Brennende Gegenwart. Christian Herwartz

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Brennende Gegenwart - Christian Herwartz Ignatianische Impulse

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Aufgaben wie die Vorbereitung des Frühstücks und eines einfachen Abendessens. Ebenso laden sie zum Morgengebet ein, das den Aufbruch in den Tag unterstützt.

      Die BegleiterInnen übernehmen die Gestaltung eines Gottesdienstes am späten Nachmittag. Er ist ein Ruhepunkt nach den Erfahrungen des Tages, an dem der Dank für die Ereignisse im Hören auf die biblischen Erzählungen und das Gegenwärtig-Sein des Heilsgeschehens spürbar werden kann. Sie laden auch zu der einzig bindenden Zeit ein, dem Austausch über die Erfahrungen des Tages auf der Straße. In der Regel geschieht dies am Abend in kleinen Gruppen mit bis zu fünf Übenden. Eine Frau und ein Mann, die durch eigene Erfahrungen sensibilisiert sind, begleiten die Gruppe. Sie schenken den TeilnehmerInnen ihre Aufmerksamkeit. Diese erzählen von ihren Erfahrungen während des Tages. Oft wird die geheimnisvolle Führung in den Übungsstunden erst in diesen Gesprächen deutlich, also im eigenen Erzählen oder beim Hören auf das Ringen anderer in der Gruppe. Alles, was von den Teilnehmenden selbst entdeckt wird, hat Vorrang vor Ratschlägen anderer, von denen sich die Übenden nur das nehmen, was ihnen nützlich erscheint. Die BegleiterInnen ermöglichen das Erzählen und den behutsamen Austausch, an dem sich alle beteiligen können.

      Jede/-r Übende entscheidet selbstständig, wie viel Zeit reserviert wird für das oft mühevolle Üben der Aufmerksamkeit. Wie bei jedem Training treten Blockaden beim Entdecken von Zusammenhängen oder beim Lernen von Fähigkeiten auf. Sie können nicht einfach durch Willensstärke überwunden werden. Innere Lebensimpulse wollen entdeckt und können durch unhinterfragte Meinungen erstickt werden. Auf diese Vorurteile einzugehen, mit den darin sichtbar werdenden Verdrängungen zu ringen und sie fallen zu lassen führt zur Befreiung, die dankbare Freude auslöst. Jede/-r Übende geht dabei einen eigenen inneren Weg, der Respekt und Verschwiegenheit der anderen verlangt. Manchmal ist etwas Beherrschung notwendig, neugieriges oder mitfühlendes Nachfragen hintanzustellen und die eigenen Tageserfahrungen erst beim Abendaustausch anzusprechen. Sonst werden wichtige Teile dabei vergessen, weil sie schon an anderer Stelle erzählt und kommentiert wurden.

      Das aufmerksame Wahrnehmen der Wirklichkeit lässt sich nicht organisieren. Aber es wird durch Freiräume ohne Handlungsdruck ermöglicht. Sie sind nicht automatisch da. Absprachen sollen sie ermöglichen, damit wir still und vielleicht sogar staunend sein können. Leicht wird unser Hunger nach unverstelltem Hören durch vielerlei Kräfte oberflächlich gestillt. Wenn wir diese Ablenkungen erkennen, dann dürfen wir sie ohne jede Schuldzuweisung beiseitelegen und uns wieder auf den unplanbaren Weg Gottes einladen lassen.

      Hinweise für Exerzitien im Alltag

      Sicherlich werden nicht alle LeserInnen Gelegenheit haben, an einem Exerzitienkurs auf der Straße teilzunehmen. Trotzdem können die hier festgehaltenen Anregungen genutzt werden, sich bereitzumachen, Christus als Straße im eigenen Leben zu entdecken. Peter Hundertmark beschreibt die Exerzitien auf der Straße als ein Beten mit offenen Augen, und er erzählt, wie er abends eine halbe Stunde auf der Dorfstraße hin und her geht und ins Gebet kommt.5 Wie bei allen Geistlichen Übungen ist entscheidend, in dem Vertrauen zu wachsen, dass uns der Geist Gottes führen will. Von ihm dürfen wir uns die Straße zeigen lassen, auf der er uns begegnen will. An die Erfahrungen auf der Straße sollten wir uns später erinnern, sie also nochmals am selben oder einem anderen Ort vergegenwärtigen. Ein Reisetagebuch könnte dabei helfen. Ebenso regelmäßige Gespräche mit einer Person, die das eigene Hören durch ihr erfahrenes, wertschätzendes Hinhören unterstützt.

      Überraschend begegnet uns Gott durch einen Menschen, ein Zeichen oder eine spontane Freude in uns selbst. Er braucht keine Bedingung, um uns zu finden. Jeder Vergleich eines besseren oder schlechteren Weges zu ihm ist lächerlich. Gott kommt auf uns zu, und wenn er bei uns eine geöffnete Tür findet, dann tritt er mit seinem Frieden identitätsstiftend ein. Jeder Ort, an dem wir ihn empfangen dürfen, wird uns heilig sein.

      Der Aufbruch – ein Rat Jesu

      Schon einige Zeit war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs. Sie hatten viele Heilungen miterlebt und waren in den Frieden Gottes eingewiesen. Das Vertrauen in die Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes sollte bald in Jerusalem seine Krise und Bestätigung bekommen. Lukas berichtet, wie Jesus die Jünger auf diesen Konflikt vorbereitet: »Merkt euch genau, was ich jetzt sage: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert werden« (9,44). Jesus ahnt die kommenden Leiden als Konsequenz der von ihm gelebten Botschaft. Bald darauf sendet Jesus seine Jünger aus (Lk 10,1–11). Sie sollen ihm jeweils zu zweit auf dem Weg zum religiösen und politischen Zentrum in Jerusalem vorausgehen und sein Kommen in den Dörfern und Städten vorbereiten.

      »Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.« Jesus redet sehr deutlich von dem lebensbedrohenden Verhalten der Umwelt. Der von ihm gelebte Frieden und das Leben seiner JüngerInnen werden durch Konkurrenz, Herrschsucht, Angeberei und vieles mehr bedroht. Jesus schickt die Jünger und auch uns oft durch mitreißende Ängste hindurch. Im Leben und auch in den Exerzitien wird uns diese zähnefletschende Angst in Schrecken versetzen. Sie tritt oft recht laut auf den Plan und übertönt die leise innere Stimme, die aus unserer Identität heraus zu uns spricht. Damit wir achtsam bleiben für diese Stimme, gibt Jesus vier Anweisungen mit auf den Weg:

      1. »Nehmt keinen Geldbeutel mit.« Damit sagt er uns: Glaubt nicht, dass ihr euch aus dieser bedrohlichen Situation mit Geld freikaufen könnt. Lasst das Geld weg! Wie übersetzen wir uns diese Anweisung in unser Leben? Mit welchen Mitteln mauern wir uns ein, versuchen uns unangreifbar und unabhängig zu machen?

      2. »und keine Vorratstasche«: Betrügt euch nicht selbst und kauft von dem Geld schnell ein Überlebenspaket, um es dann in einer Tasche mitzunehmen. Jeder von uns kennt seine Täuschungsversuche. Passt auf und weist sie zurück!

      3. »und keine Schuhe«: Jesus legt seinen Jüngern das Vertrauen auf die Gastfreundschaft friedliebender Menschen ans Herz. Ihren Gemeinschaften sollen sie den Frieden Christi zusprechen. Beim Eintritt in ihre Häuser werden als Zeichen der Friedfertigkeit die Schuhe abgelegt. Dies sollen die Jünger nicht erst auf der Schwelle dieser Häuser tun, sondern sofort. Ihr Auftrag und Besuch bei den noch Fremden beginnt jetzt. Was lassen wir zurück, um in das Haus der anderen ohne zerstörerische Hintergedanken, mit denen wir das Fremde beherrschen wollen, eintreten zu können?

      4. »Grüßt niemanden unterwegs«: Vielleicht heißt dieser Satz für uns: Lasst euch nicht aufhalten! Uns fallen viele Gründe ein, dies oder das noch zu erledigen, und erst dann wollen wir mit der Aufmerksamkeit beginnen. – Eine Frau reagierte ganz energisch ablehnend auf diesen Satz Jesu: »Das geht nicht, ich will doch nicht unhöflich sein.« Da habe ich bemerkt, wie wir davon besetzt sind, was »man« tun sollte. Jetzt höre ich diese vierte Anweisung Jesu neu: Sei vorsichtig, wenn in dir eine Stimme sagt, dass man dies oder das tun müsse. Die eingeübten Regeln waren Krückstöcke, das Leben zu meistern. Jetzt können sie weggelegt werden, weil eine Heilung eingetreten ist. Höre nochmals hin und suche nach dem Lebensimpuls, den du in dir spürst.

      Der nächste Satz nach dem Grußverbot heißt: »Wenn ihr in ein Haus kommt, sagt als Erstes: Friede diesem Haus!« Grüßt also die Bewohner des Hauses. Die gelebte Friedensbotschaft ist das Ziel allen geistlichen Suchens.

      Diese Regeln im Lukasevangelium gelten auch für den Eintritt in die Exerzitien auf der Straße, die den Erfahrungen beim Pilgern ähneln. Sie warnen uns vor blockierenden Interessen und befreien uns zum vorbehaltlosen Suchen. – In der Aussendungsrede sagt Jesus auch: »Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.« Den Frieden des Reiches Gottes anzusprechen ist nicht nur der Auftrag der Jünger damals. Die Suche nach Einheit ist zu allen Zeiten zentral und ist eine mühevolle, doch auch eine befriedigende Arbeit. Sie verdient ihren Lohn.

      Das

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