Böse Heiler. Ashish Bhalla
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Böse Heiler - Ashish Bhalla страница 8
Daher ist Kurkuma das Mittel der Wahl für alle, glauben viele. Einzunehmen am besten in hochdosierter Pillenform. Dabei wird nicht bedacht, dass Entzündungen im Körper nicht unbedingt schlecht sind. Entzündungen deuten primär darauf hin, dass das Immunsystem mit etwas kämpft. Es macht nicht unbedingt Sinn, dem eigenen Immunsystem mit hochdosiertem Kurkuma in die Quere zu kommen. Zudem darf Kurkuma vielen Menschen nicht länger als drei Monate gegeben werden, da es nicht nur die Wirkung verliert, sondern auch paradoxe Wirkungen auftreten können. Das will wohl überlegt sein.
Wenn, dann sollte Kurkuma individuell abgestimmt nur in Kombination mit anderen Pflanzen eingenommen werden, um die Aufnahme durch den Körper zu verbessern. Nicht selten wird Kurkuma mit schwarzem Pfeffer oder ähnlichen Scharfmachern gemischt, weil das ein aus Indien überliefertes Rezept ist. Bei bestimmten Menschentypen kann das allerdings zu Magengeschwüren führen.
Die landläufige Meinung Vitaminpräparate oder sonstige Nahrungsergänzungsmittel könnten ohne jegliche Bedenken nach dem Motto Nutzt’s-nix-schadt’s-nix eingenommen werden, ist falsch und gefährlich. Am Beispiel von Herrn Kurböck wird deutlich: Nahrungsergänzungsmittel können unserem Körper sehr wohl Schaden zufügen.
Vielleicht haben Alternativmediziner gute Erfahrungen mit dem bevorzugten Produkt ihrer Wahl gemacht und empfehlen es zumindest anfänglich reinen Herzens. Allerdings ist auch dieses reine Herz geprägt von medizinischem Unwissen.
Laut Ayurveda und auch laut der Traditionellen Chinesischen Medizin ist es wichtig, Medikamente immer individuell angepasst an den jeweiligen Patienten zusammenzustellen. Schon mehrmals sind Pharmafirmen an mich herangetreten mit der Frage, ob es nicht ein pflanzliches Mittel gebe, das gegen eine häufig auftretende Form von Beschwerde helfe. Mir wurden schon ordentliche Summen geboten für diesbezügliche Ideen. Meine Antwort war jedoch stets dieselbe. Die Beschwerden sind nur das Symptom. Symptome können sich bei verschiedenen Menschen ganz ähnlich anfühlen. Die Symptome sind allerdings nicht das Problem.
Zum Beispiel ständige Müdigkeit. Das kennen sehr viele Menschen. Aber ein Medikament, das allen Menschen gegen Müdigkeit hilft, kann es nicht geben. Es kann etwas geben, das bei vielen Menschen aufputschend wirkt. Von Kaffee bis Energy Drinks. Aber ursächlich gegen die Müdigkeit hilft das Aufputschen nicht. Eher im Gegenteil wird der Körper in den meisten Fällen zwischen den aufgeputschten Phasen noch mehr in die Müdigkeit fallen.
Müdigkeit ist ein Symptom, das sehr viele ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Von zu wenig Schlaf, Stress und Burnout über Vitaminmangel bis zu einer unentdeckten andauernden Entzündung, die den Körper viel Kraft kostet. Sogar ein Tumor kann hinter ständiger Müdigkeit stecken.
Daher ist es sinnlos gegen das Symptom, die Müdigkeit, vorzugehen. Erst muss ich als Arzt die Ursache für die Müdigkeit entdecken. Dann kann ich sie mit bestimmten pflanzlichen Wirkstoffen behandeln. Nur dann kann der Patient individuell von seiner Müdigkeit genesen. Daher kann es gegen das Symptom der Müdigkeit an sich kein Mittel geben, das alle Menschen im Sinne einer echten Heilung von der Müdigkeit befreit. Das Gleiche gilt für die meisten anderen Beschwerden.
Das alte medizinische Wissen steht also in klarem Widerspruch zum einen Mittel für alle. Alternativmedizinische Produktlinien kopieren trotzdem im Prinzip die Pharmaindustrie. Da werden möglichst massentaugliche Mittel vertrieben, die zu bestimmten Beschwerden, also zu den Symptomen passen. Je häufiger diese Symptome in der Bevölkerung vorkommen, desto einträglicher ist das entsprechende Mittel. Dass alle Menschen unterschiedlich sind und jede Krankheit gleichsam auf einem individuell spezifischen Boden gedeiht, blendet die Branche dabei aus. In einem ganzheitlichen alternativmedizinischen Denken kann es daher keine Produktlinien geben.
Nicht einmal bestimmte Vitamine, die wir doch vermeintlich alle brauchen können, brauchen wir im Einzelfall wirklich. Meist reicht eine abwechslungsreiche, gesunde Ernährung vollkommen aus, um unserem Körper alle benötigten Vitamine und Spurenelemente zuzuführen.
In unserer Überflussgesellschaft haben wir eher das Problem, dass wir unserem Körper zu viel von allem zuführen. Ein wenig fasten wäre oft wesentlich heilsamer als ein zusätzlicher Vitaminshake. Aber auch eine generelle Empfehlung zu fasten wäre unseriös. Wenn Menschen fasten, die nicht fasten sollten, können sie sehr viel Kraft verlieren.
Zuweilen entsteht rund um bestimmte Produkte ein regelrechter Hype. Begonnen hat es mit dem Vitamin-C-Hype in den 1990er-Jahren. Damals wurde der Bevölkerung eingeredet, wir würden an einem flächendeckenden Vitamin-C-Mangel leiden. Auf Basis dieses Glaubens werden seither Pillen verkauft, die laut der Werbung dafür so gut für den Körper wie ein ganzer Obstkorb sind. Dass das synthetisch produzierte Vitamin C nur Ascorbinsäure ist und nicht dieselbe Wirkung auf den Körper hat wie jenes aus frischem Obst, sagt niemand dazu. Denn damit würden die Menschen ja wieder mehr Obst essen und die durchwegs teureren Nahrungsergänzungsmittel nicht mehr kaufen.
Neuerdings ist es Vitamin D, das wir angeblich alle zusätzlich einnehmen sollten, weil wir zu wenig an die Sonne kommen. Dieser Mythos spricht viele Menschen an, die täglich viele Stunden im Büro verbringen und sich am Ende schlapp fühlen. Also besorgen wir uns Vitamin D rezeptfrei in der Apotheke. Dass ein Absinken des Vitamin-D-Spiegels in der dunklen Jahreszeit ganz normal ist und durch Laborbefund ausgewiesene Fälle von Vitamin-D-Mangel unter dem gesunden Grenzwert nicht die Regel sind, wird bei diesem Hype ausgeblendet. Die meisten Menschen schlucken Vitamin D auf Verdacht ohne Laborbefund. Womöglich gehen sie dann noch weniger an die Sonne und an die frische Luft.
Viele Scharlatane negieren die Individualität und Komplexität des menschlichen Körpers und der medizinischen Zusammenhänge. Meist weil sie diese Komplexität selbst nicht verstehen und nicht in Erklärungsnotstand kommen wollen. Oder weil leichtgläubige Patienten die Botschaft, dass ein Mittel sie von ihrem Leiden befreien wird, so gerne hören.
Als kritischer Konsument alternativmedizinischer Leistungen sollten Sie stets bedenken: Alles hat auch einen ökonomischen Aspekt. Das Geschäft mit dem einen Mittel für alle hat diesen ökonomischen Aspekt in ganz besonderem Ausmaß. Wenn anfänglich wohlmeinende Alternativmediziner mit dem Weiterverkauf eines Produktes Erfolg haben, können sie allzu leicht auf die schiefe Bahn der ökonomischen Motive geraten. Nämlich dann, wenn sie viel von dem Produkt billig einkaufen, damit die Gewinnspanne beim Weiterverkauf etwas höher ist. Vielleicht sind sie sogar so nett, den Preisvorteil an ihre Kunden weiterzugeben. Dennoch: Ihren Lagerbestand wollen sie natürlich so schnell wie möglich absetzen, denn schließlich haben sie ja beim Einkauf vorinvestiert. Daher empfehlen sie allen ihren Patienten nach Möglichkeit dieses Mittel. Dabei achten sie dann tendenziell nicht so genau auf die individuellen Umstände.
In ökonomischer Hinsicht risikoloser ist das Geschäftsmodell, in dem ein Alternativmediziner nicht vorher investieren und ein Lager halten muss, sondern einfach per Kommission am Vertrieb von Produkten in seiner Praxis beteiligt ist. Davon haben mir schon mehrere Patienten berichtet und so war es auch im Fall von Herrn Kurböck.
Zuweilen liegen in den Wartezimmern der Alternativmediziner Broschüren auf, die ein bestimmtes Produkt anpreisen. Sie als Patient können das Mittel, das der Alternativmediziner natürlich wärmstens empfiehlt, auch wenn er es nicht verschreiben darf, direkt per Bestellschein beziehen.
Alles ganz legal, denn Sie bestellen es ja selbst. Wenn etwas schiefgeht, weil Sie das Produkt nicht vertragen, sind nur Sie selbst in rechtlicher Hinsicht verantwortlich. Abgesehen davon könnten Sie nur in den seltensten Fällen wirklich den Nachweis erbringen, dass es das bestellte Mittel war, das Ihre Beschwerden verursacht hat. Daher Finger weg von Bestellscheinen.
Wenn ein bestimmtes Produkt Sie interessiert, lassen Sie sich am besten in Ihrer