Der Spion in meiner Tasche. Helmut Spudich

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Der Spion in meiner Tasche - Helmut Spudich

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style="font-size:15px;">      Aber mit Ausnahme von E-Mail am BlackBerry und am Nokia Communicator gelang es nicht, das Handy zu einem Teil des Internetbooms zu machen. Statt wie bisher zu emotionalisieren, wurde das Publikum mit technoiden Kürzeln bombardiert, wie WAP, UMTS, MMS oder DVB-T (Auflösung: Wireless Application Protocol, Universal Mobile Telecommunications System, Multimedia Messaging Service, Digital Video Broadcasting Handheld). So kompliziert wie die Abkürzungen waren Einstellungen, Menüs und Bedienung des Internet in der Tasche. Die Geräte waren eben in erster Linie zum Telefonieren und für SMS-Texte gemacht – der schrittweise Umbau zu »Multimedia-Computern« überforderte die technische Basis und die Kunden.

      Berührende Revolution

      Doch Erlösung war in Sicht und sie kam von keinem der »üblichen Verdächtigen«, wie Steve Jobs vor tausenden Fans Anfang 2007 die Branchenriesen des Handymarkts auf der Bühne des jährlichen Apple-Hochamts »Macworld« spöttisch abkanzelte. Dank der Rückkehr seines charismatischen Gründers in den 1990er-Jahren hatte Apple ein beachtliches Comeback geschafft. Mit dem MP3-Player iPod und der Musikbibliothek iTunes hatte Jobs die Musikindustrie auf den Kopf gestellt. Auf der Gerüchtebörse wurde seit langem ein Apple-Handy gehandelt. Ein Motorola-Handy mit integriertem iTunes war bisher der einzige Ausflug in diesen Bereich geblieben. Nokia hatte Grund, der Herauforderung gelassen entgegen zu blicken: Mit 50 Milliarden Euro Jahresumsatz und 437 Millionen verkauften Handys jährlich waren die Finnen mehr als doppelt so groß wie Apple.

      All das hinderte Jobs nicht an vollmundigen Ansagen. »Von Zeit zu Zeit gibt es ein revolutionäres Produkt, das alles verändert«, leitete er seine mehr als einstündige Show ein. Der Mac habe nicht nur Apple, sondern die ganze Computerindustrie transformiert. Der iPod krempelte Musikkonsum samt Musikbranche um. Und jetzt bringe Apple »gleich drei neue revolutionäre Produkte« auf einmal auf den Markt: Einen iPod mit großem Touchscreen, ein revolutionäres Mobilfunkgerät und einen »sensationellen Internet-Kommunikator« – »es sind drei Geräte in einem, und wir nennen es das iPhone«.

      Noch mehr als ein Jahrzehnt später ist die Präsentation des ersten iPhones ein überragendes Ereignis. Im Rückblick lässt sich sagen, dass Jobs sein Versprechen vom »revolutionären Handy« gehalten hat. In seiner Keynote (weiterhin auf YouTube) führt er vor, wie schon wenige Jahre später die meisten Menschen ihre Handys benutzen würden, gleich ob iPhone oder Geräte mit Googles Android.

      Anstelle einer fixen Plastiktastatur tritt das Touch Display: Ein Bildschirm wie die grafische Benutzeroberfläche des Computers, mit Fingern statt einer Maus zu bedienen. Durch den Entfall der Tastatur wird das Display größer, Bildschirm-Tasten erscheinen je nach Notwendigkeit und passen sich dem jeweiligen Programm an – der »App«. Bilder und Texte werden durch Auseinanderziehen zweier Finger vergrößert, durch zusammenzwicken verkleinert. Mit dem Finger von links nach rechts wischen, um das Gerät zu entsperren (womit Apple später ein Patentverfahren gegen Samsung gewinnen sollte) oder von einem Bild zum nächsten zu kommen. Von oben nach unten »scrollen«, um am iPod durch die Songs zu »blättern«, oder auf einer Webseite weiter zu gelangen. Telefonnummern auf einer Webseite antippen, um einen Anruf zu machen. Webbrowser und Mailprogramm, wie es Benutzer vom Computer gewohnt waren. Google Maps, um den Weg zu finden. Ein einziger Home Button, um wieder an den Anfang zurückzukehren, wenn man sich in den Apps verirrt hatte. Mit Sonderapplaus bedacht: Ein separater kleiner Schalter, um Klingeln zum falschen Zeitpunkt sofort abdrehen zu können. Und dazu den iPhone-Klingelton, der bald so bekannt sein sollte wie davor die Nokia-Tunes.

      Es ist bemerkenswert, wie Steve Jobs mit dieser Vorführung im Jahr 2007 die neue Welt der Smartphones so definierte, wie sie bis heute funktioniert. Erstaunlicherweise kamen in dieser Premiere zwei essenzielle Bausteine unserer Smartphones zu kurz. Das war einerseits Fotografie am Handy: Zwar zeigte Jobs die iPhone-Foto-App und die integrierte 2-Megapixel-Kamera. Aber zu Recht hätte er bei seiner Einführung auch digitale Fotografie auf seine revolutionären Fahnen heften können. Nokia hatte dies zuvor durch eine Kooperation mit dem deutschen Traditionshersteller von Präzisionsoptiken Zeiss probiert. Doch die Daten von Fotosites wie Flickr zeigten bald, dass sich die (noch vergleichsweise inferiore) Kamera des iPhones rasch an die Spitze aller geknipsten Bilder setzte. Einfache Benutzung zählte mehr für den Erfolg als technologische Überlegenheit.

      Andererseits fehlte jeder Hinweis auf einen App-Store und damit auf die schier unbegrenzten weiteren Verwendungsmöglichkeiten für das iPhone, die Abertausende von Apps bald eröffnen sollten. Gerade darin lag das »Revolutionäre« der neuen Handygeneration: Durch Apps können sie sich immer wieder neu erfinden. Ein Jahr später, im Sommer 2008, sollte schließlich der App-Store mit 500 Angeboten seine virtuellen Tore öffnen. Heute werden über zwei Millionen Anwendungen angeboten, zu denen täglich Hunderte neue kommen.

      Der Rest ist Geschichte. Bei der Apple-Messe, bei der Jobs die Revolution verkündete, konnte das iPhone nur als sakrales Kultobjekt hinter Glas bewundert werden, wie Kronjuwelen geschützt. Bis zum Sommer 2007 durfte kein Sterblicher Hand an das Wunderwerk legen. Wie das Stehplatzpublikum bei Ballettvorstellungen der Wiener Staatsoper warteten schließlich tausende Fans in einer Juni-Nacht vor Verkaufsbeginn vor den amerikanischen Apple-Stores, um die Segnungen des von Medien nur halb-ironisch »Jesus-Phone« getauften Geräts empfangen zu dürfen. Szenen, die sich in Hauptstädten rund um den Globus wiederholten.

      Der Feind auf deinem Touchscreen

      Doch jedem Anfang wohnt nicht nur ein Zauber, sondern auch der Kern eines späteren Rosenkriegs inne. In einer weitgehend vergessenen Szene der iPhone-Premiere hatte Google CEO Eric Schmidt einen Auftritt. Steve Jobs hatte voller Begeisterung zuvor Google Maps für das iPhone präsentiert, adelte es als eine unverzichtbare Anwendung des Internets in der Tasche und brachte das Publikum zum Lachen, als er den nächsten Starbucks auf der Karte suchte und dort anrief und »4000 Latte zum Mitnehmen« bestellte.

      Jetzt durfte Schmidt zum Handshake auf die Bühne, Jobs und das iPhone preisen, um dann nahtlos zu Google Maps als zentralem Datenelement auf dem iPhone überzuleiten. »Wir könnten die beiden Firmen fusionieren und sie Applegoo nennen… aber mit Google am iPhone kommen wir zusammen, ohne zu fusionieren, und jeder tut dabei das, was er am besten kann«, sagte Schmidt, der damals Mitglied des Apple-Boards war (eine Mischung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat). Im Kern erklärte Schmidt damit, was Googles alchemistisches Geschäftsmodell am Handy werden sollte: Daten aller Art aufzusaugen, um sie in Gold zu verwandeln.

      »Aus Google Maps bekommen andere Apps Daten, so wie Maps Daten von diesen Apps bekommen. Das ist der Beginn einer ganz neuen Generation von Datendiensten, mit mächtigen Computern in der Cloud, die diese Daten nutzen können.« Beim ersten iPhone erlaubte dies solch nützliche, aber noch einfache Funktionen, wie eine Adresse aus dem Adressbuch mit einem einzigen Fingerdruck in Maps zu finden. Nur wenige Jahre später ermöglichte dies, dass Google praktisch über jede Bewegung eines Nutzers von Google Maps Bescheid weiß und diese Information mit anderen Daten verbinden kann – wonach bei Google gesucht wurde, welche Einkäufe jemand mit Gmail tätigte, welche anderen Apps benutzt werden (eine reiche Datenspur, der wir in den folgenden Kapiteln folgen werden).

      Es war dies der letzte öffentliche Handshake zwischen Jobs und Schmidt. Hinter den Kulissen war Google längst dabei, sein eigenes Betriebssystem für ein Smartphone zu entwickeln. Bereits 2005 hatte Google Android samt seinem Entwickler Andy Rubin gekauft, ein früherer Apple-Techniker. Wenige Monate nach dem Verkaufsbeginn des iPhones präsentierte Android seinen zum Verwechseln ähnlichen Gegenentwurf zum iPhone. 33 Firmen hatte der Suchmaschinenkonzern um sich geschart, die auf Basis von Android Smartphones bauen sollten. Im Herbst 2008, mehr als ein Jahr nachdem das iPhone Schlagzeilen und Herzen erobert hatte, kam das erste Android-Handy auf den Markt. Das als T-Mobile G1 verkaufte Dream des taiwanesischen Herstellers HTC war noch eine Art Hybrid aus alter und neuer Handywelt. Google Apps bestimmten das Angebot: Suche, Maps, Mail, Kalender.

      Der

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