Inside Türkis. Klaus Knittelfelder

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Inside Türkis - Klaus Knittelfelder

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Titel

      Klaus Knittelfelder:

      Inside Türkis

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2020 edition a, Wien

      www.edition-a.at

      Cover: Isabella Starowicz Satz: Lucas Reisigl

      ISBN 978-3-99001-405-9

      E-Book-Herstellung und Auslieferung:

      Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      INHALT

       PROLOG

       TEIL 1 PARTIE STATT PARTEI: DER KURZ-ZIRKEL

       TEIL 2 DIE POLITISCHE MACHTBASIS DES SEBASTIAN KURZ

       EPILOG

      PROLOG

      Braucht die Welt wirklich noch ein Buch mit Sebastian Kurz auf dem Cover?

      Über das politische Phänomen aus Wien-Meidling erschienen in den vergangenen Jahren offizielle und inoffizielle Biographien, verkitschte Hagiographien und brutale Abrechnungen; ganz zu schweigen von der Flut an Porträts aller Gattungen, die die moderne Medienwelt aufzubieten imstande ist. Das Ergebnis: Längst kennt jedes Kind Lebensgeschichte und Aufstieg des jüngsten Bundeskanzlers aller Zeiten in- und auswendig. Sebastian Kurz, das ist der anfangs von der Jungen Volkspartei (JVP) im Heimatbezirk Meidling Verschmähte. Gut erzogen in einem bürgerlichen Elternhaus, geprägt von der zwischenzeitlichen Arbeitslosigkeit des Vaters, die ein Resultat der Weltwirtschaftskrise war. Geerdet durch die Wochenenden am großelterlichen Bauernhof im niederösterreichischen Waldviertel. Sebastian Kurz, das ist der junge Mann mit dem »Geilomobil« aus dem Wiener Gemeinderatswahlkampf 2010, der es durch Zielstrebigkeit, Machtbewusstsein und eiserne Härte in Migrationsfragen bis zum Staatsbesuch als Bundeskanzler beim mächtigsten Mann der Welt ins Oval Office geschafft hat – und das alles in weniger als zehn Jahren.

      Und plötzlich hat er, der 33-Jährige, mit seiner Regierung die womöglich größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen: den Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus mit all seinen verheerenden Folgen für Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort. Mit einemmal hatte Kurz Entscheidungen von unfassbarer wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Tragweite zu treffen, die alle Fragen seiner bisherigen Kanzlerschaft nachgerade lachhaft unbedeutend erscheinen ließen. Um die Ausbreitung des Virus halbwegs einzudämmen und damit das heimische Gesundheitssystem vor dem Kollaps – siehe Italien – zu bewahren, schloss die noch junge türkis-grüne Regierung für viele Wochen Schulen und Geschäfte, sie sperrte die Grenzen, verordnete Versammlungsverbote und »Ausgangsbeschränkungen«, die der Kanzler-Generation allenfalls aus Erzählungen der Großeltern geläufig waren. Auch eine Maskenpflicht wurde eingeführt. Die eigenen vier Wände, erklärte Kurz an einem denkwürdigen Samstagvormittag Mitte März 2020 im Kanzleramt, dürfe man auf unbestimmte Zeit nur noch in Ausnahmefällen verlassen.

      Erst gab Kurz an diesem Tag die erste große Corona-Pressekonferenz, später empfing er in seinem Büro noch ein paar Journalisten, im aufgekrempelten weißen Hemd und übermüdet von den kurzen Nächten der neuen Krise saß er da und sprach von »Krankheit, Leid und Tod«, die das Virus über uns alle bringen würde. Im Hintergrund wachten seine Pressesprecher Johannes Frischmann und Etienne Berchtold, nebenan bastelte sein Kabinettschef Bernhard Bonelli mit Kurz-Chefberater Stefan Steiner und Spindoctor Gerald Fleischmann an der weiteren Krisenstrategie. Vor Bonelli lagen die Eckpunkte des von ihm entworfenen und historischen Gesetzespakets, das schon am nächsten Tag — einem Sonntag! — in einer Sondersitzung das Parlament passieren sollte: Antrag 396/A vom 14. März 2020, so harmlos lautete tags darauf der Name des Papiers, das lediglich zehn Seiten umfasste, aber das mit Abstand Drastischste war, was Politiker in diesem Land seit Jahrzehnten umgesetzt haben. Abgesehen von einem Corona-Krisenfonds für den Standort, der in den folgenden Tagen auf die astronomische Summe von 38 Milliarden Euro ausgeweitet werden sollte, wurde das gesetzliche Fundament für eine vorläufige Teil-Entmachtung des Parlaments, Versammlungsverbote und andere restriktive Freiheitseinschränkungen gegossen. Fleischmann setzte derweil eine landesweite Infokampagne mit Inseraten und Fernsehspots auf, die Menschen zum Daheimbleiben motivieren sollte. Zu diesem Zeitpunkt diskutierte man in Deutschland und anderen EU-Staaten noch darüber, ob es denn wirklich notwendig sei, derart strenge Maßnahmen wie in Österreich zu ergreifen.

      Sie, die an diesem Samstag im Kanzleramt von einem Büro zum anderen eilten, das sind die engsten Vertrauten von Sebastian Kurz, sie sind es, die im Schatten des Kanzlers für ihn die Regierungsarbeit der großen Corona-Krise orchestrieren. Zwar holten die Türkisen wider ihr Naturell selbst die Sozialpartner ins Boot, auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen punktete als Krisenmanager – dennoch, die Schaltzentrale des Corona-Krisenmanagements blieb das Kanzleramt. Die dort agierende Truppe um Kurz werkte Tag und Nacht, auf mehr als drei Stunden Schlaf kam in den ersten Corona-Wochen selten jemand von ihnen. Für den Fall, dass sich Kurz selbst oder ein Mitglied seines Machtzirkels anstecken, wurde ein Szenario vereinbart, auf das selbst Produzenten von politischen Drama-Serien erst einmal kommen müssten: Beim ersten Corona-Fall der türkisen Truppe würde die ganze Kurz-Partie im Kanzleramt in Quarantäne gesteckt – um rastlos weiterzuarbeiten. Selbst Feldbetten wurden aufgestellt.

      Zwar holt Kurz stets eine Reihe von Ratschlägen Außenstehender ein, in der Corona-Krise soll ihn etwa ein Telefonat mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu von der raschen Einführung rigider Freiheitseinschränkungen überzeugt haben. Die finalen Entscheidungen, die fallen dann aber im kleinen Kreis rund um seine politischen Lebensgefährten Stefan Steiner und Gerald Fleischmann.

      Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Buches erreichte die Corona-Krise, die uns wohl noch viele Jahre beschäftigen wird, nach Wochen der Quasi-Ausgangssperre kurz vor Ostern ihren ersten Höhepunkt – und zumindest bis dahin erfuhr die Regierungsspitze für ihren Krisenkurs überwältigende Zustimmung. Abgesehen von Lob in Medien in- und außerhalb Österreichs ergab etwa eine Gallup-Umfrage Ende März, dass knapp neunzig Prozent der Befragten mit der COVID-19-Politik der Regierung zufrieden seien – trotz einer Reihe kritischer Berichte über nicht gerade optimales Krisenmanagement in Tiroler Skigebieten, die eine regelrechte Corona-Drehscheibe waren. Fast alle Institute lieferten ähnliche Werte. Und kaum jemand hegte Zweifel daran, dass dies nicht zuletzt an der wieder einmal zur Perfektion aufgelaufenen türkisen Kommunikationsmaschinerie lag. Auch die Popularitätswerte von Kurz selbst erreichten lichte Höhen: 77 Prozent der Österreicher fiel der Kanzler laut Unique Research in den ersten Wochen der Krise positiv auf – nur jeder Zehnte fand die Performance des Kanzlers schlecht. Seine persönlichen Beliebtheitswerte erreichten im OGM-Vertrauensindex vom 4. April eine historische Bestmarke, die ÖVP lag laut Umfragen in der Wählergunst deutlich über vierzig Prozent.

      In der Corona-Krise wurde einmal mehr offenbar, worauf der sagenhafte politische Erfolg des Sebastian Kurz beruht: Der Chef der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mag ein formidabler Zuhörer und ein ganz talentierter Redner sein, er verfügt über ein feines Sensorium für Stimmungen und ist zudem in außerordentlichem Maße machtbewusst. Doch das, was ihn am

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