Venus in echt. Rhea Krcmárová

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Venus in echt - Rhea Krcmárová

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wird Zeit, auf ein höheres Level zu kommen. So schwer kann es nicht sein. Erst letztens habe ich wieder von einer Studie gelesen, dass wenn Männer im Internet nach Sex suchen, sie den Figurentyp ›fett‹ dreimal so oft eingeben wie den Figurentyp ›dünn‹«, sagte Olga.

      Ich schnaubte. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«

      »Laut dem Artikel gibt es sogar Plus-Size-Pornostars«, sagte Olga, tippte etwas in ihr Smartphone und hielt es mir unter die Nase. Ich sah das Bild einer rothaarigen, dicken Frau, die auf dem Rücken lag. Nackt. Sie hatte die Beine gespreizt und ihre Hand berührte ihre Pussy.

      »Schau mal, diese April Flores sieht doch genauso aus wie du«, sagte Olga. »Ähnliche Figur, helle Haut, und rot gefärbte Haare hat sie auch. Da steht, dass ihre Pussy sogar als Sexspielzeug aus Latex am Markt ist.«

      Ich sah mich um. Seinem Grinsen nach zu schließen, hatte der Blonde mit dem Scotch-Drink unser Gespräch offenbar mitgehört.

      »Können wir über so etwas vielleicht in Zimmerlautstärke reden?«, fragte ich Olga.

      Der sportliche Blonde prostete uns zu.

      Olga scannte ihn von den Spitzen seiner kunstvoll verwuschelten Haare bis zu den grauen Tennisschuhen. »Was hältst du von ihm?«, fragte sie. »Der sieht doch ein bisschen aus wie Jaime Lannister aus ›Game of Thrones‹.«

      »Auf mich wirkt er wie ein etwas heruntergekommener Fitnesstrainer.«

      Olga verdrehte wieder die Augen. »Mein Gott Romy, du sollst ihn ja nicht heiraten. Bloß ein paar XP sammeln.«

      »Ich erlebe gerade das Drama meines Lebens«, sagte ich. »Das sind für eine Weile genug XP.«

      »Christian war nur ein Trugbild«, sagte Olga. »Es lohnt sich nicht, einer Illusion nachzutrauern. Wie viel Zeit willst du noch verlieren?«

      »Weißt du, wie viel Lust ich gerade habe, einen Mann kennenzulernen?«, fragte ich. »Ungefähr so viel, wie ein eingeschworener Apple-Fan Lust hat, auf Windows umzusteigen.«

      »Weil du ja so viel zu verlieren hast.«

      Ich schenkte Olga einen trotzigen Blick, zog mich aber trotzdem in den kleinen Waschraum der Damentoilette zurück und brachte mein Gesicht in Ordnung, so gut es irgendwie ging.

      Als ich zurückkam, hielt mir Cem eine weitere Erdbeer-Colada hin und deutete mit dem Daumen auf den Blonden. »Mit freundlichen Grüßen von deinem neuen Verehrer.«

      »Ich liebe es, wenn ich recht habe«, sagte Olga. »So, und jetzt flirtest du mal ein bisschen mit ihm.«

      »So wie ich aussehe? Es ist euch schon aufgefallen, dass ich mein Gesicht nur sehr provisorisch restauriert habe, ja?«, fragte ich.

      »Glück für dich, die meisten Männer achten nicht auf solche Kleinigkeiten«, sagte Cem. »Uns geht es um das große Ganze.«

      Ein paar Augenblicke später hatten Olga und Cem sich diskret in Luft aufgelöst und der Blonde hatte sich auf dem Hocker neben mir niedergelassen. Er lächelte mir zu und fischte eine Visitenkarte aus der Brusttasche seines Poloshirts, auf dessen linker Brust es zwei Krokodile miteinander trieben. Toll, der Humor meines potenziellen Verehrers war ungefähr so tiefgründig wie eine Acht-Bit-Grafik.

      »Manfred Neuber, Filialleiter-Stellvertreter vom Hypersport-Markt im Shopping Center Nord«, stellte er sich vor.

      »Romy Morgenstern.« Ich wollte ihm erzählen, dass ich 3D-Artist war, an Social Games, Smartphonespielen, Serious Games, und sogar einem free to play MMO arbeitete. Im Moment hatte ich jedoch wenig Lust auf die unvermeidliche Diskussion über Frauen und die Computerspielbranche. »Ich kenne den Barkeeper«, sagte ich. »Außerdem muss ich bald nach Hause. Arbeiten. Und packen.«

      »Wir haben uns gerade erst kennengelernt und schon willst du los?«

      »Morgen um sieben muss ich im Flieger nach London sitzen.«

      In weniger als 24 Stunden würde ich der Kreativdirektorin meines Lieblingsspiels gegenübersitzen. Ich musste den guten Eindruck, den ich bei den Vorrundengesprächen über Skype aufgebaut hatte, bestätigen, auch wenn ich mich gerade fühlte, als hätte mich eine Horde Orks als Fußmatte benutzt.

      »Ist England im Jänner nicht etwas kalt für Urlaub?«, sagte Manfred.

      »Ich muss beruflich hin.«

      »Aha«, sagte er.

      Er fragte nicht nach, dafür rutschte er näher, bis sein Schenkel mein Knie berührte. Mit meiner vom Weinen noch verstopften Nase roch ich sein Rasierwasser, das frisch, aber für meinen Geschmack etwas zu seifig roch. Ich zog mein Knie weg und nippte an meinem Cocktail, während er mir seine Karriere als Sportartikelverkäufer und seine Erlebnisse in der Kraftkammer schilderte.

      Ich gab mir große Mühe, zuzuhören, wenn auch nur, um die Gedanken an Christian und Sonja aus meinem Hirn zu verscheuchen. Als mir Manfred gerade erzählte, wie viel Umsatz die Sportartikelmärkte ans Internet verloren, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

      »So schlimm ist das auch wieder nicht«, sagte Manfred und hob erschrocken seine Augenbrauen. »Die guten Märkte halten mit neuen Konzepten tapfer dagegen.«

      Ich schüttelte den Kopf und sah mich nach einer Serviette um. »Kein guter Tag heute. Entschuldige.«

      Cem und Olga tauchten wieder auf, und Cem nahm mich in den Arm. Manfred schob mir seine Karte hin, die ich auf dem Tresen liegengelassen hatte. »Ruf mich doch an, wenn du aus England zurück bist, ja?«, sagte er, und verließ die Bar.

      KAPITEL 3

      Als ich am nächsten Nachmittag aus dem zu einem Bürogebäude umgebauten ehemaligen Lagerhaus im Londoner Eastend trat, nahm ich den Schneeregen kaum wahr, der mir ins Gesicht klatschte. Seltsam, wie nahe Desaster und Euphorie manchmal beieinander liegen, dachte ich. In der Nacht hatte ich kaum geschlafen und war immer wieder aus wüsten Alpträumen voller Hanteln stemmender Monster und dicker Pornoköniginnen aufgewacht. Jetzt schwebte ich fast über die mit Schneematsch überzogene Straße. Seit ich vor zwei Jahren das erste Mal als Elfenmagierin die Dracheninsel Oranthene im Spiel Knights of the Dragon Isle erkundet hatte, träumte ich davon, bei der Gestaltung dieser Welt mitzuarbeiten. Zu meinem Entzücken hatten mein Portfolio und mein Enthusiasmus Tamsin, die Kreativdirektorin von DrakeLore, tatsächlich überzeugt. In nur drei Monaten würde die Arbeit an Teil zwei beginnen, und ich würde mit den Genies zusammenarbeiten können, die sich diese opulente, komplexe Fantasiewelt ausgedacht hatten. Jetzt musste ich nur noch die Zeit bis dahin überbrücken, ohne vor lauter Ungeduld die Wände hochzugehen. Olga hatte mich für ein Kinderlernspiel namens Freche Früchtchen zum Thema Bio-Obst vorgeschlagen, an dem sie selbst mitarbeitete. Äpfel und Spargel zu zeichnen, würde natürlich nicht so spannend sein, wie Magier und Elfenkriegerinnen zum Leben zu erwecken, aber für eine Frau wie mich, die inzwischen wieder gerne kochte und aß, war das Projekt eine nette Zwischenlösung, und das Honorar konnte ich auch gut gebrauchen.

      Die nächsten paar Stunden lief ich aufgeregt durch London. In jeder Statue glaubte ich, einen Ritter der Dracheninsel zu sehen und die Tauben, die frierend auf den Denkmälern hockten, verwandelte ich im Vorbeigehen in Jungdrachen. Erst, als mir so kalt war, dass ich glaubte, auf meinen Wimpern bildeten sich Eiskristalle, ging ich ins Hotel zurück. Jetzt, da meine Aufregung sich langsam legte, tauchten die Ereignisse des vergangenen Abends wieder

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