Lebendige Seelsorge 3/2015. Группа авторов

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statt die Sünden vergeben? Diese Frage stellt sich nicht zuletzt in der Vergebungspraxis Jesu und führte – angesichts des Vorwurfes, an Gottes Stelle zu handeln – zum tödlichen Konflikt. Spätestens hier wird deutlich: Vergebung der Sünden ist eine heikle Angelegenheit! Die Perikope von Mk 2,1-12, in der Jesus dem gelähmten Mann die Sünden vergibt und ihn zugleich heilt, verdeutlicht eindrucksvoll eine Konfliktlinie, die sich sowohl als jesuanische Praxis als auch als gemeindliche Regelform zuziehen wird: Wie ist die Vergebung Gottes zu denken, wenn sie nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch einen Menschen geschieht? Wer bewirkt die Vergebung?

       WAR DIE HÄUFIGE BEICHTPRAXIS EIN „RUNNING WILD“ DER GLÄUBIGEN? THEOLOGIEGESCHICHTLICHE EINORDNUNG EINES KURZFRISTIGEN PHÄNOMENS

      Die Geschichte der sakramentalen Vergebung ist lesbar als eine Geschichte, die sich mit eben dieser Frage der Vollmacht zur Sündenvergebung auseinandersetzt. Hier aber zeigt sich zugleich, dass theologiegeschichtlich die Erkenntnis langsam verblasste, dass die Vergebung der Sünden einzig und allein Tat Gottes ist, auch dort, wo ritualisierte Formen institutioneller Art an die Stelle der unmittelbaren Handlung Gottes traten. Die Festlegung der heute gängigen Absolutionsformel im Jahr 1439 (im Armenierdekret, DH 1323) lässt dieses Wissen zugunsten des Nachdenkens über die differenzierte Wirksamkeit des Sakraments auf die Sündenvergebung in den Hintergrund treten. Nachdem so die sakramentale Sündenvergebung in der Materie – Sünde, Reue und Bekenntnis – des Sünders und der Form der Absolution durch den Priester gedacht wird, können diese beiden Elemente weiter definiert werden. Damit war der Weg geöffnet für eine doppelte sakramententheologische Entwicklung: zum einen konnte ein stärker rechtliches Verständnis der Buße entstehen. Dieses stand in Korrelation zu einem Sündenverständnis, das die Sünde als Tatsünde verstand und dem ein Katalog der Vergebungsformen korrespondierte. Zum anderen wurde die eigentliche Vergebungsfrage selbst ausgeblendet zugunsten theologischer Spekulationen der formalen Wirksamkeit von Sakramenten. Beides sollte erst zu jener Situation führen, die als beschriebene Krise des Bußsakraments gezeichnet wird. Dabei erscheint diese Krise zunächst einmal nicht weniger als eine Krise einer bestimmten kirchlichen Verfassung zu sein. Diese entwickelte sich infolge des Konzils von Trient zunächst zu einer gegenreformatorischen und kontroverstheologischen Ausprägung ihrer Praxis (vgl. Dallen 1986, 180-183). Gerade aber die Zeit der Aufklärung führte zu einer kurzzeitigen theologischen Reformbewegung (vgl. Dallen 1986, 183f.), in der die eigentlichen theologischen Fragen des Bußsakraments wieder verhandelt wurden. So stellte die Aufklärung einerseits die Möglichkeit dar, das Methodenrepertoire der theologischen Wissenschaft deutlich auszuweiten. So konnte es „zu einer methodisch-didaktischen Erneuerung des Verständnisses von Theologie, die biblisch-heilsgeschichtlich begründet, breit historisch fundiert und radikal pragmatisch ausgerichtet sein sollte“ (Vorgrimler 1978, 192) kommen. Andererseits provozierte die Engführung des Glaubens auf die Moral wiederum, die Sakramente nunmehr als pädagogische und moral-erziehende Maßnahmen zu reduzieren.

      Obwohl die sich im 19. Jahrhundert entwickelnde neuscholastische Theologie über ein breites historisches Wissen zur Entwicklung des Bußsakraments verfügte, reflektierte sie jedoch nicht die darin sich ausdrückenden Denkform-Transformationen oder wandte die Erkenntnisse zu einer Veränderung sakramententheologischer Reflexion an, sondern versuchte, die vorfindliche Praxis in Traditionsbeweisen zu begründen. Eine wirklich historisch orientierte Reformulierung des Bußsakraments scheiterte (vgl. Dallen 1986, 184, mit dem Verweis auf die Enzyklika „Mirari Vos arbitramur“ (15.8.1832) von Gregor XVI., DH 2730-2732). Im Gegenteil: diese sich im späten 19. Jahrhundert bis zum frühen 20. Jahrhundert darstellende kirchliche und theologische Situation stellte für die sakramentale Praxis eine völlig neue Situation dar! Die geläufige Praxis des Kommunionempfangs sollte deutlich erhöht werden. Diese Veränderung in der Praxis der Eucharistiefeier führte zu einer regelrechten Kettenreaktion, die gravierende Auswirkungen auf das Sakrament der Buße hatte. Da der Kommunionempfang nämlich nur möglich ohne Todsünde sei, dieser Zustand aber nur sicher nach der Beichte sei, wurde diese als Absolution der Sünden vor jedem Kommunionempfang erbeten. Damit ergab sich die paradoxe Situation, dass das Sakrament der Beichte häufiger als im Konzil von Trient vorgeschrieben empfangen wurde. In den römischen Dekreten wurde dies durchaus bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts begrüßt (so Leo XIII. (DH 3360-3364): Mirae caritatis vom 28.5.1902; Pius X. (DH 3375-3383): Sacra Tridentina Synodus vom 20.12.1905; (DH 3530-3536): Quam singulari vom 8.8.1910). Die mit der häufigen Kommunion verbundene Beichtpflicht führte schließlich zu jener Situation, die sich dann als Ausgang der Krise der Beichte, wie sie von den 1970ern an benannt wird, darstellt (vgl. Scheule 2002, 75-77)! Damit ist die historisch einmalige Beichthäufigkeit im 20. Jahrhundert „kein isoliertes running wild der Frömmigkeitspraxis […], sondern [stand] durchaus in einem Zusammenhang mit Theologie und Lehramt“ (Scheule 2002, 78).

       DAS BUSSSAKRAMENT ALS SEISMOGRAPH FÜR GESELLSCHAFTLICHE UND KIRCHLICHE ENTWICKLUNGEN

      Das Bußsakrament scheint also eine Art Seismograph für gesellschaftliche und kirchliche Entwicklungen darzustellen. Nicht nur löste seine mittelalterliche Praxis die reformatorischen Streitigkeiten aus, sondern diese legten die dahinterliegenden theologischen Themen ja erst wieder offen. So brauchte es eine Klärung, wie Gott angesichts der Sünde seine Gnade dem sündigen Menschen tatsächlich zukommen lassen konnte. Die Kontroversen der Reformation kristallisierten sich nicht ohne Grund an diesem theologischen Streitpunkt und seiner gängigen Praxis. Wie wenig die Lösungen, die das Konzil von Trient entschied, zufriedenstellend waren, zeigt die Notwendigkeit einer Neuzuordnung von Glauben und Wissen in der Aufklärung. Für das Bußsakrament wesentlich wurde die Moralisierung des Glaubens, mit dem die Themen verhandelt wurden, die als rationale Erkenntnisse des Glaubens bewahrt bleiben konnten. Die Frage also, wie der Mensch zu leben hat, wurden von der religiösen Frage auf die moralische transformiert. Damit kritisierte die Aufklärung diejenigen Glaubensinhalte, die als religiöse nicht mehr verständlich waren, und reformulierte jene, die das Verhalten des Subjekts betrafen. Die augenscheinliche Überschneidung der Motive, die sich in der Ethisierung und Moralisierung des einzelnen Subjekts finden (vgl. Vorgrimler 1978, 192f.), und die im Laufe des 19. Jahrhunderts sich entwickelnde neuscholastische Theologie, die sich einerseits aufgrund der erdrutschartigen Anfragen und Erkenntnisse außertheologischer Wissenschaften in die Defensive gedrängt sah und andererseits mit dem Entstehen des Ordentlichen Lehramtes eine lehramtliche Fassung erlangte (vgl. Wolf 2010, 240; 248; 252; 257) und die bisherige Vielfalt katholischer Reflexion auf die Herausforderungen der Aufklärung beinahe beendete (vgl. Norbert Fischer 2004; Bader und Fischer 2005; Fischer 2012a und 2012b), stellen die Situation dar, in die hinein im 20. Jahrhundert nicht nur die lehramtlichen Dekrete wirken, sondern auch die liturgische Erneuerung und Forschung (vgl. Dallen 1986, 188: „The practice of devotional confession began to be questioned in German-speaking countries in the 1930s and came under strong criticism in the 1940s.“). Letztlich wird die Festlegung des Konzils von Trient auf die Privatbeichte als einzige von alters her praktizierte Bußform schlicht wissenschaftlich widerlegt und damit der Weg eröffnet, über neue Formen des Sakraments der Buße nachzudenken (so als erster: Xiberta 1922; als Überblick ebenso Dallen 1986, 186ff.).

      Die liturgische Erneuerung legte damit ein Problem offen, das selbst zu Beginn des II. Vatikanischen Konzils für das Bußsakrament zu überraschenden Einsichten führen sollte: die sich verstetigende Konzentration auf den Sünder und seine Disposition vernachlässigte die kirchliche Dimension des Sakraments dermaßen, dass das Sakrament der Buße schlicht nicht mehr als Liturgie wahrgenommen wurde (vgl. Kaczynski 2009, 154). Somit konnten folglich auf dem II. Vatikanum zunächst auch keine liturgischen Reformideen eingebracht werden. Es wurde nur die Anweisung auf eine grundlegende Reform in die Liturgiekonstitution eingebracht (SC 72,1)! Das Bußsakrament war als Institut in einem Maße verrechtlicht, dass die eigentlichen Themen – so die Vergebungsproblematik – in den Hintergrund traten (vgl. Krämer 1998, 211). Mit diesem Verlust der Kirchlichkeit im Vollzug des Sakraments kann aber zugleich das Zueinander von der von Gott ermöglichten Umkehr, der Sündenvergebung durch das

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