Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

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Madame Nina weiß alles - Nina Janousek

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gebracht. Zum Essen zogen sich die Gäste dann in einen kleinen Extraraum zurück, der mit einem Vorhang geschlossen wurde. Ich wollte verhindern, dass sich die Gerüche der Speisen ausbreiten, dass sie sich mit dem so schön komponierten Duftbouquet in der Bar mischten und die anderen Gäste störten.

      Die Herren hatten aber nicht nur bis Mitternacht Appetit, sie verlangten oft bis in die frühen Morgenstunden nach einem Imbiss. Dann bereitete ich ihnen in der kleinen Küche meines Etablissements selbst eine Kleinigkeit zu. Die Gäste schätzten es, wenn Madame höchstpersönlich ihr Bedürfnis nach Essen befriedigte. Es ist ja tatsächlich so, dass Liebe durch den Magen geht.

      Ich servierte den hungrigen Herren Schinkenbrote und Speckbrote, Schinken- und Käsetoast und Würstel, eine leichte Mahlzeit für zwischendurch eben.

      Erst als es mein Restaurant, den »Rosa Elefant«, nicht mehr gab, brachte ich regelmäßig Selbstgekochtes mit in die Bar. Nichts Großartiges, vielleicht ein Kalbsgulasch, nicht zu scharf, fein und leicht gewürzt, dazu mit dem Löffel ausgestochene Nockerl. Manchmal waren es auch Krautrouladen. Den Gästen hat es stets geschmeckt.

      Wurden in der Bar große Feste gefeiert, ließ ich die Speisen, wie Muscheln und Lobster, aus einem der ersten Restaurants der Stadt anliefern. Denn es war ja nicht so, dass ich ständig in der Küche stand. Ich war in meinem Etablissement die Gastgeberin und nicht die Köchin. Wenn’s ums Kochen ging, hatte ich auch nie große Ambitionen. Als Kind sagte meine Mutter immer wieder zu mir: »Raus aus der Küche, Nina. Weg vom Kochlöffel.« Das habe ich mir zu Herzen genommen. Aber was ich koche, das kann ich Ihnen verraten, schmeckt herrlich.

      Aber sie sind ja noch dabei, mich zu beobachten, wie ich aus der schwarzen Limousine steige. Sie sehen eine ausgesprochen korpulente Frau, der ein unauffälliger Herr mit grauen Haaren die Tür aufhält. Jetzt fällt Ihnen sicher der opulente Goldschmuck auf, den ich trage. An meinen Handgelenken, in denen sich noch immer diese zarten Knochen des jungen Dings, das ich einmal war, verbergen, hängen schwere goldene Armbänder, die klimpern, sobald ich mich bewege. Vielleicht trage ich gerade jenes mit den vielen alten goldenen Medaillons, die ich über die Jahre gesammelt habe, Andenken, die mir mein Mann auf Reisen geschenkt hat. Dazu eine prachtvolle breite Kette und wippende Ohrgehänge, natürlich ebenfalls aus massivem Gold und mit Edelsteinen besetzt. Schauen Sie auf meine Hände. Sehen Sie die kostbaren Ringe? Etwa diesen schweren Jugendstilring mit schwarzer Emaille, die von funkelnden Diamanten umgeben ist?

      Jetzt denken Sie eventuell, dass ich aufgeputzt bin, aufgeputzt wie ein Christbaum, wie man im Wienerischen sagt. Sie meinen womöglich, dass ich es mit dem Schmuck übertreibe. Aber ich mag das. So bin ich, ich habe ein Faible für Schmuck. Ich glänze so gern. Schmuck verleiht mir etwas Prächtiges, etwas Königliches. Es kann nie genug Schmuck sein.

      Diese Leidenschaft für Pretiosen reicht in meine Kindheit zurück. Meine Mutter trug gern Schmuck, ich erinnere mich vor allem an ihre wunderschönen Perlenketten. Denke ich an meinen Vater, fällt mir sofort sein auffälliger Siegelring ein, den er immer an der Hand hatte. Von ihm bekam ich auch mein erstes wertvolles Schmuckstück. Er überreichte mir zum achtzehnten Geburtstag einen Allianzring, einen massiven Goldring mit einem Rubin in der Mitte und zwei Brillanten.

      Bis heute kaufe ich Schmuck nicht selbst, ich lasse mich verwöhnen und ihn mir schenken. Mein Mann hat mich, seit wir uns kennen, immer mit Gold und Edelsteinen überhäuft. Auch mein liebstes Schmuckstück bekam ich von ihm. Eine schwere goldene Halskette, mittellang, mit einem brillantbesetzten Elefanten als Anhänger. Das war ein besonderes Geschenk zu einem besonderen Anlass. Ich bekam die Kette zur Eröffnung unseres Restaurants »Rosa Elefant«. Das Besondere war, dass der Elefant einen aufgestellten Rüssel hatte, und das gilt als Glücksbringer. Lange Jahre brachte er mir tatsächlich Glück. Dann wurde er mir leider gestohlen.

      Auch mein teuerstes Schmuckstück, ein kostbarer Jugendstilring meiner Mutter, gehört nicht mehr zu meiner Schmucksammlung. Er wurde mir auf einer Amerikareise zusammen mit einigen anderen Juwelen aus der Wohnung geraubt. Jetzt bin ich klüger, all mein Schmuck liegt hier in Wien sicher aufgehoben in einem Bankschließfach.

      Aber Sie betrachten mich ja noch immer, während ich aus der schwarzen Limousine steige. Es ist kühl, trotzdem trage ich keinen Pelz. Nur ein kleines bisschen davon, mein schwarzer Umhang aus feinem Kaschmir ist schmal pelzverbrämt. Hätten Sie mich früher gesehen, wäre Ihnen sofort mein Pelzmantel aufgefallen. Aber all die schönen Stücke hängen schon jahrelang ungetragen und gut verwahrt bei meinem Kürschner. Viele, viele herrliche Pelze, Zobel und Nerze. Jeder Mantel ist für mich wie ein Juwel. Mein Mann schenkte sie mir immer zu Weihnachten, ich habe die Pelze über viele Jahre gesammelt. Jetzt ist schon lange kein neuer dazugekommen. Denn die Zeiten haben sich geändert. Pelz zu tragen, gehört sich jetzt nicht, und ich will niemanden provozieren, indem ich meine Pelzmäntel ausführe. Bin ich böse, weil ich meine Pelze so liebe? Verurteilen Sie mich bitte nicht.

      Ich lege großen Wert auf meine Kleidung. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Herren nicht so sehr darauf achten, was eine Frau trägt. Sie haben zwar ihre Vorlieben, aber selten kann ein Mann genau sagen, was eine Frau, die eben den Raum verlassen hat, anhatte. Doch wenn Sie eine Frau sind, werden Sie sich bei meinem Anblick wahrscheinlich auch über meine Kleidung Gedanken machen. Denn ich habe eine sehr expressive Art, mich anzuziehen, meine Garderobe ist ausdrucksstark, ich falle auf. Mein Erscheinungsbild ist aber nicht von lauten, schrillen Farben geprägt. Die setze ich nur bei meinen auffälligen Brillen ein, ich trage sie in allen Nuancen, von Beige über Blitzblau bis Rot. Bei der Garderobe erreiche ich diesen ausdrucksvollen Effekt, indem ich mich vorzugsweise in Schwarz und Weiß kleide, dazu trage ich blutroten Lippenstift. Das sieht immer sehr dramatisch aus. Ich habe ja einen Hang zur Theatralik.

      Wenn Sie mich nach dem Namen meiner liebsten Designermarke fragen, rufe ich laut Chanel, Chanel, Chanel. Auch als ich noch dieses schlanke, junge Ding war, trug ich mit Vorliebe Chanel-Kostüme. Diese schlichten, fast biederen Kostüme verleihen jeder Frau eine subtile Sinnlichkeit, die sie erotischer macht als das größte Dekolleté. Ich liebe Chanel-Kostüme auch, weil sie zu jeder Gelegenheit passen, zu jeder Tageszeit, sie können beim Frühstück ebenso getragen werden wie abends beim Ausgehen. Ich liebe die Qualität der Stoffe und der Verarbeitung, die feinen Bleikettchen in den Jackensäumen, die für den guten Fall und den perfekten Sitz sorgen. Ich wollte schon immer gekleidet sein wie eine Prinzessin, wie eine stilsichere, moderne Prinzessin, wie Caroline von Monaco. Jetzt hängen meine vielen Chanel-Kostüme allerdings seit Jahren ungetragen in den Schränken. Um reinzupassen, müsste ich ja fünfzig Kilo abnehmen. Aber ich werde sie nie weggeben. Sie sind so schön, ich schaue sie immer wieder gern an.

      Seit ich korpulent bin, näht eine Schneiderin meine Garderobe. Den schlichten, zeitlosen Schnitten und Schwarz und Weiß bin ich aber treu geblieben. So wie der Marke Chanel. Heute kaufe ich dort meine Taschen und Schuhe, Broschen und Tücher.

      Sie sehen, ich mag Klassisches. Hin und wieder kommt ein Tupfen Leoprint dazu, vielleicht ein Schal oder ein Umhang mit diesem Muster. Ich bin ja eine Katze, eine korpulente Katze, ein Löwe.

      Während der Zeit, in der ich meine Bar betrieb, trugen nicht nur die Mädchen eine Uniform, sondern auch ich hatte meine Dienstkleidung. Allerdings unterschied sich meine grundsätzlich von den transparenten Bodys der jungen Damen. Ich trug stets hochgeschlossene schwarze Kleider oder Jacken mit schneeweißem Kragen. Man hätte mich für eine Nonne oder für eine Lehrerin an einer Klosterschule halten können. Meine langen Haare hatte ich immer streng aus dem Gesicht zurückgekämmt, hoch am Kopf wurden sie mit einer Chanel-Spange oder -Schleife zusammengehalten, und der Pferdeschwanz war zu einem dicken Zopf geflochten. Ich sah also ganz anders aus als die Mädchen. Ich wollte seriös wirken und ihnen auch nie Konkurrenz machen. Sie lachen jetzt? Vergessen Sie nicht, dass ich jung war, Mitte dreißig, als ich mein Etablissement eröffnete.

      Weil wir gerade bei meiner Frisur sind, wage ich die Frage. Fallen Ihnen meine Haare auf, wenn Sie mich beim Aussteigen

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