Priesterlich werden - Anspruch für Laien und Kleriker. Medard Kehl

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Priesterlich werden - Anspruch für Laien und Kleriker - Medard Kehl Ignatianische Impulse

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       Den Dank vervielfachen (2 Kor 4,15)

      Wenn priesterliche Berufung in der Kirche nicht als Stein des Anstoßes, sondern als positive Gabe, als Geschenk wahrgenommen werden soll, muss zuvor unmissverständlich herausgestellt werden: Das Geschenk schlechthin ist Jesus Christus. Er allein ist im ursprünglichen Sinn Priester und nur er. Deswegen kennt die Kirche des Neuen Bundes keine Priester im herkömmlichen Sinn. Es gibt keinen anderen Mittler zwischen Gott und den Menschen als den Menschen Christus Jesus (1 Tim 2,5). In diesem Sinn hat alles Priesterliche im christlichen Kontext nur Sinn und Bestand, wenn es am Priestertum Jesu teilhat. Der Hebräerbrief hält für Jesus den Titel eines Hohenpriesters bereit (Hebr. 2,17; griech.: archihiereus, lat.: pontifex), füllt diesen religionsgeschichtlich kultbezogenen Begriff jedoch neu: Das priesterliche Tun Jesu, der Kult des Neuen Bundes ist seine Lebenshingabe an Gott. Im Geheimnis von Tod und Auferstehung ist Jesus der Hohepriester. Das österliche Geschehen versöhnt die Welt definitiv und ein für alle Mal mit Gott. Das Paschamysterium ist Quelle und Gipfelpunkt des Priestertums. Deswegen ist priesterliche Existenz immer österlich und deswegen bedeutet der Prozess, priesterlich zu werden, für die Kirche, einen österlichen Weg zu beschreiten. Im Kontext der heilsgeschichtlichen Ordnung bleibt das Christusereignis trotz seiner Einzigartigkeit jedoch kein solipsistischer Akt Gottes, keine isolierte göttliche Initiative von oben herab. Entsprechend der dialogischen Grunddynamik der Heiligen Schrift von Ruf und Antwort ist auch das Erlösungsgeschehen dialogisch konzipiert. Gott ruft und sucht Menschen für seinen Dienst. Das ist der entscheidende Punkt, in dem jeglicher religiöse Dank seinen ursprünglichen Grund findet: Gott handelt nicht ohne uns. Im jüdisch-christlichen Kontext ist der Mensch nie nur aus sich heraus zu verstehen. Das biblische Verständnis vom Menschen gründet in der grundlegenden Erfahrung des Sich-Verdankens. Dankbarkeit ist immer Antwort auf die Vorgabe des göttlichen Wortes. Die Geschenke der Schöpfung, der Erlösung und der Heiligung sind die Basis für den eucharistischen (danksagenden) Charakter des Christseins. Deshalb betet die Liturgie an entscheidender Stelle bei der Messfeier: »Wir danken dir (Gott), dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen« (Zweites Hochgebet). Dieses Gebet umschreibt die Dimension der Dankbarkeit in der gläubigen Beziehung zu Gott und beschreibt die priesterliche Natur der Kirche. Die Eucharistie als Lebensinhalt und als konkrete Feiergestalt stellt den entscheidenden und unterscheidenden Auftrag der Kirche in der Welt dar. Im Gott preisenden Dank antwortet das neue Gottesvolk auf die göttliche Initiative und erfüllt so seine Sendung, seinen spezifischen Auftrag in der Welt. Im Sinn einer Leitbildformulierung legt der 2. Korintherbrief gleichsam ein klassisches Mission Statement des Priesterlichen in der Kirche vor: »damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen, Gott zur Ehre« (2 Kor 4,15). Es ist der Dank für Jesus, den einzigen und entscheidenden Priester.

       Das Volk Gottes – eine königliche Priesterschaft

       Damit ihr die großen Taten Gottes verkündet (1 Petr 2,9)

      Damit die allen Christen eigene Berufung zum lobpreisenden Dank zu allen Zeiten und an allen Orten gegenwärtig bleibt, wurden – berichtet die ganze Heilige Schrift – immer wieder Menschen durch göttliche Initiative für einen besonderen Dienst gerufen. Sie wurden herausgerufen aus ihren alltäglichen Bezügen, um einen Auftrag Gottes zu erfüllen. Propheten und Apostel werden zur Verkündigung berufen und bestellt. Der Dienst dieser Herausgerufenen besteht darin, Menschen gerade in schwierigen Situationen auf Gottes bleibende Gegenwart und sein kontinuierliches Heilshandeln zu verweisen. Aus den vielfältigen Zerstreuungen, aus den Abbrüchen und Umbrüchen des Lebens sollen Menschen an den da seienden Gott erinnert werden und zu einer Gemeinschaft im Dank gesammelt werden. In dieser Weise hat auch Jesus sein öffentliches Wirken als endzeitliche Sammlung des Gottesvolkes verstanden. In der Nachfolge dieser biblischen Dynamik ruft Gott bei gleichzeitiger Kontinuität und Diskontinuität Menschen in seinen besonderen Dienst. Das bekennt die Liturgie, wenn sie betet: »Bis ans Ende der Zeiten versammelst du dir ein Volk, damit deinem Namen das reine Opfer dargebracht werde vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang« (Drittes Hochgebet). Die Feier der Eucharistie stellt gleichsam als Vorausbild das universale Dankopfer des in Christus endzeitlich gesammelten Gottesvolkes dar. Für die realexistierende Kirche wird darin ihr pastoraler Grundauftrag angegeben: eine für alle Menschen und Völker offene, weltumspannende Gemeinschaft des lobenden Dankes zu werden, um »als eine heilige Priesterschaft durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen« (1 Petr 2,5). Und der 1. Petrusbrief führt diesen Gedanken einige Verse weiter aus, indem er den spezifisch priesterlichen Auftrag des Gottesvolkes heraushebt und unterstreicht: »Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten Gottes verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (1 Petr 2,9).

      Die Aufgabe der Sammlung der Menschen zum Lob Gottes gilt der Kirche insgesamt. Durch die Taufe sind die Christen sakramental in das Lebensschicksal und den Auftrag Jesu hineingenommen. Deshalb haben alle Getauften existentiell Anteil an der königlichen, priesterlichen und prophetischen Würde des Sohnes Gottes. Christen sind sozusagen »Anteilseigner« an der universalen göttlichen Heilsinitiative. In paulinischer Diktion ist Jesus in der Taufe ihr Kleid geworden (Gal 3,27): Christus umkleidet die menschliche Wirklichkeit der Getauften. Wenn es wahr ist, dass Kleider Leute machen, dann nehmen die Menschen im Habit(us) der Getauften, durch ihr Tun und Lassen Christus wahr. Im Handeln der Getauften ist Christus als der gekreuzigte und auferstandene Herr gegenwärtig. Die christliche Gemeinde als die in Taufe und Firmung mit dem Geist Jesu begabte Gemeinschaft wirkt mit an der Vollendung der göttlichen Initiative zum Heil und zur Heilung der Welt. Christen sind also das priesterliche Volk Gottes in der Welt, wie die Kirche in hymnischer Gebetssprache und gleichzeitig nüchtern bekennt: »Denn Christus hat dein ganzes Volk ausgezeichnet mit der Würde seines königlichen Priestertums« (Präfation der Chrisammesse). Das hat zur Folge, dass Priestertum kein Standesprivileg ist, auf das sich jemand in eigener Person berufen könnte. Es gehört nicht exklusiv einigen wenigen Auserwählten, die zu Priestern geweiht wurden, sondern es bleibt Geschenk Gottes an sein ganzes Volk, weil Gott durch Menschen handelt. Priestertum bedeutet erst recht nicht die Auszeichnung einer Person, sondern es ist und bleibt immer »die Würde seines königlichen Priestertums«. Es geht um Jesus; denn nur er ist im eigentlichen Sinn Priester.

       Priester – Zeichen für Christus

       Ich bin es nicht (Joh 1,21)

      Das besondere Priestertum des Dienstes, das im Sakrament der Priesterweihe übertragen wird, existiert in der Kirche, damit das Volk Gottes als Ganzes seine priesterliche Berufung verwirklichen kann. Der geweihte Priester steht dem priesterlichen Gottesvolk in einem ausdrücklichen Dienstverhältnis gegenüber. Dieser Dienst begründet das Amt und nicht umgekehrt. Das 2. Vatikanische Konzil lehrt in seiner theologischen Reflexion über die Kirche Lumen Gentium 10 ausdrücklich, dass es keinen graduell gestuften Unterschied im Sinne eines Mehr an Priesterlichkeit für den geweihten Priester gibt. Der Unterschied ist nicht quantitativ, sondern bezieht sich qualitativ auf das Wesen des priesterlichen Auftrags. Die wesentliche Differenz besteht nicht in einer Steigerung, sondern in dem eigenständigen Bezug des Weihepriestertums zum priesterlichen Dienstamt Jesu: Aufgrund der sakramentalen Weihe handelt der geweihte Priester amtlich »in persona« Christi als dem Haupt der Kirche. Der spezifische und nicht übertragbare Auftrag des Weihepriestertums gegenüber dem gemeinsamen Priestertum aller Glaubenden ist die Vergegenwärtigung des Gegenübers Jesu zu seiner Kirche als Herr. Der Priester steht für Christus, der der Kirche als Haupt vorsteht und die Menschen in diese Gemeinschaft beruft. Aus dieser Konformität mit Christus als dem Herrn ist das Weihepriestertum ein Leitungsdienst, der sichtbar darstellt, dass Gott in Jesus als dem Auferstandenen an seinem Volk bis heute handelt. Weil nur Jesus das Haupt der Kirche ist, deshalb ist dem geweihten

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