Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Madame Nina weiß alles - Nina Janousek страница 10

Madame Nina weiß alles - Nina Janousek

Скачать книгу

habe, frage: Würden Sie sich die Geschichte, die ich Ihnen auf meinem Barhocker sitzend und an Champagner nippend erzähle, während Sie hinter der Theke stehen, anhören wollen?

      Ich denke schon, und es hätte vermutlich auch etwas mit meinem Aussehen zu tun. Würde ich zum ersten Mal Platz an der Theke nehmen, bliebe es nicht aus, dass Sie mich unauffällig von der Seite mustern, während Sie die anderen Gäste bedienen. Sie würden sich fragen: Wer ist diese Frau? Vielleicht würden Sie sich auch fragen: Wer um Gottes Willen ist denn diese Frau? Denn ich muss schon sagen, ich bin eine Erscheinung, die Ihnen ganz bestimmt auffiele. Machen Sie sich also bitte ein Bild von mir, ehe ich damit beginne, Ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen.

      Stellen Sie sich vor, ich komme irgendwo an. Jetzt steige ich aus einer schwarzen Limousine. Meistens ist es ein schwerer Mercedes in einer etwas verlängerten Version, damit ich genug Platz für meine Beine habe. Sobald der Wagen hält, sehen Sie einen unauffälligen Herrn mit grauen Haaren aussteigen, er geht um den Wagen herum und öffnet die Tür, hinter der ich sitze.

      Wenn Sie mich zum ersten Mal sehen, fällt Ihnen sicher sofort mein Strahlen auf, das ich wie teuren Schmuck im Gesicht trage. Ich strahle den Mann an, der mir die Tür öffnet. Dieses Strahlen habe ich mir bewahrt, auch über die Zeit meiner Bar hinaus. Es ist etwas Schönes. Es verändert die Menschen um mich. Es macht sie mir geneigt und großzügig. Es verändert auch mich. Wenn die Tage trüb sind, kann ich im Nu meine Stimmung verbessern, indem ich mein Strahlen aufsetze. Es hält mich glücklich. Es hält mich am Leben. Es stellt einen Wert für mich dar. Ich würde sagen, es ist so etwas wie mein Markenzeichen. Probieren Sie es einmal. Üben Sie, zu strahlen. Es ist gar nicht so schwer, und irgendwann haben nicht nur Sie dieses Strahlen, sondern es hat auch Sie. Es verändert Ihr Leben.

      Wenn Sie mich beim Ankommen beobachten, werden Sie feststellen, dass ich eine Weile brauche, bis ich meine Füße auf die Straße gestellt habe. Betrachten Sie mich genauer, dann kennen Sie den Grund. Ich bin korpulent. Ich würde sogar sagen, ich bin ausgesprochen korpulent. Irgendwann einmal, so viel kann ich Ihnen schon jetzt verraten, war ich ein zierliches junges Ding. Als ich geheiratet habe, wog ich fünfzig Kilo. Jetzt mustere ich mich manchmal und frage mich, wohin dieses zierliche junge Ding verschwunden ist. Ich schaue meine Handgelenke an und denke, dass die Knochen darin noch immer so leicht und zerbrechlich sein müssen, wie sie es damals waren. Doch jetzt sind sie in Armen verborgen, die, so empfinde ich es jedenfalls, so viel wiegen, wie früher das ganze zierliche junge Ding.

      Wenn ich bei meinem Arzt bin, rügt er mich oft wegen meines Gewichtes. Er hat natürlich recht, ich sollte abnehmen. Ich gebe zu, dass in der schwarzen Limousine immer öfter eine Krankenschwester mitfährt, in Zivilkleidung natürlich, damit nicht so auffällt, dass ich Betreuung brauche. Sie hilft mir in den Rollstuhl, der zusammengeklappt im Kofferraum liegt. Nicht nur mein Übergewicht drückt auf die Gelenke, ich habe seit einer Knieverletzung Probleme beim Gehen.

      Das Essen ist schuld an meiner Korpulenz, ich weiß es. Ich esse gern, und ich esse viel, zu viel. »Herr Doktor«, sage ich zu meinem Arzt, wenn er mir wegen meines Gewichtes wieder einmal die Leviten liest, »früher einmal musste ich um jeden Bissen kämpfen, da ging es ums Überleben. Das habe ich verinnerlicht. Ich bewundere Menschen, die sich beherrschen können, aber ich kann es nicht.«

      »Madame Nina«, antwortet er dann, »vielleicht gab es Zeiten, in denen es ihren Tod bedeutet hätte, wenn sie nicht gegessen hätten. Doch jetzt bedeutet es ihren Tod, wenn sie essen.«

      Was soll ich machen, ich esse aber so gerne. Dabei war ich als Kind, als sechs- oder siebenjähriges Mädchen unterernährt, spindeldürr, ein Skelett. Aus irgendeinem absonderlichen Grund wollte ich damals nicht essen, obwohl wir wirklich reichlich hatten. Meine Eltern machten sich große Sorgen um mich, weil ich so dünn war, sie schickten mich wiederholt zur Kur in die Berge und ans Meer, damit ich dort ein bisschen zunehme.

      Zu Hause saß ich dann bei Tisch, kaute mit leerem Mund und fütterte heimlich den Hund mit meinem Essen. Irgendwann waren meine Eltern wieder dermaßen beunruhigt wegen meiner Klapprigkeit, dass sie mich zum Arzt brachten. »Nina«, sagte er zu mir, »wenn du nicht essen willst, wirst du sterben.« Dieser Satz war eine Initialzündung und er hat sich in meinem Kopf eingegraben. Ich habe damals zu essen begonnen und ich habe nie mehr aufgehört. Nach und nach kam ich auf den Geschmack, ich wurde zur Genießerin und entwickelte einen Hang zu gutem Essen, zum besten, zum feinsten.

      In Wien ist es ja einfach, dieser Leidenschaft, gut zu essen, zu frönen. Mein Mann und ich waren und sind Stammgäste in den besten Restaurants der Stadt, bei den »Drei Husaren«, im »Sacher«, im »Schwarzen Kameel«, beim »Plachutta«. Den Verlockungen erstklassigen Essens kann ich einfach nicht widerstehen. Ich liebe delikat gewürzte Speisen, exquisit komponierte Zutaten. Ich liebe saftige Steaks, goldbraune Schnitzel, herrliche Jakobsmuscheln und köstliche Garnelen. Wie fein das ist, wie schmeckt mir das, ach, ich esse so gern. Am liebsten hätte ich immer von allem ein bisschen auf meinem Teller, was für eine Geschmacksexplosion.

      Sie sehen, ich gerate ins Schwärmen, wenn es ums Essen geht. Diese Affinität zu deliziösen Speisen hat sich seit meiner Kindheit entwickelt. Denn der Satz des Arztes »Wenn du nicht isst, wirst du sterben« verfolgt mich bis heute. Ich muss essen. Wenn ich Hunger habe, schreie ich. Denn esse ich nicht, habe ich das Gefühl, zu sterben. Das ist ein psychischer Defekt.

      Essen, gutes Essen, ist also ein wichtiger Teil meines Lebens, und wohl auch deshalb hatte ich lange Zeit direkt neben meiner Bar ein Restaurant, den »Rosa Elefant«. Das war ein hübscher kleiner Betrieb mit einem rund achtzig Quadratmeter großen Gastraum, in dem etwa fünfundsiebzig Besucher Platz hatten. Im Sommer kam noch ein riesiger Schanigarten dazu. Anfangs war das Restaurant täglich geöffnet, später sechs Tage in der Woche, außer Sonntag, von sechzehn Uhr bis zwei Uhr früh.

      Im »Rosa Elefant« gab es eine Verbindungstür zu meiner Bar, die von den Herren gern benützt wurde. Denn so vermieden sie es, sich eventuellen neugierigen Blicken auszusetzen, wie das vielleicht der Fall war, wenn sie meinen Nachtclub direkt vom Bauernmarkt aus betraten. Schlüpften sie durch die Verbindungstür, setzten sie sich nicht dem Verdacht aus, etwas aus bürgerlicher Sicht Unanständiges im Sinn zu haben.

      Das Restaurant lief vom ersten Tag an großartig. Die Gäste kamen in Scharen, nicht nur wegen der gemütlichen Atmosphäre, sondern vor allem auch wegen der herrlichen Speisen. Wir servierten klassische österreichische Hausmannskost, Pfannengerichte wie Eiernockerl und Schinkenfleckerl mit grünem Salat. Ach, wie herrlich das geschmeckt hat. Deftig, aber nicht zu fett und gut verträglich.

      Die Spezialität im »Rosa Elefant« waren aber Spareribs, wir verkauften sie tonnenweise. Für diese Schweinerippchen, die in einer Mischung aus Öl, Honig, passierten Paradeisern, Tabasco und Bier mariniert und danach auf dem Holzkohlengrill gegart wurden, standen die Gäste Schlange. Dazu gab es alle erdenklichen Saucen, deren süß-scharfe Aromen perfekt mit dem Geschmack der Rippchen harmonierten und dem Gaumen schmeichelten. Unsere Spareribs waren so berühmt, dass sogar zwei amerikanische Piloten zu den Stammgästen des »Rosa Elefant« zählten. Immer, wenn die beiden in Wien waren, kamen sie ins Restaurant, um Spareribs zu essen, obwohl dieses Gericht eigentlich eine Spezialität der amerikanischen Küche ist und in ihrer Heimat am besten zubereitet wird.

      Aber nicht, dass Sie jetzt denken, ich hätte vielleicht selbst im »Rosa Elefant« gekocht. Nein, nein, dafür reichten meine diesbezüglichen Künste bei Weitem nicht aus, beim Essen bin ich besser. Ich habe auch keine Tipps gegeben oder Rezepte geliefert. In der Küche des Restaurants regierte ein hervorragender Koch, ein Waldviertler, der dreiundzwanzig Jahre lang bei uns war. Er hat mit der Qualität der Speisen dafür gesorgt, dass der »Rosa Elefant« so stark frequentiert war, dass wir in diesem kleinen Restaurant fünf Kellner beschäftigten. Manchmal war der Andrang der Gäste enorm, sie mussten sich anstellen und warten, bis ein Tisch frei wird.

      Auch die Besucher meiner Bar liebten

Скачать книгу