Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Madame Nina weiß alles - Nina Janousek страница 3

Madame Nina weiß alles - Nina Janousek

Скачать книгу

des hohen Ansehens, das meine Bar in Wien genoss, immer dafür, warum Gäste zu uns kamen. Ich wollte wissen, wer ihnen den Anstoß gegeben hatte, »Ninas Bar« zu besuchen.

      »Ich wohne im Hotel Sacher«, erklärte mir Charlie Sheen. »Dort habe ich an der Rezeption gefragt, wohin ich in Wien gehen kann.«

      Ich nickte. Schön zu hören, dachte ich. Wieder einmal hatte sich mein Konzept der Perfektion bezahlt gemacht. Ich achtete mit Argusaugen darauf, dass sich bei mir alle Gäste wohlfühlten und darauf, dass meine Mädchen ein erstklassiges Service boten. Denn ein zufriedener Gast war die beste Werbung. Schließlich lebten wir von Mundpropaganda. Und die machte vor den Pforten der Luxushotels nicht Halt. Die Portiers der Nobelherbergen kannten »Ninas Bar« aus der Zeitung und aus dem Fernsehen, und sie empfahlen mein Etablissement an ihre Gäste, sobald sie nach einer derartigen Lokalität gefragt wurden. Wenn die Herren dann bei mir in der Bar schöne Stunden erlebt hatten, bedankten sie sich im Hotel für den guten Tipp mit einem hohen Trinkgeld. Und die Portiers empfahlen »Ninas Bar« gern wieder. Wenn also ein Gast wie Charlie Sheen nach einem Nachtclub fragte, fiel dem Personal an der Rezeption als erste Adresse »Ninas Bar« ein. Voilà! So lief das. Auch im Sacher, obwohl ich die Portiers selbst gar nicht kannte.

      Apropos Hotel Sacher, in dem Charlie Sheen während seiner Zeit in Wien residierte. Ich war ja stets begeistert vom Sacher, von dieser großartigen Hotel-Institution und seiner noblen Atmosphäre. Vor allem die vorzügliche Küche hat es mir immer angetan. Man konnte dort hervorragend speisen, nur das Beste und das Feinste. Und das Service war einmalig. Außerdem bekam man im Sacher in den Achtziger- und Neunzigerjahren noch jede Menge Hollywoodstars zu Gesicht, in der Roten Bar, in der Blauen Bar und im Restaurant.

      In meiner Bar zeigte sich Charlie Sheen im Laufe der Nacht als ausnehmend angenehmer Gast. Er bestellte mehrere Flaschen Champagner und wählte schließlich, sehr zur Enttäuschung Julias, Biancas und Emilijas, Manuela für ein intimes Tête-à-Tête.

      Manuela, die Glückliche, war ein Mädchen aus Mistelbach, einer niederösterreichischen Kleinstadt nördlich von Wien. Wie Bianca war sie Studentin, hatte allerdings die Fächer Theaterwissenschaften und Publizistik gewählt. Ihr Elternhaus konnte man durchaus als gut bürgerlich bezeichnen, und eigentlich wäre sie sicher auch ohne ihre Arbeit in der Bar finanziell durchs Studium gekommen. Allerdings hatte Manuela einen recht großen Hang zu luxuriösen Dingen.

      Diesem Faible konnte sie nachgeben, weil sie bei mir gut im Geschäft war. Die Herren mochten sie, ihre langen blonden Haare, ihre kurvige Sanduhr-Figur und ihre blauen Augen, die gleichzeitig Unschuld versprachen und Erfahrung ahnen ließen.

      Charlie Sheen nahm sie mit ins Séparée »Schwalbennest«. Ein edel ausgestattetes Zimmer mit großen, beleuchteten Spiegeln, teilweise schwarzen Marmorwänden und mit einem Jacuzzi mit goldenen Wasserhähnen, der von Goldstatuen umrahmt war. Seinen klingenden Namen trug der Raum, seit ein Gast ein kleines künstliches Nest mit Vögelchen aus Plastik mitgebracht hatte, das wir im Kronleuchter des Séparées platziert hatten. »Das ist jetzt mein Schwalbennest«, hatte der Herr damals gemeint.

      Jetzt zeigte Charlie Sheen eine Vorliebe für dieses Zimmer.

      Manuela erlebte dort mit ihm offenbar ihre Nacht der Nächte. Denn nachdem Charlie Sheen die Bar verlassen hatte, setzte sie sich zu uns und schäumte über vor begeisterter Redseligkeit. Er sei so toll gewesen, schwärmte sie. So aufmerksam. So einfühlsam. Die anderen Mädchen hingen an ihren Lippen, fasziniert von ihren Erzählungen. Man merkte ihnen an, dass sich in die Bewunderung auch ein Körnchen Eifersucht mischte. Denn jedes von ihnen wäre Charlie gern ins Séparée gefolgt und würde jetzt gern vom Erlebten berichten.

      Es schien fast so, als meinten sie, durch die körperliche Liebe mit einem Star könnte sich dessen Ruhm auf sie übertragen.

      »Meinst du, er kommt wieder?«, fragte mich Manuela mit sehnsuchtsvollem Blick schließlich.

      Jetzt war es Zeit, mein Mädchen mit sanftem Nachdruck an eine unserer Grundregeln zu erinnern. »Unsere Gäste sind keine Dates, sondern Kunden«, wies ich sie zurecht. »Bitte denk gerade bei einem Herrn wie Charlie Sheen daran.«

      »Schon klar«, antwortete sie, während sie sich gedankenverloren durch die blonden Haare strich und ihr verklärter Blick das Gegenteil sagte. »Aber meinst du, er kommt wieder? Meinst du, es hat ihm gefallen?«

      Dass der Hollywoodstar durchaus zufrieden gewesen war, zeigte sich schon am nächsten Tag. Charlie Sheen besuchte uns abermals, diesmal hatte er einige Kollegen aus dem Film-Team dabei, die aber allesamt weniger bekannt waren als er. Er wurde während seines Wien-Aufenthaltes zum Stammgast der Bar. Kein Abend verstrich ohne seine Anwesenheit, ganze vier Wochen lang.

      Damals ahnte wohl niemand, dass Charlie Sheens Leben in den folgenden Jahrzehnten eine veritable Achterbahnfahrt aufnehmen würde. Drogenmissbrauch und Totalabstürze katapultierten den Hollywoodstar weltweit in die Schlagzeilen, er bereicherte den amerikanischen Wortschatz gar um den Begriff »sheening«, der als Synonym für die Einnahme von Suchtpräparaten und den nachfolgenden Zusammenbruch steht. Für die Boulevardpresse war sein exzessives Leben ein stetig sprudelnder Quell von Sensationsstorys. Sie berichteten über ihn in Verbindung mit Callgirls und Escort-Agenturen sowie über seine Dreiecksbeziehung mit einer Pornodarstellerin und einem Model. Und er schadete mit seinen aggressiven Ausbrüchen in der Öffentlichkeit seiner Karriere. Im Jahr 2015 bekannte er schließlich über die Medien, dass er sich mit dem HIV-Virus infiziert hatte.

      Mich machten die Negativ-Schlagzeilen über ihn stets ein bisschen traurig. Denn ich hatte ihn immer so vor Augen, wie ich ihn Anfang der goldenen Neunzigerjahre in der Bar erlebt hatte. Zwar war sein Ruf schon damals ein wenig ramponiert, aber für mich war er ein junger, netter Herr, lebensfroh, höflich und neugierig, für den das Leben nur das Beste bereitzuhalten schien.

      Bescheidenheit zählte allerdings schon damals nicht zu seinen Tugenden. Dafür hatte ich aber Verständnis. Schon in jungen Jahren war er weltberühmt, und er war nicht der Erste, der eher schlecht als recht mit seinem rasanten Aufstieg, der damit einhergehenden Popularität und dem erlangten Reichtum umgehen konnte.

      Bei jedem seiner Besuche in der Bar floss der Champagner in Strömen, er bestellte eine Flasche nach der anderen. Meist sieben oder acht an einem Abend, manchmal aber auch fünfzehn. Von sechstausendfünfhundert Schilling aufwärts war die Flasche zu haben, nach oben gab es eigentlich kein Limit. Und Charlie Sheen wählte nie den günstigsten Champagner. Er ließ sich seine Aufenthalte bei mir also einiges kosten. Die Rechnung bezahlte er immer mit Kreditkarte.

      Wenn Charlie da war, saß er um die zwei Stunden mit den Mädchen zusammen, genoss die Gespräche und den Champagner, ehe er sich ins Séparée zurückzog.

      »Ich liebe Frauen, weißt du«, verriet er mir. »Es geht mir nicht um ihre Haarfarbe oder um die Größe ihres Busens. Diese Dinge sind mir egal. Es geht mir immer nur um die Chemie, um dieses gewisse Etwas.«

      Und offenbar hatte auch Charlie Sheen selbst dieses gewisse Etwas, dem sich die Mädchen nicht entziehen konnten. Schon ein paar Tage nach seinem ersten Besuch in der Bar entwickelte sich unter ihnen wieder ein richtiger Wettkampf um Charlies Gunst. Obwohl sie wussten, dass dieses Buhlen um seine Aufmerksamkeit ganz und gar unprofessionell war, schafften sie es nicht, angebrachte Distanz zu ihm zu halten. Er war wie ein Magnet. Und in gewisser Weise konnte ich ja auch nachvollziehen, was Charlie Sheen bei den Mädchen auslöste. Denn auch ich spürte die Faszination, die von diesem Herrn ausging.

      Er sah nicht nur fantastisch aus, er war auch höflich, offen und umgänglich. Obwohl ein junger Amerikaner, benahm er sich wie ein Gentleman der alten Schule. Und er war unglaublich großzügig. Er lachte und scherzte viel, tanzte und sang mit uns. Er war ein Star, aber völlig allürenfrei. Welche Frau hätte sich dem

Скачать книгу