisch geprägt ist. Sie stören durch ihre Anwesenheit, durch einen anderen Blick, durch Fragen und Herangehensweisen, die sich unterscheiden und einseitige Perspektiven ergänzen. Dabei geht es nicht um besser oder schlechter, sondern eben um die Vielfalt, die entsteht, wenn Frauen und andere sich gleichberechtigt einmischen, einbringen und mitentscheiden.

      Andrea Qualbrink, promovierte Pastoraltheologin und Referentin für Strategie und Entwicklung im Bistum Essen, hat den Titel meines Buches erstmalig geprägt.10 Als Beraterin für systemische Organisationsentwicklung konstatiert sie: „Führungskräfte stören ihr Unternehmen. Frauen in Führung stören viele Unternehmen mitunter noch viel mehr – auch die Kirche. Und Störungen tun Unternehmen und auch der Kirche gut. Was unverschämt klingen mag, ist eine schlichte systemtheoretische Beobachtung“.11 Allerdings lassen sich Organisationen nicht gerne stören, sondern folgen am liebsten bewährten Mustern. Damit riskieren sie Stillstand, verpassen wichtige Entwicklungen und laufen Gefahr, sich ins gesellschaftliche Abseits zu manövrieren und irrelevant zu werden. Eine „gute Führungskraft“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihrer Organisation Impulse gibt, sozusagen „produktive Störungen“ auslöst, indem sie „von der Zukunft und von sich verändernden äußeren Bedingungen her denkt und entsprechende Strategien anstößt“12.

      In der Kirche geht es darum, die bleibende Gültigkeit des Lebens und der Lehre Jesu Christi in die jeweilige Zeit, in individuelle und gemeinschaftliche Lebenssituationen und Kulturen hinein zu buchstabieren. Biblische Grundbotschaft, Tradition und Glaubenslehre müssen sich in den Kontexten verschiedener Epochen, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, globaler Herausforderungen und persönlicher Lebenslagen bewähren (vgl. Gaudium et spes, GS 1).13 Dazu gilt es, sich auf ihre Kernbotschaft, Sinnhaftigkeit und Überzeugungskraft zu besinnen, weiterzuentwickeln und immer neu auszulegen. Getragen sind meine Ausführungen von der Überzeugung, dass die eigene Lebens- und Glaubenserfahrung eine wichtige Quelle der Gotteserkenntnis ist.

      Trotz allem, was mich an meiner Kirche ärgert, frustriert, beschämt und an ihr zweifeln lässt, bin ich überzeugt, dass die einzigartige frohe Botschaft Jesu Christi nicht an Berechtigung und Kraft verloren hat. Das Christentum kann auch in unserer Zeit einen großartigen Beitrag leisten, um die Gottesfrage offenzuhalten und das Zusammenleben mit anderen Geschöpfen menschlicher, gerechter und achtsamer zu gestalten. Allerdings müssen wir – also die Kirche als Ganzes – bei uns selbst anfangen. Nur wenn die Strukturen unserer Kirche, die Verteilung von Macht, der Umgang mit den eigenen Mitgliedern und Ressourcen dem Geist Jesu Christi entsprechen, werden wir im 21. Jahrhundert noch etwas zu sagen haben, was neugierig macht, aufhorchen lässt und einen echten Mehrwert bedeutet für das individuelle und soziale Leben.14

      Das wird aber nur gelingen, wenn sich die Kirche ihren eigenen Abgründen, ihrem Versagen und ihrer Schuld in aller Scham, Offenheit, Wahrheit und Ernsthaftigkeit stellt. Erst seit Februar 2021 und damit ein Jahr nach dem offiziellen Start des von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) getragenen Synodalen Weges werden Betroffene aus dem Betroffenenbeirat strukturell in die Beratungen eingebunden und gehört. Das wurde höchste Zeit. In Online-Statements kamen Johannes Norpoth (Gelsenkirchen), Kai Moritz (Würzburg) und Johanna Beck (Stuttgart) beim Syodalen Weg am 4. Februar 2021 zu Wort. Sie beziehen ihre Autorität aus ihrer eigenen leidvollen Erfahrung von Missbrauch in der katholischen Kirche. Wie andere Traumaopfer bezeichnen sie sich als Überlebende, die dennoch nicht der Kirche den Rücken gekehrt haben, sondern sich aktiv einsetzen, Missbrauch entgegenzuwirken und Gewalt begünstigende Strukturen zu überwinden.

      In stilistischer Parallelität zum Johannesprolog formulierte Johanna Beck, was der Ausgangspunkt der Beratungen zu notwendigen Reformen ist: „Am Anfang war die Missbrauchskrise. Die Missbrauchskrise war in der Kirche. Und die Kirche war in der Krise. Dieses war der Anfang des Synodalen Weges.“15 Die drei Sprecher*innen des Betroffenbeirates der DBK setzten Maßstäbe und betonten die Notwendigkeit des Willens zur individuellen und institutionellen Umkehr: Dazu gehört „alles daran zu setzen, dass diese ‚unfassbare Pervertierung des Evangeliums‘ beendet wird, und eine ‚radikale Reform der missbrauchsbegünstigenden Machtstrukturen‘ (Johanna Beck) zu erwirken. Das kann nicht dem persönlichen Ermessen und guten Willen Verantwortlicher überlassen bleiben; dazu braucht es belastbare Kontrolle und wirksame Begrenzung kirchlicher Macht – und heute und morgen den Mut zu handeln.“16 Die Kirche müsse sich ihrer Schuldgeschichte stellen. Das gehe nur mit „Haltung und Konsequenz, mit klarem Profil und Berechenbarkeit“ (Kai Moritz).17 Johannes Norporth verdeutlichte, dass der Synodale Weg „keine Therapie- oder Selbsthilfegruppe“ ist, sondern ein strukturierter Prozess, der „Zukunftsfragen unserer Kirche“ bearbeitet. Mit Blick auf die männlich verfasste Kirchenhierarchie schloss Norpoth bewusst mit dem Originalzitat von Adolph Kolping „Schön reden tut’s nicht, die Tat ziert den Mann!“

      Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland ist eine Chance, als Getaufte, Gefirmte, Gesandte und Geweihte einen gemeinsamen Weg zu gehen, der sich neu an der froh machenden Botschaft Jesu Christi ausrichtet und diese in unserer Zeit und Welt verortet. Mir macht Hoffnung, dass sich viele Teilnehmenden in den Foren und Versammlungen mit großem Freimut äußern und deutlich ihre Meinung vertreten. Auch die Stimme von Ordensleuten hat ein besonderes Gewicht, da sie rechtlich autonom und selten von den jeweiligen Ortsbischöfen abhängig sind. Zur Mitarbeit bereit war ich, als bekannt wurde, dass in den vier Foren keine Themen von vorneherein ausgeschlossen worden sind. Das war während des 2011 bis 2015 dauernden Gesprächsprozess anders, als der priesterliche Zölibat und die Frauenfrage

Скачать книгу