Richtig leben, länger leben. Heinz Ludwig

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Richtig leben, länger leben - Heinz Ludwig

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der Luxus, den sich unsere Wegwerfgesellschaft heute leistet, noch kaum denkbar. Viele Menschen aßen damals auch angeschimmeltes oder andersartig verdorbenes Brot, wenn es sein musste. Es war eben sonst nichts da. Auch andere Lebensmittel aßen sie verdorben, schon weil es noch keine Kühlschränke gab. Der Eismann brachte das Eis zum Kühlen in Blöcken und es gab noch längst kein Ablaufdatum auf den Verpackungen. Zum Glück hat sich seit damals viel verändert. Denn der Verzehr von schimmelnden und verdorbenen Lebensmitteln erhöht das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken, enorm. Ebenso wie der damals übliche häufige Konsum gepökelten Fleisches.

      Lungenkrebs dagegen ist häufiger geworden. Was daran liegt, dass Rauchen bei Frauen erst seit wenigen Jahrzehnten sozial ebenso akzeptiert ist wie bei Männern. Ich verstehe es, wenn zum Beispiel Menschen, die beträchtlichem Stress ausgesetzt sind, sich durch Rauchen Entlastung verschaffen. Denn neben den unzähligen negativen Effekten des Rauchens auf den Körper hat es auch positive. Es reduziert Stressempfinden, verstärkt die Herz-Kreislauf-Aktivität, macht munterer, hebt die Stimmung und fördert die Kommunikation. Wir müssten etwas erfinden, das dieselben positiven Effekte wie das Rauchen hat, ohne den Körper zu schädigen, denn der Zusammenhang zwischen Rauchen und erhöhtem Risiko für Lungenkrebs, aber auch für andere Krebsarten, ist durch die Krebsforschung der vergangenen Jahrzehnte ohne jeden Zweifel bewiesen.

      Dennoch sterben viel weniger Menschen an Krebs als an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was auf das besonders häufige Auftreten von hohem Blutdruck, hohen Blutfetten und Übergewicht zurückzuführen ist. Ein weiterer Grund liegt in den Fortschritten in der Krebsbehandlung. Bei mehreren Krebsformen ist es gelungen, Krebs zu heilen oder von einer tödlichen in eine chronische Erkrankung umzuwandeln. Für die Zukunft sind weitere rasante Fortschritte zu erwarten, zu denen die Korrektur von Defekten in der Steuerzentrale von Krebszellen sowie Immuntherapie und Zelltherapie beitragen werden. Rasante Fortschritte wird auch die neue Qualität der Datenverarbeitung bringen, die unter dem Begriff Big-Data-Mining zusammengefasst werden kann.

      Die Frage, was jeder Einzelne von uns tun kann, um sich gesund zu halten, bleibt trotzdem von überragender Bedeutung. Zwar gibt es bei allen Erkrankungen Faktoren, auf die wir keinen oder nur wenig Einfluss haben, wie etwa unsere genetische Ausstattung oder Umwelteinflüsse, auf die ich später noch eingehen werde. Doch es gibt auch Faktoren, die wir beeinflussen können. Wir haben einen Handlungsspielraum und wir tun gut daran, ihn zu nutzen. Es bedrückt mich manchmal, wie Menschen mangels besseren Wissens oder trotz besserem Wissen leichtfertig darauf verzichten.

      Über diesen Spielraum nachzudenken, fing ich wegen der häufig von Patienten gestellten Frage an, was sie zusätzlich zum vorgeschlagenen Behandlungskonzept tun können. Dabei wurde mir klar, dass es tatsächlich verschiedene Dinge gibt, die sie tun können, um die medizinische Therapie zu unterstützen und damit ihre Prognose und ihre Lebensqualität zu verbessern. Damals fing ich an, mich für die wissenschaftlichen Grundlagen der verschiedenen im Raum stehenden Aktivitäten zu interessieren.

      Ganz oben auf die Liste der sinnvollen Dinge schrieb ich schon damals das Wort »Lieben«. Inspiriert von Fällen wie jenen von Maria Alwara und Robert Thuch meine ich damit nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern den gesamten Bereich unserer zwischenmenschlichen Beziehungen und unserer sozialen Integration sowie unsere Liebe und Hingabe zu einer Aufgabe, einer beruflichen Tätigkeit oder einem Hobby.

      Im Laufe der Zeit ist meine Liste der sinnvollen Aktivitäten gewachsen, ohne jedoch auszuufern. Denn im Grunde lässt sie sich auf fünf Elemente reduzieren, die ich sowohl meinen Patienten besonders ans Herz lege, jedoch auch gesunden Menschen als Lebensmaxime empfehle. Die Dinge, die Patienten tun können, um gesund zu werden oder zumindest ihre Prognose zu verbessern, sind die gleichen, die Gesunde tun können, um gesund zu bleiben.

      Diese insgesamt fünf Dinge lassen sich aus vielen teils umfangreichen wissenschaftlichen Studien ableiten, die Ärzte auf der ganzen Welt durchgeführt haben. Deren Ergebnisse decken sich auch mit meinen Beobachtungen und Erkenntnissen. In diesen fünf Dingen spiegeln sich also sowohl der aktuelle Stand der Wissenschaft als auch meine persönlichen Erfahrungen bei der Behandlung von Patienten wider, aus denen ich seit Langem konsequent und kontinuierlich meine Schlüsse ziehe.

      Ich habe mir schon immer die Frage gestellt, was uns zu dem macht, was wir sind. Wie groß ist die Bedeutung unseres genetischen Gerüstes, unserer Lebenserfahrungen und unseres Umfeldes?

      Als ich studierte, galt die Immunologie als zukunftsträchtiges ärztliches Forschungsgebiet, heute vergleichbar mit der Molekularbiologie oder der modernen Genetik. Damals wollte ich mehr über die biologischen und biochemischen Grundlagen unserer körpereigenen Abwehr von Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Pilzen wissen. Ebenso galt mein besonderes Interesse den sogenannten Autoimmunerkrankungen, bei denen sich unser körpereigenes Abwehrsystem gegen Komponenten unseres Organismus´ wendet. Wie funktioniert dieses System, dessen zentrale Aufgabe es ist, uns gesund zu halten, was stärkt es und was schwächt es?

      Damals waren diese Grundlagen noch ein weites und kaum erforschtes Feld. Das kam meinen Ambitionen und meiner Neugier entgegen. Daher bewarb ich mich um eine Ausbildungsstelle am Wiener Institut für Immunologie, das Carl Steffen, ein brillanter Mediziner und Wissenschaftler, erst kurz zuvor als erstes deutschsprachiges Institut dieser Art gegründet hatte.

      Ich wurde aufgenommen. Nach Einarbeitung in die wissenschaftliche Methodik konnte ich sehr bald eigene Projekte bearbeiten. Drei Jahre später wollte ich meine klinische Ausbildung im Fach der inneren Medizin beginnen. Damals gab es zwei Universitätskliniken für innere Medizin, die miteinander konkurrierten, was durchaus sinnvoll sein kann, weil Wettbewerb stimulierend wirkt.

      Zu dieser Zeit stellte sich die Frage, ob der Typ I Diabetes, also jene Form, die von Anfang an insulinabhängig ist, die Folge einer Virus-Infektion mit nachfolgender Autoimmunreaktion ist. Nachdem ich am Institut für Immunologie verschiedene, damals moderne Forschungstechniken erlernt hatte, war ich für beide Kliniken interessant, weshalb ich mir als damals erst 27-Jähriger aussuchen konnte, auf welche der beiden Kliniken ich gehen wollte.

      Eine der beiden Kliniken befand sich im sogenannten neuen Teil des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, dessen alter Teil unter Maria Theresias Sohn, Kaiser Josef II, erbaut worden war. »Wie viel Zeit brauchen Sie?«, fragte mich die Sekretärin von dessen Leiter Prof. Erwin Deutsch vor meinem Bewerbungsgespräch. »Fünf Minuten oder zehn?«

      Was mich ziemlich irritierte. Bei dem Gespräch selbst gewann ich den Eindruck, dass die gesamte Klinik sehr effizient und professionell arbeitete. Das beeindruckte mich. Doch um einen Vergleich zu haben, bewarb ich mich auch in der zweiten medizinischen Klinik, die Prof. Karl Fellinger leitete. Der dortige Personalverantwortliche Prof. Rudolf Höfer empfing mich mit freundlichen Worten.

      Er erklärte mir sein Forschungsgebiet und kurz auch die Organisation der Klinik. Letztendlich widmete er mir eine halbe Stunde seiner Zeit.

      Beide Kliniken waren vielversprechend. Meine Wahl traf ich bemerkenswerterweise nicht aufgrund der wissenschaftlichen Aktivitäten und klinischen Leistungen der jeweiligen Klinik, die ich gar nicht im Detail in Erfahrung brachte. Vielmehr, und ohne dieses Thema in jenen Tagen bis zu Ende durchgedacht zu haben, erschien mir das Zwischenmenschliche, um das es in diesem Buch noch ausführlich gehen wird, schon damals von großer Bedeutung zu sein. Deutsch mag der bessere Wissenschaftler gewesen sein, doch das Gespräch mit Höfer, das ich als freundlich, interessiert und angenehm empfunden habe, veranlasste mich, meine klinische Ausbildung an der Klinik Fellinger zu beginnen.

      Das war der eigentliche Anfang meiner klinischen Laufbahn, in deren weiterer Folge ich mich auf die Onkologie und Hämatologie sowie Krebsforschung spezialisierte. Seitdem habe ich viele Patienten wie Maria Alwara und Robert Thuch mit Krebs und anderen schweren Erkrankungen begleiten, behandeln und unterstützen können. Ich habe erfahren, wie unterschiedlich Patienten mit der Diagnose Krebs und den damit verbundenen Belastungen umgehen, wie sie um die Wiedererlangung

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