Madame Nina weiß alles. Nina Janousek
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Ich verstand die Begeisterung des Franzosen gut. Meine Mädchen rochen so fein und in ihren Uniformen mit den durchsichtigen schwarzen Bodys und der schwarzen Unterwäsche sahen sie aus wie Püppchen. Die Herren konnten sie auspacken wie Pralinen.
Sagen Sie jetzt nichts über Gleichberechtigung und Emanzipation. Nachtleben ist Showbusiness, und die Herren mochten diese Show. Und die Mädchen verdienten bei mir recht gut. Sicher war ihre Arbeit nicht immer leicht, aber sie erhielten für jede Flasche Champagner, die ein Gast bestellte und die er mit derjenigen Dame genoss, zehn Prozent des Kaufpreises. Zusätzlich bekamen die Mädchen Trinkgeld, das ganz ordentlich ausfallen konnte. Besonders dann, wenn sie spezielle Wünsche der Herren erfüllten.
Das Honorar, das die Mädchen erhielten, wenn sie einen Gast in ein Séparée begleiteten, war allein ihre Sache. Das ging mich nichts an, da habe ich mich nicht eingemischt. Ich weiß, dass die Herren die jeweilige Dame für eine Stunde Vergnügen mit etwa hundertfünfzig bis zweihundert Euro entlohnten, es gab aber auch Gäste, denen das Amüsement fünftausend Euro wert war.
Ich bot den Mädchen ein sicheres, angenehmes Umfeld für ihre Arbeit, dafür erwartete ich von ihnen Disziplin und Professionalität. Dazu gehörten auch Pünktlichkeit und Zurückhaltung im Umgang mit den Gästen. Wenn ich etwa an der Theke saß und ein Gespräch verfolgte, in dem ein Mädchen einem Herrn von seinen privaten Problemen erzählte, schritt ich sofort ein. Meistens genügte ein Blick, um es auf seinen Fehler hinzuweisen. Die Damen sollten sich, wenn dies dem Gast ein Bedürfnis war, seine Sorgen anhören, aber nicht umgekehrt.
Ja, was schlüpfrig ist und was nicht, mag eine Frage der Perspektive sein. Meine Bar war es aber, so sehe ich das zumindest, nie. Sie war anders. Gestatten Sie mir einen Vergleich. Meine Bar war wie eine Pferdekutsche. Ich war der Kutscher, der die Zügel hielt. Meine Mädchen waren die Pferdchen und in der Kutsche saßen die Gäste. Die Pferde waren wild, leidenschaftlich und manchmal störrisch. Ich brauchte Strenge und Einfühlungsvermögen, um sie zu lenken, damit die Gäste die Kutschfahrt ihres Lebens genießen konnten. Das war »Ninas Bar«.
Manchmal waren nicht nur die Mädchen störrisch, sondern auch die Herren, die zu uns kamen. Ehe ich Ihnen über meinen Schicksalsweg erzähle, der mich von Kroatien über Amerika nach Wien führte, wo ich zur legendären Puffmutter wurde, möchte ich Ihnen eine Geschichte über einen ganz besonderen Gast anvertrauen, auf den dies zutrifft. Damit breche ich mein persönliches Schweigegelübde die Besucher meiner Bar betreffend nicht, denn der Herr, den ich auf ganz spezielle Art und Weise schätzte, ja, liebte, machte nie ein Geheimnis aus seinen Besuchen in meinem Etablissement.
Falco
Ich liebte alle Herren, die zu mir kamen. Allein schon deshalb, weil sie kamen. Meine Gäste genossen also einen großen Sympathievorschuss. Bei näherer Betrachtung gab es allerdings nicht mit allen sofort ein herzliches Verstehen, obwohl die Herren, mit denen ich gleich eine Verbundenheit fühlte, in der Überzahl waren. Bei den anderen dauerte es eine Weile, bis wir uns mochten.
In erster Linie denkt man, dass die Chemie zwischen zwei Menschen stimmen muss, damit sie gut miteinander auskommen. Das mag schon stimmen, aber ich habe in den vielen Jahren in meiner Bar erkannt, dass der Beruf eines Herrn eine große Rolle dabei spielte, ob ich mich gut mit ihm verstand. So gab es nie Sympathieprobleme mit Gästen, die eine Führungsposition innehatten, wie Unternehmer oder Manager. Mit ihnen vertrug ich mich immer auf Anhieb. Weit schwieriger war der Umgang mit Künstlern. Oft fragte ich mich, woran das lag. Vielleicht daran, dass Führungskräfte klar und strukturiert denken, sie planen genau und verfolgen konkrete Ziele. Und so agieren sie auch im Privatleben. Das macht sie leicht einschätzbar, man kann ihre Reaktionen vorhersehen.
Künstler dagegen sind immer ein bisschen chaotisch, auch im Denken. Sie folgen ihrer Intuition, sie sind emotioneller und sprunghafter. Das macht sie kompliziert. Falco war einer der kompliziertesten.
Eines Abends kam er in die Bar. Nein, er kam nicht, sondern er erschien. Mit einer ganzen Entourage im Schlepptau. Mit hoch erhobenem Kopf, provokant- arrogantem Blick und kerzengeradem Rücken schob er sein Ego vor sich her. Er setzte sich hemmungslos in Szene, jede seiner übertriebenen Gesten schien zu rufen: »Schaut her, da bin ich! Der Größte! Der Beste!« Es war dieser inszenierte Auftritt, der ihn mir, wie soll ich sagen, ja, auf Anhieb unsympathisch machte.
Dabei hatte er natürlich guten Grund, stolz zu sein. Falco, der Wiener Popstar, der eigentlich Hans Hölzel hieß, hatte Hochsaison, er war am Zenit seines Erfolges. Es war noch nicht lange her, dass er es mit seinem Song »Rock Me Amadeus« als erster deutschsprachiger Musiker an die Spitze der amerikanischen und der englischen Charts geschafft hatte. Dieser Hit und andere seiner Lieder wie »Vienna Calling« liefen unentwegt im Radio, und meine Mädchen tanzten dazu, wenn einer der Songs bei mir in der Bar gespielt wurde.
Als nun Falco höchstpersönlich eines Nachts bei uns erschien, legten sie sich ordentlich ins Zeug, um ihm zu imponieren. Schnell wurde sein Hit »America« in die Musikanlage geschoben, und die Mädchen sangen aus Leibeskräften mit, um Falcos Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Das Typische an mir
I bin untypisch ganz und gar
Einmal hoch und einmal tief
Einmal gspritzt, dann wieder klar
Die Mädchen bemühten sich vergeblich. Falco würdigte sie keines Blickes.
Es war tief in der Nacht. Er wankte schon ein bisschen. Ob der genossene Alkohol oder etwas anderes der Grund dafür war, dass er nicht mehr ganz sicher auf den Beinen stand, weiß ich nicht. Sein Gleichgewichtssinn war jedenfalls nicht mehr der beste, doch von seiner arroganten Attitüde hatte er keinen Funken eingebüßt. Umgeben von seinem Gefolge lehnte Falco an der Theke und unterhielt sich mit nasaler Stimme mit seiner Entourage. Blasiert, hochnäsig, überheblich und selbstherrlich sind die Attribute, die mir heute einfallen, wenn ich an den Falco von damals zurückdenke.
Von meinen Mädchen, die sich immer wieder zu ihm drängten, nahm er keine Notiz. Erst Tanja schaffte es, mit Falco ins Gespräch zu kommen. Tanja war ein schlankes, blasses Mädchen. Sie sah so unschuldig aus, als hätte sie sich von der Betstunde kommend in die Bar verirrt. Doch das täuschte. Tanja war intelligent und schlagfertig. Manchmal übertrieb sie es auch und wurde richtig frech.
Es dauerte nicht lange, und sie setzte sich zu Falco an die Bar, begleitet von den neidvollen Blicken der anderen Mädchen. Ich kannte Tanja gut genug, um zu wissen, dass sie zu ihm passte. Denn auf seine herablassenden, snobistischen Sprüche würde sie mit stoischer Gelassenheit antworten.
Genau das tat sie auch. Sie hielt dagegen, aber nicht zu viel. Sie provozierte ihn, aber wohldosiert. Am Ende zogen sich die beiden in mein exklusivstes Séparée zurück, in den Roten Salon.
Falco kam immer öfter in die Bar. Ich hatte das intensive Gefühl, dass ihn mehr herzog, als die Lust aufs Nachtleben, auf schöne Mädchen und auf die Möglichkeit, sich hemmungslos zu inszenieren. Da war etwas, das über diese Dinge hinausging, etwas, das ihn an meiner Bar faszinierte. Doch was genau ihn hier so in den Bann zog, konnte ich nicht erklären.
Ich beobachtete ihn, wie ich alle Gäste beobachtete, um sicherstellen zu können, dass er sich wohlfühlte. Gleichzeitig hoffte ich, dadurch irgendeinen Anhaltspunkt zu bekommen, was ihn an meiner Bar so begeisterte.
Falco