Wohlstand anders denken. Группа авторов
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Durch Anlageverhalten, Beteiligungen, Kauf und Verkauf von Unternehmensbeteiligungen sind Finanzmarktakteure von einer Größe und Komplexität entstanden, dass sie inzwischen als „SIFIs“ (Systemrelevante Internationale Finanzinstitutionen) bezeichnet werden, bei denen die Gefahr besteht, dass deren Probleme ganze Staaten oder gar Wirtschaftsregionen beeinträchtigen. Einer aktuellen Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zufolge kontrollieren 147 Finanzkonzerne, das bedeutet 1,7% der multinationalen Unternehmen, über ihre direkten und indirekten Beteiligungen ungefähr 80% der weltweiten Umsätze. Dabei sind bekannte Namen, wie etwa die Nummer 1, die Barclays Bank, aber auch eher unbekannte Namen, wie etwa die Nummer 2, die Capital Group Companies, die Beteiligungen in Höhe von 1 Billion US$ verwaltet.8 Demgegenüber ist der weltweite Reichtum geradezu egalitär verteilt: Hier verteilen sich 80% auf fünf bis zehn Prozent der Besitzenden. Es ist offensichtlich, welche Macht eine derartige Konzentration gegenüber der Politik hat.
Dabei geht es in den Finanzkrisen nicht nur um die weltweite Vernichtung von ‚Vermögen‘ jener, die Geld für Anlagen haben. Es geht auch um reale Jobs und um Lebensmittel.
Mit den Banken geriet die Weltkonjunktur insgesamt ins Schleudern. Import, Export, Investitionen und Konsum gingen zurück, was Arbeitsplätze kostete oder Kurzarbeit und Gehaltseinbußen nach sich zog, was wiederum die Inlandsnachfrage beeinträchtigte, was die Konjunktur und Arbeitsmarktsituation erneut negativ beeinträchtigte usw. Die Weltfinanzkrise vernichtete nach Schätzungen von IWF und ILO 30 000 000 gut bezahlte Arbeitsplätze. Am meisten natürlich dort, wo überhaupt Jobs sind, aber auch dort, wo die Jobsituation ohnehin schon schlecht ist.9 Besonders hart betroffen waren exportorientierte Länder: In Sambia wurde beispielsweise ein Drittel aller Jobs in der Kupferindustrie vernichtet, einem Land ohne Arbeitslosen- und Sozialversicherung, wo jeder Job zwischen 15 und 25 Familienmitglieder ernähren muss.10 Verschärft wird die Situation dort, wo viele Jugendliche heranwachsen und Jobs suchen. Der UNICEF-Jahresbericht 2011 weist darauf hin, dass weltweit 81 000 000 Jugendliche arbeitslos waren, soviel wie noch nie zuvor, dass aber nirgends die Situation so schlimm sei wie in Nordafrika, wo bis zu 25% aller Jugendlichen betroffen sind.11
Auch der Welthunger stieg wieder an, und dies, obwohl eigentlich niemand bestreitet, dass es auf der Erde genügend zum Essen gibt. Die Preissteigerungen begannen ab der zweiten Hälfte 2007, als viele Investoren ihre Gelder in den Gütermarkt und dort beispielsweise gehandelte „Agrarrohstoffe“ umlenkten, um anderweitige Verluste ausgleichen zu können. Entsprechend berichtet der aktuelle Foodwatch-Report, dass zum März 2011 600 Milliarden US$ durch Versicherungen, Pensionsfonds und andere Anleger in Papiere investiert waren, die Investmentbanken und Hedgefonds für Wetten mit Rohstoffen, darunter Mais und Weizen, aufgelegt haben.12 Damit unterliegen nun auch Agrarrohstoffe den Preisschwankungen, die computergesteuerte Handelssysteme erzeugen, inklusive heftiger Preissteigerungen, die, je nach Berechnungsgrundlage, in den letzten Jahren zwischen 100% und 150% liegen.13 Hinzu kommt, dass Nahrungsmittelpreise in armen Haushalten ganz anders zu Buche schlagen als in reichen Haushalten: Während in einem Industrieland Nahrungsmittel typischerweise 10% bis 20% der monatlichen Haushaltsausgaben umfassen, liegt ihr Anteil in armen Ländern bei 60% bis 80%. Steigen Grundlebensmittel auf dem Weltmarkt um 50%, macht dies im Haushaltsbudget reicher Länder eine sechsprozentige, in armen und Lebensmittel importierenden Ländern eine 21%ige Steigerung aus.14
Welche Auswirkung eine Kombination von Arbeitslosigkeit und überteuerten Lebensmitteln haben kann, haben der Arabische Frühling und die Aufstände in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten gezeigt, wo bei den Ursachen auch überteuerte Lebensmittel und hohe Arbeitslosigkeit eine Rolle gespielt haben. Aber: Auch in reichen Ländern kommt es angesichts der Auswirkungen zunehmend zu teilweise gewalttätigen Protesten gegen die Sparpolitik der Staaten, die zugunsten der Banken und zulasten der Bürger geht: Was in Athen und London passierte, kann morgen in Paris, Berlin und Spanien geschehen – gerade in Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit inzwischen bei unvorstellbaren 45% liegt.
Technische Lösungsansätze
Natürlich sind sich alle darüber im Klaren, dass ‚man etwas tun muss‘. Und natürlich gibt es technische Lösungsansätze, mit denen im nationalen, europäischen und internationalen Kontext versucht wird, die schlimmsten Auswüchse der gegenwärtigen Krisen zu mildern oder gar aufzufangen. Einige Beispiele sind:
– Einschränkung des Eigenhandels der Banken, also des Handels der Banken ohne Kundenauftrag,
– Erhöhung des Eigenkapitals bei Banken, um sie weniger abhängig von öffentlicher Stützung zu machen,
– Einschränkung des Computerhandels,
– Verbot von ungedeckten Leerverkäufen und Kreditausfallsversicherungen, die etwa beim Spekulieren gegen den Staatsbankrott eine wichtige Rolle spielten,
– Transparenz des Schattenbankensektors,
– Ermöglichen von Bankeninsolvenzen, um Risiken, die von systemrelevanten Banken ausgehen, zu verringern,
– Verbot des Handels mit Lebensmitteln,
– Und so weiter.
Probleme beim Gegensteuern
Freilich: Ein Gegensteuern ist, selbst wenn man weiß, wie es laufen könnte, nicht so leicht umzusetzen: Staaten haben es extrem schwer, die Deregulierung rückgängig zu machen, selbst dort, wo sie entschlossen dazu sind. Staaten sind an Gesetz und Verträge gebunden sowie demokratischer Kontrolle unterworfen, was ihr Vorgehen deutlich erschwert im Vergleich zu Kapitalgesellschaften, deren Vorstände wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen fällen können und bestenfalls einmal im Jahr ihren Aktionären und Anlegern Rechenschaft geben müssen. Konkret: Den eben erwähnten 147 Mega-Finanzmarktakteuren, die über eine gemeinsame Unternehmenskultur und grenzübergreifende Strukturen verfügen, stehen 194 politische Staaten gegenüber, die durch politische, gesellschaftliche, rechtliche, kulturelle und so weiter Unterschiede charakterisiert sind und sich entsprechend schwertun, bei irgendetwas zu kooperieren. Das zeigen weltweit beispielsweise die Positionen innerhalb der G20, wo Länder wie Brasilien, Indien oder China die Weltfinanzkrise (nicht zu Unrecht!) primär für ein Problem der westlichen Staaten erklären. Dann gibt es innerhalb der westlichen Staaten die unterschiedlichen Kulturen des angelsächsischen und des kontinentaleuropäischen Bankensystems, dann gibt es wiederum das sehr spezielle deutsche Dreibankensystem mit Sparkassen, Privat- und Genossenschaftsbanken.
Darüber hinaus darf man die Macht und den aktiven Widerstand der Finanzmarktakteure gegen alle Versuche, seine Profitabilität zu beschneiden, nicht unterschätzen. Verbündete haben sie durch Vertreter der universitären Lehrstühle, die immer noch der ‚orthodoxen neoliberalen Mainstream-Lehre‘ anhängen, durch Minister oder Mitarbeiter in Regierungsbehörden, die zuvor im