Lebendige Seelsorge 4/2016. Группа авторов

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Heft lädt jetzt schon ein zur synodalen Einmischung.

      Eine aufregende Ferienlektüre wünscht Ihnen

       Ihr

      Prof. Dr. Erich Garhammer

       Schriftleiter

      Von der Bischofssynode zum postsynodalen Schreiben Amoris laetitia

      Ein Teilnehmer an der Bischofssynode 2015 geht einer Reihe von Fragen nach, die für die Interpretation von Amoris laetitia von Belang sind: Wo liegen die Quellen des Schreibens? Wie ist es strukturiert? Welchen Akzent setzt der Text? Michael Sievernich SJ

      Papst Franziskus hat Freude an der Freude. Hätte er sonst seine beiden Apostolischen Schreiben unter den Titel der Freude gestellt: „Die Freude des Evangeliums” (Evangelii gaudium) und „Die Freude der Liebe” (Amoris laetitia)? Dieses Leitmotiv erklingt nach einer langen Zeit des Lamento, das ein Journalist schon vor fünfzehn Jahren formulierte. „Die katholische Kirche hat es – entgegen ihrer jahrhundertelangen verbindlich-geschmeidigen Seelsorgepraxis – dahin gebracht, dass viele ihrer Gläubigen sich angesichts eingeschärfter Morallehren wie Fremde oder gar Aussätzige vorkommen, entweder in der Gesellschaft oder in der Kirche. […] Sie dürften schwerlich begreifen können, dass mit dem Katholischen einst vor allem Sinnen- und Lebensfreude verbunden war. Die Freude in die Kirche zurückzubringen, wäre eine Aufgabe für Bischöfe und Kardinäle” (Fischer 2001). Muss es nun der Papst selbst richten und die Freude zurückzubringen? Der eigentliche Grund, der auch den Papst antreibt, ist die christliche Botschaft, die ja ein “Eu-angelion” ist, eine frohe Botschaft, deren Lied von der “großen Freude” Jesus schon in der Wiege gesungen wurde (Lk 2,10). Kein Wunder, dass ein früher Zeuge Christi “Mitarbeiter eurer Freude” sein möchte (2 Kor 1, 24). Nach dieser Vorfreude nun zu Eigenart, Struktur und Akzent des Schreibens.

      QUELLEN UND EIGENART

      Das Apostolische Schreiben Amoris laetitia (AL) hat einen Autor, der aber aus zahlreichen Quellen schöpft (vgl. Papst Franziskus 2016). Wer diese Quellen kennt, wird den Text besser verstehen können, wie man die Gestalt des Heiligen Vaters besser versteht, wenn man die spirituellen, theologischen und literarischen Quellen kennt, aus denen er lebt (vgl. Sievernich 2015). Die Quellen von AL werden in den fast 400 Anmerkungen beim Namen genannt. Fünf Typen von Texten sind in das Schreiben eingewoben: Die Heilige Schrift (250 Zitate); die Bischofssynoden von 2014 und 2015 (125 Bezüge); lehramtliche Dokumente des Konzils und der Päpste; lehramtliche Dokumente von Bischofskonferenzen aller Erdteile; Texte einzelner Autoren, von Augustinus bis Dietrich Bonhoeffer.

       Michael Sievernich SJ

      Professor emeritus für Pastoraltheologie an der Universität Mainz und Honorarprofessor an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt; zahlreiche Publikationen zu pastoraltheologischen, weltkirchlichen und interkulturellen Fragen; im Oktober 2015 Teilnahme an der römischen Bischofssynode zu Ehe und Familie.

      Dem Wunsch der Synode von 2015 folgend, hat Papst Franziskus in Amoris laetitia (AL) einen starken Akzent auf die Heilige Schrift gesetzt, beginnend mit einer biblischen Ouvertüre, der poetischen Auslegung des Psalms 128, gefolgt von einer lebenspraktischen Auslegung des paulinischen Hohenlieds der Liebe (1 Kor 13, 1-13), das viele Brautleute als Lesung für die Trauung wünschen. Außer den zahlreichen biblischen Bezügen, nimmt Papst Franziskus im Geist der Synodalität auch die beratenden Schlussdokumente der Synoden von 2014 und 2015 beim Wort (vgl. Schönborn 2015) und läßt – eine neue Tradition in päpstlichen Dokumenten – auch die Bischofskonferenzen der Weltkirche zu Wort kommen. Den Grund dafür bringt er so zur Sprache: „Die Gesamtheit der Wortmeldungen der Synodenväter, die ich mit ständiger Aufmerksamkeit angehört habe, ist mir wie ein kostbares, aus vielen berechtigten Besorgnissen und ehrlichen, aufrichtigen Fragen zusammengesetztes Polyeder erschienen. Deshalb habe ich es für angemessen gehalten, ein nachsynodales Apostolisches Schreiben zu verfassen, das Beiträge der beiden jüngsten Synoden über die Familie sammelt, und weitere Erwägungen hinzuzufügen, die die Überlegung, den Dialog oder die pastorale Praxis orientieren können und zugleich den Familien in ihrem Einsatz und ihren Schwierigkeiten Ermutigung und Anregung bieten” (AL 4).

      Amoris laetitia ist also keine creatio ex nihilo, sondern man könnte sagen: eine creatio ex consensu, d.h. aus einem weitgehenden Konsens erwachsen, der sich in den beiden Synoden und aus den Umfragen herausgebildet hat und zeigt, welche Bedeutung der Heilige Vater diesem Beratungsinstrument beimisst. Das heißt nicht, dass der Papst nur Notar eines synodalen Prozesses wäre, vielmehr bringt er eigene Vertiefungen und Akzentsetzungen ein und bleibt Letztentscheider, da Synoden cum Petro et sub Petro tagen.

      Zu den weiteren Merkmalen des Textes gehört der pastorale Sprachduktus, der die kirchliche Ehelehre weitläufig zur Sprache bringt, ohne sie doktrinell zu erweitern oder zu verfeinern. Daher weist er in der Einleitung darauf hin „dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen”, zumal in jeder Region „besser inkulturierte Lösungen gesucht werden [können], welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen” (AL 3). Überdies wehrt Papst Franziskus zwei Extreme ab: Ohne Begründung „alles zu verändern” oder „alles durch die Anwendung genereller Regelungen” lösen zu wollen (AL 2). Dieses Verfahren führt dazu, dass der Papst keine einzige Lehre verändert, wohl aber dadurch alles ändert, dass er die kirchliche Lehre in einem doppelten Kontext betrachtet, der immer mitbedacht werden muss: Im Kontext der Liebe und der Barmherzigkeit sowie im Kontext des Lebens und der individuell und epochal unterschiedlichen Situationen.

      Überdies verdeutlicht die Synode als internationale Versammlung, dass im Zeitalter der Globalisierung aufgrund der Interkulturalität der Weg der Kirche synodaler werden wird, wie auch eine zurückgenommene Zentralisierung die episkopale Verantwortung wachsen läßt (vgl. Evangelii gaudium 32). Schließlich gehört zur Eigenart des Textes eine typische Offenheit für die Fragen unserer Zeit, die im Ergebnis kein „Stereotyp der Idealfamilie” zeichnet, sondern eine „Collage aus vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten voller Freuden, Dramen und Träume” (AL 57). Dadurch öffnet sich ein umfassendes Verständnis von Ehe und Familie, die ja keine rein katholischen Angelegenheiten sind, sondern ein Menschheitsthema, zu dem die Kirche ihre Vorstellungen und Lösungen anbietet. Daher auch die Hinweise auf die empirischen Seiten und die heutigen Problemlagen wie Süchte, Polygamie oder Reproduktionsmedizin.

      Mit dieser Öffnungsbewegung nimmt Papst Franziskus die Spur des Pastoralkonzils wieder auf, dessen Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes (auch hier die Freude!) sich der Moderne öffnete. Gewiss ist die Welt von damals nun ein halbes Jahrhundert vergangen, doch bleibt der Anspruch, sich der jeweiligen Welt im je aktuellen Heute zuzuwenden. Wie das Zweite Vatikanische Konzil den rhetorischen Sprachmodus von der „Gerichtsrede”, die maßregelt, verurteilt und sanktioniert, auf die „Lobrede” umgestellt hat, die das Positive hervorhebt, die ermutigt und einlädt (O’Malley, 36, 52), so hat auch Amoris laetita auf das Loblied der Liebe und der Barmherzigkeit umgestellt, in deren Licht die Lehre zu interpretieren ist. Zu diesem Paradigmenwechsel kommt eine Sicht, die Ehe und Familie nicht primär als Tummelplatz der Sünde und normatives Exerzierfeld wahrnimmt, sondern trotz aller möglichen und tatsächlichen Konflikte als wunderbare Wirklichkeit menschlicher Liebe und als Orte göttlicher Liebe.

      STRUKTUR UND KOHÄRENZ

      Eine Analyse der Struktur und Kohärenz erschließt sich nicht leicht, weil der Text sehr umfangreich ausfällt und, wie das Bild des Polyeders andeutet, komplex und perspektivenreich ist. Man kann

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