Geist & Leben 3/2017. Christoph Benke

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Geist & Leben 3/2017 - Christoph Benke

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Tatsächlich wird Klara über ihre brüderlichen Verbündeten glücklich sein, als ihre Gemeinschaft die Aufmerksamkeit der römischen Kurie fand und Papst Gregor IX. San Damiano zum Zentrum eines „Damiansordens“ machen wollte, dem er eine strikt klausurierte, monastische Lebensform auferlegte. Maranesi verdeutlicht, dass das Schlüsselmotiv in Klaras Berufung misericordia ist. Barmherzigkeit erfahren die Schwestern in ihrer mystischen Liebe „zum armen Christus“, der sich auf der Kreuzikone von San Damiano menschlich und mit offenen Augen, offenem Ohr und weit offenen Armen zeigt.27 Der auferstandene Christus begegnet jedoch nicht nur in der Stille, sondern draußen: unter Hungernden und Fremden, Bedürftigen aller Art vor der Türe. Daher widersetzte sich Klara mit Unterstützung der Brüder allen Versuchen der römischen Kurie, die Schwestern in strikte Klausur zu drängen und die aktive Dimension der misericordia auf die Binnenwelt der Gemeinschaft zu begrenzen. Zwei Schlüsseltexte zeigen beispielhaft, wie eng die Schwestern sich in dieser Lebenswahl mit den Brüdern verbünden. Ein erster Textvergleich spricht in einem Dreiklang von der Jesusnachfolge in Armut:28

       Franziskus‘ Nachfolge

      Der junge Kaufmann sagt beim Wiederaufbau von San Damiano zu sich selbst:

      „Um der Liebe dessen willen,

      der arm geboren wurde,

      ganz arm lebte in dieser Welt,

      nackt und arm am Kreuz verblieb

      und in einem fremden Grabe bestattet wurde,

      gehört es sich, dass du freiwillig arm lebst!“

       Klaras Nachfolge

      Die sterbende Klara erinnert den Papst und Kardinalprotektor in ihrem Testament:

      „Um der Liebe jenes Gottes willen,

      der arm in die Krippe gelegt wurde,

      arm in dieser Welt lebte

      und nackt am Marterholz verblieb,

      sorge er immer für die kleine Herde, die Gott Vater in seiner Kirche durch das Wort und das Beispiel unseres Vaters Franziskus dazu erweckt hat, dass sie der Armut und Niedrigkeit seines geliebten Sohnes und seiner Mutter folge, und sorge dafür, dass diese kleine Herde die heilige Armut bewahre … “

      In seinem Vermächtnis für San Damiano erinnert Franz an die gemeinsame Berufung und ermutigt die Schwestern, sich von keiner Autorität davon abbringen zu lassen. Als die böhmische Prinzessin Agnes von Prag mit dem eigenen Kloster die Observanz wechselt, statt der päpstlichen Konstitutionen San Damianos Vorbild folgt und dadurch den Unwillen von Papst Gregor IX. herausfordert, gibt Klara die Ermutigung an ihre Prager Freundin weiter:29

       Franziskus‘ Rat an Klaras Schwestern

      Ich, der ganz kleine Bruder Franziskus,

      will dem Leben und der Armut unseres höchsten Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter nachfolgen und darin bis zum Ende verharren.

      Und ich bitte euch, meine Herrinnen,

      und gebe euch den Rat, ihr möchtet doch allezeit

      in diesem heiligsten Leben und in der Armut leben.

      Und hütet euch sehr, jemals in irgendeiner Form davon abzuweichen, weder auf die Lehre noch auf den Rat von irgend jemand hin.

       Klaras Rat an Agnes von Prag

      Wenn Dir aber jemand etwas anderes sagen, etwas anderes einreden wollte,

      was Deiner Vollkommenheit hinderlich wäre

      oder Deiner göttlichen Berufung zu widersprechen schiene,

      folge dem Ratschlag eines solchen Menschen nicht,

      auch wenn Du ihm Verehrung schuldig wärest,

      sondern umarme als arme Jungfrau

      den armen Christus!

      Ein poetisch schönes und spirituell dichtes Zeichen des untrennbaren Zusammenspiels von Schwestern und Brüdern ist Franziskus‘ Sonnengesang. In einer gesundheitlichen Krise der Sorge von San Damiano anvertraut und da von der Liebe Gottes neu umarmt, besingt Franz mit den laudes creaturarum die Harmonie einer Schöpfung, in der schwesterliche und brüderliche Geschöpfe in der einen Welt zusammenspielen. Was das Lied kosmisch besingt, hat der Poverello auch vor Ort in der geschwisterlichen Lebensgemeinschaft erfahren.30

       Weibliches in Franziskus‘ Spiritualität

      Der Mittelalterforscher J. Dalarun stellt erstaunt fest, wie sehr Franz mit einer ausgesprochen weiblich geprägten Spiritualität aus dem Rahmen seiner Zeit fällt:31 Der Ordensgründer ermutigt seine Brüder zu mütterlicher Sensibilität für die Bedürfnisse der Gefährten, spricht und handelt selber „wie eine Mutter“ und wird von Brüdern mater carissima genannt.32 Seine eigene Nachfolge hat Christus und Maria vor Augen, und sein Brief an alle Gläubigen traut auch Männern zu, Christus „mütterlich im Herzen zu tragen“ und durch das eigene Leben „zur Welt zu bringen“.33 Tugenden werden personifiziert und treten als dominae und Freundinnen des Herrn auf. Christus erscheint in den Liedern des Mystikers von Freundinnen und Schwesterpaaren begleitet: der edlen Frau Weisheit und Frau Schlichtheit, Frau Armut und Frau Erdnähe, Frau Liebe und Frau Wachheit.34 Leitungsverantwortung sieht der Poverello dann gottgefällig und lebensdienlich, wenn sie am governare von Schwester Mutter-Erde Maß nimmt: nicht patriarchal und herrschaftlich, sondern schwesterlich und mütterlich – tragend, nährend, Leben hervorbringend. Der Sonnengesang zeichnet auch ein ungewöhnlich vertrauensvolles Bild von „Schwester Tod“: nicht tragisches Geschick oder grausamer Wegelagerer, sondern eine Gefährtin, die den Sterbenden an der Hand nimmt und in die neue Schöpfung Gottes führt.35 Es liegt nahe, hinter solchen Bildern im Schöpfungslied, das in San Damiano entstand, Klaras schwesterlich-mütterliche Art der Leitung und die weibliche Sorge zu sehen, die Franz durch fünfzig Tage innerer und äußerer Dunkelheit in neues Licht begleitet hat. Schließlich fällt Franz auch damit auf, dass er Gott mit einer reichen Auswahl weiblicher Namen preist:36 Liebe, Weisheit und Geduld, Schönheit, Ruhe und Freude, Hoffnung, Gerechtigkeit und Besonnenheit, Anmut, Sanftheit und Stärke, Hoffnung, Glaubenskraft und Liebe, Glück, Zärtlichkeit und Wonne finden Eingang in seinen Lobpreis von La Verna. Franz singt als Troubadour Liebeslieder auf seinen Herrn, den Dominus – und sieht Klaras Schwestern als edle Herrinnen derart eng mit Christus verbunden, dass er Klara christiana nennt: Freundin, Gefährtin und Jüngerin seines Herrn.37 Nicht Franz ist der Geliebte, dem Klara folgt, sondern Christus. Klara nennt den Bruder denn auch einen Gärtner, der ihrer Gemeinschaft und ihr selbst beste Entfaltungsmöglichkeiten bot, und in einer intimen Vision erlebt sie Franz ihrerseits als mütterliche Gestalt, die sie auf ihrem Weg der Christusnachfolge nährt und ebenbürtig werden lässt.38 Mit M. Kreidler-Kos, der wohl besten KlaraForscherin im deutschen Sprachraum, kann man wünschen, dass Papst Franziskus seinen Namen auch da zum Programm macht, wo es dem „weiblichen Genius“ in der Kirche konkreten Entfaltungsraum zu schaffen gilt – beherzt, wie es Franz und Klara in ihrer geschwisterlichen Bewegung und der realen Kirche damals taten.39

      1 N. Kuster, Franz und Klara von Assisi. Eine Doppelbiografie. Ostfildern 2011, 22012, aktualisiert und neu als Topos Prämium: Kevelaer 2016. Übersetzungen erscheinen 2014

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