Venus in echt. Rhea Krcmárová
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Ich bestellte beim Zimmerservice Tee und Sandwiches und packte meinen Laptop aus. Zuerst suchte ich nach »Plus Size Porn« und fand jede Menge schlanker Männer mit Frauen, die das Doppelte bis Dreifache von ihnen ausmachten. Einige dieser Frauen waren noch viel dicker als ich. Die paar Male, die ich mich bisher auf Pornoseiten verirrt hatte, hatte ich die Filme mit dicken Frauen als Randphänomen für Fetischisten gehalten. Jetzt sah ich, dass sich offenbar ziemlich viele Menschen für »Fat Porn« und »Chubby Porn« interessierten. Warum eigentlich? Was fand ein Mann wie Christian an Sonjas Körper so besonders, so erotisch? Was hätte er an meinem Körper ansprechend und erregend finden können?
Ich klickte wahllos auf einen der Clips und sah einen riesigen runden Frauenhintern, der fast das ganze Fenster ausfüllte. Er bewegte sich auf und ab, und erst jetzt bemerkte ich, dass die Frau auf ziemlich schlanken Männeroberschenkeln saß und ein Schwanz sich von unten zwischen ihre Schenkel bohrte. Der Hintern wippte und wackelte, während der feuchte Schwanz in der Frau verschwand, kurz hervor kam und wieder versank. Hände kamen ins Bild, die den Hintern drückten und kneteten. »Oh, Baby, yesss«, stöhnte die Frau. Sie zog ihre mächtigen, mit einer dicken Göttin tätowierten Pobacken auseinander, damit die Kamera einen besseren Blick auf ihre Pussy hatte, während der Mann in sie eindrang. Er sagte etwas zu ihr, aber der Ton war schlecht und das schmatzende Geräusch von Fleisch, das auf Fleisch prallte, übertönte seine Worte.
Die nächste Einstellung zeigte das Paar von der Seite. Der Mann lag auf einem großen Sofahocker und die Frau thronte auf seinem Schoß, mächtig wie die Urzeitgöttin, die ihren Hintern zierte. Sie bog den Rücken durch, während sie auf seinen Schenkeln hin-und herwiegte. Er richtete sich auf und steckte sein Gesicht zwischen ihre massigen Brüste. Dann stieg sie von ihm herunter, legte sich auf den Hocker und spreizte ihre üppigen Schenkel so weit sie nur konnte. Er betrachtete einen Augenblick lang lüstern ihre mit einem leichten Feuchtigkeitsschleier überzogene Pussy, dann stellte er sich zwischen ihre Beine und drang tief in sie ein. Der schlanke Mann stieß in die dicke Frau, wieder und wieder, und versetzte dabei ihren gesamten Körper in Bewegung. Sein Blick klebte auf ihren Brüsten und auf seinen Schläfen sammelte sich Schweiß. Sie legte eine Hand auf ihre Pussy und streichelte sich selbst, während er sie vögelte. »Yes, Baby«, stöhnte sie. »Bring meine Dinger zum Hüpfen.«
Ich schaltete den Ton weg, weil mich das gespielte Stöhnen nervte, und sah mir das Video noch einmal an. Sah noch einmal ihr Fleisch sich bewegen, die Fülle ihres Körpers, den Ausdruck der Lust auf seinem Gesicht, und bemerkte die Wärme, die sich in meinem Schoß ausbreitete.
Ich verließ die pornografischen Seiten und sah mir Seiten mit Plus-Size-Mode und von Dicken-Aktivisten an. Ich fand tausende Einträge und Bilder, auf Webplattformen und Blogs, auf Tumblr, Facebook und YouTube. Ich sah dicke Frauen, die sich modischer, schicker und wilder kleideten, als ich es mich je getraut hatte. Frauen, die Stile von Vintage über Avantgarde bis Gothic durchprobierten und mit ihren Liebhabern und Ehemännern posierten. Ich kam mir vor wie eine Figur in einem Spiel, die zu lange auf Level eins herumgekrochen war und schließlich feststellte, dass es mehr gab als nur ihr Dorf und den Wald darum herum. Dass es eine ganze Welt gab, mit Inseln und Bergen und Städten und Wüsten und Verließen. Eine Welt, von deren Existenz sie die ganze Zeit nichts geahnt hatte.
Auf dem Blog einer deutschen Plus-Size-Pinup-Liebhaberin fand ich eine Kolumne über dicke Fashionistas. Ich scrollte mich über die Seite und zuckte zusammen. Ein Bericht war Christians dicker Sonja gewidmet. Ich wollte die Seite schließen, zwang mich aber, genauer hinzusehen.
Ich musste wissen, was sie anders machte als ich. Ich sah Fotos von ihr, wie sie im Badeanzug am Strand posierte, im Ballkleid eine Festsaaltreppe hinunterlief und bei einer Rock ’n’ Roll-Party ihr Korsett zur Schau trug. Widerwillig gestand ich mir ein, dass ich Sonja schön fand, dass sie ein echter Vamp war, mutig und selbstbewusst. Ich konnte richtig sehen, dass sie sich in ihrer Haut wohl fühlte und dass sie sich sexy fand. Ich wusste nicht, worum ich sie mehr beneidete, um Christians Liebe oder um dieses Selbstvertrauen.
Als ich Stunden später meinen Computer zuklappte, fragte ich mich, wie es Sonja und all die anderen Frauen auf diesen Seiten geschafft hatten, sich so frei und sexy zu fühlen. Sicher, ich hatte beim Bauchtanzen und beim Aktzeichnen auf der Kunstuni gelernt, meine Rundungen einigermaßen zu akzeptieren. Autorinnen wie Natalie Angier und Naomi Wolf hatten mich gelehrt, meine Anatomie mit einer gewissen Faszination zu betrachten. Aber einen dicken Körper wirklich liebens- und begehrenswert finden? Immer, wenn eine dicke Frau das behauptete, dachte ich, dass sie sich selbst belügt. Wie konnten sich Menschen selbst lieben, wenn sie die ganze Welt mit Beleidigungen und Vorurteilen bombardierte? Wenn sie höchstens als Vorherbild einer Diätreportage vorkamen? Wenn Modeschöpfer sie immer nur in bunt bedruckte Säcke stecken wollten? Wenn ihnen Gesundheitsstatistiken nachzuweisen versuchten, dass sie die Krankenkassen zum Kollabieren brachten? Wie sollten sie sich da sexy fühlen?
Sonja tat es. Sie liebte ihren runden Körper, genauso wie die Plus-Size-Bloggerinnen, die dicken Models und die runden Pornostars, deren Clips von Millionen von Männern angeklickt wurden. Ein Gedanke formte sich in meinem Kopf: Wenn diese Frauen es konnten, wollte ich es auch lernen. Wollte es lernen, wollte herausfinden, was an meinem Körper sexy war. Wollte nachholen, was ich in Sachen Sinnlichkeit versäumt hatte. Ich wollte mich nicht wieder in den erstbesten verlieben und ihn mit etwas Pech wieder aus der Ferne anschmachten, sondern XP sammeln. Ich wollte Männer finden, die fette Frauen erotisch finden, und alles gutmachen, was ich verpasst hatte. Ich wollte den Teil von mir, der unter all den Unsicherheiten und Ängsten vergraben war, der sehnsüchtig und hungrig war, an die Oberfläche holen.
KAPITEL 4
Die Tänzerin warf dem Publikum kokette Blicke über die Schulter zu, als sie ihren Glitzer-BH öffnete. Dann drehte sie sich um und ließ den Büstenhalter von ihren Schultern gleiten, über Brüste und Bauch, die nicht viel kleiner waren als meine. Sie wirbelte den BH wie ein leuchtendes Windrad durch die Luft und ließ ihn auf den Bühnenboden fallen, wo schon ihr Korsett, die Strümpfe, die langen Handschuhe und der Rest ihres Kostüms lagen wie kleine, pink glitzernde Pfützen. Im Takt der Musik hob sie ihre Arme und setzte ihren üppigen Leib in Bewegung, sodass die Quasten der Pasties über ihren Brustwarzen sich drehten wie kleine Flugzeugpropeller. Das Publikum kreischte, lachte und applaudierte. Die Tänzerin, die sich »Dirty Martini« nannte, warf uns eine Kusshand zu und stolzierte von der Bühne.
»Ist sie nicht großartig?«, flüsterte Tamsin in meine Richtung.
Ich nickte. »Wie macht sie das?«
»Tassle twirling kann man lernen«, sagte Tamsin und zwinkerte mir mit einem verschwörerischen Lächeln zu.
Ich lächelte zurück. Anfangs war ich etwas verlegen gewesen, meine künftige Chefin ausgerechnet bei dem Striptease-Event in einem Vintage-Club in der Nähe der Brick Lane, den ich bei meiner Recherche im Internet gefunden hatte, über den Weg zu laufen. Doch Tamsin, die nur eine Kleidergröße weniger hatte als ich, schien sich über meine Anwesenheit zu freuen und steckte mich mit ihrem Enthusiasmus für Burlesque richtig an.
»Ich habe vergangenen Sommer einen Kurs an der New York School of Burlesque belegt, bei Jo Boobs«, erzählte sie mir. »In Wien gibt es sicher auch Kurse.«
»Müsste ich mal googeln.«
Vor zwei Tagen hätte ich beim Gedanken an so einen Kurs noch laut gelacht. Inzwischen fand ich die Idee zumindest überlegenswert.
Mein Blick fiel auf bestickte Korsagen, Tüllröcke,