Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

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Madame Nina weiß alles - Nina Janousek

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der Traum vieler Männer. Nielsen, groß, durchtrainiert und immer ein wenig von der Aura der Unnahbarkeit umgeben, war Model für Giorgio Armani, Gianni Versace und Gianfranco Ferré, und der italienische Produzent Dino De Laurentis hatte sie für den Film »Red Sonja« mit Arnold Schwarzenegger unter Vertrag genommen.

      Frauen, die aussahen wie Brigitte Nielsen, waren damals im Nachtleben selten. Und ich dachte mir, dass Evelyn genau dieser Typ sein könnte, dass ihr die Frisur von Brigitte Nielsen stehen würde. »Du hast so ein hübsches Gesicht und so einen schönen Körper«, sagte ich zu ihr. »Ich habe eine Idee. Lass deine Haare schneiden und platinblond färben.«

      Danach sah Evelyn fantastisch aus. Sie strahlte eine große Kühle aus, während ihre Augen von Toleranz, von Geduld, Verständnis und Nachsicht sprachen. Tugenden, die sie in den Jahren ihrer Kindheit und Jugend beim stetigen Blick in die Abgründe des Lebens erworben hatte. Evelyn umgab etwas Rätselhaftes, und die Männer liebten sie.

      Sie war es auch, die mir erklärte, was Falco wirklich bei mir in der Bar suchte. Er wollte sich in der Fantasiewelt, die wir alle unter meiner Regie Nacht für Nacht schufen, nicht bloß bedienen, um sich zu belohnen und sich etwas zu gönnen, er wollte ein Bestandteil von ihr sein. Kein Außenstehender, nicht bloß ein Gast, sondern ein Mitglied der Familie, er wollte die Seiten wechseln. Falco suchte nach Geborgenheit und hielt dieses inszenierte Märchen des Barbetriebes für das reale Leben, er konnte offenbar nicht zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden.

      Zuerst verlor Evelyn ihr Herz an ihn. Sie kokettierte mit ihm. Wenn ich die beiden zusammen sah, ahnte ich immer, dass Liebe zwischen diesen beiden nicht ausgeschlossen war. Denn in gewisser Weise konnten sie auf Augenhöhe miteinander umgehen. Im realen Leben trennten Falco und Evelyn zwar Lichtjahre, er war ein Weltstar, sie eine Prostituierte, aber im Inneren waren sie beide verletzte Kinder, sensibel genug, um ein Leben lang darunter zu leiden, und mutig genug, um ein Leben lang gegen ihren Schmerz zu kämpfen. Falcos Verwundung kam vielleicht daher, weil sein Vater die Familie verlassen hatte. Die Ursache von Evelyns Verletzung waren vermutlich die Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit und Jugend machte. Aber ich weiß es nicht, und es steht mir auch nicht zu, darüber Vermutungen anzustellen. Denn obwohl manche in mir eine Psychotherapeutin sahen, hatte ich gar keine diesbezüglichen Qualitäten. Ich war eher gut darin, zu zeigen, wie man trotz seelischer Verletzungen lebt und das möglichst gut.

      Wie die anderen Mädchen auch servierte Evelyn die Getränke, schenkte Champagner aus und arbeitete ab und zu hinter der Theke. Das tat sie besonders gern, wenn Falco da war. Denn Barfrauen haben im Nachtleben den Status der Unberührbarkeit und sind deshalb für die Jäger unter den Herren, zu denen Falco gehörte, besonders interessant.

      Der Popstar war zu dieser Zeit bereits auf gewisse Weise ein Teil von uns. Er war zwar noch immer ein Gast, der die Show, die wir inszenierten, konsumierte, aber als besonders geschätzter Besucher zählte er gleichsam zur Familie. Meinem Mann, der mir während der gesamten dreißig Jahre, in denen ich die Bar betrieb, sowie davor und danach immer zur Seite stand und steht, und der vom Hintergrund aus viele Dinge lenkte, vertraute Falco besonders. Falcos Vater hatte, wie ich schon erwähnte, die Familie verlassen, als er noch ein Kind war, sodass er unter der Obhut seiner Mutter und seiner Tante aufwuchs. Offenbar hatte er das Weggehen des Vaters nie verwunden, dieser Verlust war vermutlich eine der Ursachen seines Schmerzes und seiner unstillbaren Sehnsüchte.

      Ich glaube, er sah in meinem Mann so etwas wie einen Ersatzvater, und ich gönnte ihm das Gefühl dieser Vertrautheit und des Aufgehobenseins von Herzen. Denn abseits dessen schien Falco wenig zu haben, das seiner Seele gut tat. Er hatte zwar seinen großen Erfolg als Musiker, aber der machte ihn auch nicht glücklich, und er hatte den Alkohol.

      Falco war ein Mann mit zwei Persönlichkeiten. Der private Hans war verletzlich und liebevoll, immer auf der Suche nach Zuneigung und stets von der Angst besessen, nicht gut genug zu sein. Die Kunstfigur Falco, die er kreiert hatte, war sein zweites Ich, unsympathisch, arrogant und immer danach strebend, zu provozieren. Dieser Kunstfigur erlaubte er es auch, den Schmerz, unter dem Hans litt, mit Exzessen aller Art zu betäuben.

      Eines Abends erzählte mir ein Mädchen hinter vorgehaltener Hand, dass Falco von Evelyn regelmäßig Geld forderte, und dass sie es ihm auch gab. Das Mädchen, das mir diese Geschichte hinterbrachte, war eine Wienerin mit einem ziemlich losen Mundwerk und einer ausufernden Fantasie. Als sie in der Bar zu arbeiten begann, tischte sie mir am laufenden Band Unwahrheiten auf. Ihr Vater, sagte sie, lebe am Genfer See und sei mit Ölgeschäften reich geworden, ihre Mutter sei eine Schönheit, sie verbringe die Hälfte ihrer Zeit in Paris und sei dort die Muse junger Künstler. Tatsächlich hatte ihr Vater eine Trafik in einer Wiener U-Bahnstation und ihre Mutter, eine typische Wiener Matrone, arbeitete bei ihm. Deshalb nahm ich die Dinge, die mir Uschi erzählte, nicht unbedingt für bare Münze. »Wie meinst du das?«, fragte ich sie. »Falco bezahlt doch für Evelyn, und nicht umgekehrt.«

      Uschi schüttelte den Kopf. »Ich war dabei, als er sie gefragt hat, wie viel sie verdient hat. Es war ihm zu wenig und er hat sie angeschrien, dass sie gefälligst ihren Hintern bewegen und mehr Geld heimbringen soll. Er hat ihr sogar zwei Ohrfeigen gegeben, eine links und eine rechts.«

      »Hör mal, Uschi«, sagte ich, »was ist denn das wieder für eine Geschichte?«

      Ich fragte sie vorsichtig, weil sie immer, wenn ich sie auf die Unwahrheiten, die sie verbreitete, ansprach, zu toben begann und wegrannte. Doch diesmal beharrte sie darauf. »Nein, es stimmt wirklich«, sagte sie. »Ich war dabei.«

      Ich glaubte ihr trotzdem nicht. Aber ich war alarmiert und beobachtete Falco und Evelyn mit Argusaugen. Mir fiel auf, dass er jetzt jedes Mal anrief, bevor er die Bar besuchte, und immer fragte, ob Evelyn auch da sei.

      »Was läuft da zwischen euch?«, fragte ich Evelyn.

      »Ich weiß es nicht genau«, sagte sie.

      »Nimmt er Geld von dir?«

      »Das würde ich so nicht sagen.«

      »Was heißt das?«

      »Frag mich nicht. Das verstehst du nicht.«

      »Ach Schätzchen«, sagte ich, »hast du eine Ahnung, was ich alles verstehe.«

      Ich beließ es dabei. Aus meiner Sicht lief ja alles gut. Falco kam regelmäßig, er war ein guter Gast, der Geld ins Haus brachte und sich mittlerweile ordentlich benahm, und Evelyn sorgte dafür, dass er zufrieden war. Alles weitere ging mich ja eigentlich nichts an.

      Das änderte sich eines Nachts, als mich ein Krachen und Klirren zusammenschrecken ließ. Ich ging gerade strahlend durch die Bar, eilte von einem Gast zum anderen, begrüßte einen Herrn, erkundigte mich beim nächsten, ob alles nach seinen Wünschen sei, und fragte einen weiteren nach seiner Familie, weil er mir bei seinem letzten Besuch von ihr erzählt hatte.

      Das Krachen und Klirren kam von dem Tisch, an dem Falco im Kreis seiner Freunde mit Evelyn saß. Er hatte gerade mit der Faust so fest auf die Tischplatte gedroschen, dass die Gläser und die Aschenbecher aneinander geschlagen waren. Der Tumult ging weiter. Falco wedelte mit einem Geldschein und schrie Evelyn an: »Das soll alles sein? Dafür schicke ich dich anschaffen?«

      Ich nahm Evelyn danach beiseite. »Meint er das ernst?«, fragte ich sie.

      »Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Ich glaube, er weiß es auch nicht.«

      Ich sah zu Falco hinüber, der sich im Kreis seiner Entourage mit blasiertem Gesichtsausdruck, großspurigen Gesten und nasaler Stimme wieder einmal als arroganter Schnösel produzierte. »Da könntest du recht haben«, sagte ich.

      Ich

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