Gestalttherapie in der klinischen Praxis. Группа авторов

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Gestalttherapie in der klinischen Praxis - Группа авторов EHP - Edition Humanistische Psychologie

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Gestalttherapie, die sich an die existenzielle Phänomenologie, die Intersubjektivität und die beziehungsorientierte Psychoanalyse anlehnt, von ihnen unterstützt und auch infrage gestellt wird. Diese Elemente untermauern die vier charakteristischen Merkmale unseres beziehungszentrierten Forschungsansatzes. Die ersten beiden, Präsenz und Inklusion, werden für die meisten GestalttherapeutInnen unmittelbar auszumachen sein: Sie werden wiederum von Intersubjektivität und Reflexivität unterstützt.

      Präsenz ist die Fähigkeit, offen und sowohl emotional als auch körperlich anwesend zu sein. Inklusion ist die Fähigkeit, sich selbst in das Erleben des/der Anderen zu versetzen und dadurch die Existenz und das Potenzial des/der Anderen zu bestätigen. GestalttherapeutInnen wird die Anwendung dieser Konzepte in der klinischen Praxis vertraut sein. Diese Konzepte können ebenso auf die Forschung angewandt werden.

      Präsenz und Inklusion sind tatsächlich »Zwillingsprozesse«, die einander in der beziehungszentrierten Forschung bedingen. Die Herausforderung besteht darin, innerhalb der Forschung zu sein und Inklusion zu praktizieren und gleichzeitig auch außerhalb zu sein und eine geerdete Präsenz aufrecht zu erhalten, um sich nicht in dem/der Anderen zu verlieren (Yontef 2002). Die Fähigkeit, beides aufrecht zu erhalten wächst und entwickelt sich mit der Erfahrung.

      Obwohl ForscherInnen und Forschungsobjekte voneinander getrennt sind, hebt das Konzept der Intersubjektivität ihre Verflechtungen hervor. Jede beziehungsorientierte Begegnung zwischen zwei Menschen umfasst potenziell vielfache ineinander greifende Subjektivitäten, bewusst und unbewusst. Vergangene und aktuelle Aspekte des Selbst eines Menschen können zutage treten und in der Gegenwart mit vergangenen und aktuellen Aspekten des/der Anderen interagieren. Aufgrund der Komplexität dieses intersubjektiven Raums muss eine beziehungsorientierte ForscherIn sich mit der Reflexivität befassen, einer Aufmerksamkeit, die sich ihrer selbst und der Forschungsdynamiken und -prozesse bewusst ist. Wir raten zu einer SupervisorIn, die die ForscherIn in ihrer kritischen Reflexion unterstützt und herausfordert.

      Es gibt kein einfaches Buch mit Regeln und Techniken, um ein bestimmtes Forschungsprojekt durchzuführen oder ein bestimmtes Thema einer KlientIn zu erforschen. Diese vier Aspekte der beziehungsorientierten Forschung sind jedoch in geringerem oder größerem Ausmaß bei allen beziehungsorientierten Forschungsprojekten präsent, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung.5 Die Präsenz der ForscherIn ist wesentlich, um die immens wichtige Forschungsbeziehung aufzubauen und verlangt nach körperlichem und emotionalem Engagement, Rezeptivität und Transparenz.

      In ihrer Version der Reflective Lifeworld Research entwickeln Dahlberg, Dahlberg und Nystrom (2008) die Idee der Rezeptivität. Sie fordern die ForscherIn auf, eine »offene, entdeckende Art zu sein« anzunehmen und eine »Fähigkeit, sich überraschen zu lassen und dem Unvorhersagbaren und Unerwarteten mit Sensibilität zu begegnen« zu entwickeln (ebd., 98 [Übers. a. J.]). Wertz (2005) wendet diese Ideen auf den Prozess der Einklammerung (Epoche) in der phänomenologischen Forschung an, wobei er postuliert, dass die ForscherIn versuchen muss, sich ganz auf die Situation der TeilnehmerIn einzulassen und »die beschriebene Situation auf langsame, meditative Weise auszukosten und sich all den Details zu widmen, ja, sie sogar hervorzuheben« (ebd., 172, [Übers. a. J.]).

      Es ist unser »intersubjektiver Erfahrungs-Horizont, der uns Zugang zu den Erfahrungen anderer ermöglicht« (ebd., 168). In diesem intersubjektiven Zusammenhang (Kontext) gibt es ein »wechselseitiges Eingelassensein und Verflochtensein« von Anderen in uns und von uns in sie (Merleau-Ponty 1968, 182). Diese Verflechtung geschieht auf sichtbare und auf versteckte Weise, da eigene Aspekte mit Teilen des/der Anderen interagieren und mit ihnen verschmelzen. Ein Weg, diese komplizierten Verknüpfungen zu verstehen, im Zuge deren wir aufeinander auf vielen Ebenen reagieren, ist, sich die vielfachen, interagierenden Subjektivitäten, die präsent sind, bewusst zu machen. DeYoung beschreibt diese Beziehungs-Verknüpfungen als »dicht bevölkerte« Begegnungen (DeYoung 2003 [Übers. a. J.]).

      Jeder und jede von uns bringt seine/ihre einmalige Art, in der Welt zu sein,6 in die Forschungsbegegnung ein. Sie entstammt der persönlichen Geschichte, die Alter, Geschlecht, Ethnie und Persönlichkeit umfasst (Evans / Gilbert 2005). Dieses In-der Welt-Sein formt die Wahrnehmung von Ereignissen und beeinflusst die beziehungsorientierte Begegnung (Stolorow / Atwood 1992). Die kritische Reflexion darüber, wie die ForscherIn und die Forschungsbeziehung sowohl den Forschungsprozess als auch die Ergebnisse beeinflussen können (Finlay / Gough 2003), ist das wesentliche Thema. Wenn die Subjektivität und die Intersubjektivität der ForscherIn durch Reflexivität in den Vordergrund geholt werden, fangen sie an zu trennen, was eher zur ForscherIn gehört als zum Forschungsgegenstand.

      Als GestalttherapeutIn werden Sie bei der Lektüre dieses Kapitels den Wert und die Bedeutung der Reflexivität natürlich zu würdigen wissen. Und Sie werden sich auch bewusst sein, wie wertvoll Supervision bei dem Versuch sein kann, einige der komplizierten subjektiven und intersubjektiven Themen zu entwirren, die die Therapie erheblich beeinflussen könnten. Dasselbe trifft auf den Forschungsprozess zu. Wir sind der Ansicht, dass beziehungszentrierte Forschung idealerweise sowohl durch akademische Supervision als auch durch eine Supervision des Forschungsprozesses begleitet wird (Evans 2007).

      7. Schlussfolgerung

      Im Herzen der dialogischen Gestalttherapie und der beziehungszentrierten Forschung liegt der Fokus auf der Ko-Kreation der Beziehung als interaktionelles Ereignis, ein sich fortlaufend entwickelnder ko-konstruierter Beziehungsprozess zu dem KlientIn und TherapeutIn, TeilnehmerIn und ForscherIn gleichermaßen beitragen und sich beständig gegenseitig beeinflussen.

      Egal ob man sich mit Forschung oder Psychotherapie befasst: Es bedarf einer sensiblen, beziehungsmäßig eingestimmten Haltung, was bedeutet, nicht länger die Kontrolle zu übernehmen, sondern sich auf das einzulassen, was sich zwischen ForscherIn und TeilnehmerIn entwickelt. Es bedeutet, das Ergebnis nicht vorherzusagen. Es bedeutet auch, nicht in den Verlauf und die Ausrichtung einzugreifen, indem man z. B. starr an den »sechs« Fragen festhält, die für das halbstrukturierte Interview entwickelt worden sind, oder indem man sich so in Sorgen um die Ergebnisse verstrickt, dass man nicht länger vollständig anwesend sein kann. Die beziehungsorientierte Forschung verlangt von der TherapeutIn-ForscherIn, sich in jedem Augenblick mit Bewusstheit dem hinzugeben, was entsteht.7 Darin liegen Herausforderung und Chance der Forschungsbestrebungen. Was bedeutet es für uns als ForscherInnen, wenn wir in der Forschungsbegegnung »vollständig anwesend« sein sollen? Wie erkennen wir ein Misslingen der Inklusion und wie gehen wir damit um? Was könnten die Auswirkungen auf unsere Fähigkeit sein, uns der »Zwischenheit« von starken, unbewussten Prozessen zu widmen, und wie können wir das auf einen durchdachten Forschungsansatz übertragen? Diese Fragen verlangen nach weiterer Reflexion, und wenn es mir gelungen ist, Ihr Interesse an weiterer Forschung zu wecken, möchte ich Sie dazu motivieren, einige oder alle der in diesem Kapitel erwähnten Texte zu lesen.

      Leslie Greenberg

      Ich war erfreut zu lesen, dass meine Forschungsanstrengungen einen so großen Einfluss auf Evans gehabt haben, und ich stimme mit seinen Ansichten der Forschungspolitik überein – dass aufgrund von Kulturkriegen »praxisbasierte Evidenz« und »Prozess-Forschung« zugunsten von »Ergebnissen« gemieden werden. Ich bin auch Evans’ Meinung, dass der aktuelle Fokus auf randomisierte klinische Studien als einziges Maß evidenzbasierter Behandlung zu vereinfachend ist. Die Forschung zeigt, dass der beste Indikator für erfolgreiche Ergebnisse tatsächlich die Qualität der therapeutischen Beziehung ist. Auch in diesem Punkt kann ich Evans nur beipflichten.

      Trotz dieser Übereinstimmungen stelle ich fest, dass ich seine Behauptung, sinnvolle Forschung ließe sich am besten mit einer beziehungszentrierten Vorgehensweise durchführen, nur halbherzig unterstütze. Charakteristisch für diesen Ansatz ist, dass man eine ähnlich sensible, »beziehungsmäßig eingestimmte« Haltung gegenüber der Forschung einnimmt, wie

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